Entstehungs- und Leistungsgeschichte der Sozialforschungsstelle Dortmund

Zusammenfassung

Ende Mai 1945 kehrte ich nach einer abenteuerlichen Flucht aus dem Sudetenland, wohin der Krieg mich verschlagen hatte, nach Dortmund zurück. Dort lebte meine Mutter im Altersheim und meine Schwester war in der Krankenpflege tätig. Diese große Stadt, in der ich lange gelebt hatte, war fast zu 100% zerstört. Vor Beginn der Nazizeit hatte ich hier die sozialen Probleme und Notstände des Ruhrgebietes als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Landesarbeitsamt Dortmund erleben und studieren können. In einer im Auftrage des Präsidenten von mir redigierten Zeitschrift „Der westfälische Arbeitsmarkt“ konnte ich diese Erfahrungen mehrere Jahre in grundsätzlichen und aktuellen Beiträgen verarbeiten. Mir war deshalb auch bekannt, daß diese bedeutende Industriestadt schon seit 1896 vergeblich versucht hatte, als Standort wissenschaftlicher Forschung und Bildung anerkannt zu werden. Als ein Zentrum der Arbeiterbewegung (1889 ging der erste Massenstreik der Bergarbeiter von hier aus) wurde Dortmund für eine Hochschule und wissenschaftliche Institute in der Monarchie nicht als politisch zuverlässig angesehen, wie übrigens das ganze Ruhrgebiet. Erst in der Weimarer Republik konnten einige industrienahe naturwissenschaftliche Institute, wie für Spektroskopie, Arbeits- und Ernährungsphysiologie errichtet werden, aber nicht für sozialwissenschaftliche Forschung. So bestand im Kerngebiet der sozialen Frage des 19. und 20. Jahrhunderts ein Vakuum, dessen Ausfüllung in der ökonomischen und sozialen Krisensituation nach 1945 als Herausforderung an die wissenschaftliche Fundierung einer neuen sozialen Ordnung erkannt werden mußte.