Zusammenfassung
Vorurteile zu haben, gilt in der privaten wie der öffentlichen Meinung als wenig schön und ehrenwert. Mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit wird ihre Existenz (bei anderen) immer dann festgestellt und zum Thema gemacht, wenn Meinungen über Menschen, d. h. über Kategorien und (Quasi) Gruppen von Menschen geäußert werden, die nicht allgemeine Zustimmung finden. Sagt etwa jemand in einer Unterhaltung: „Arbeiter können sich nicht benehmen“ oder „Die Amerikaner aus den Staaten sind meistens recht naiv“, werden diese und verwandte Äußerungen leicht auf Ablehnung stoßen und als „typische Vorurteile“ zurückgewiesen werden. Findet daraufhin eine Auseinandersetzung über die Berechtigung solcher Urteile statt, werden sich beide Parteien zunächst auf die (eigene oder fremde) Erfahrung berufen; prüft man jedoch die beiderseits gemachten oder wiedergegebenen Erfahrungen näher, erweisen sie sich meistens als nicht nur begrenzt, sondern oft auch als im gesamten widersprüchlich sowie im einzelnen uneinheitlich oder nicht eindeutig interpretierbar. Dies pflegt den Streit von der Sache auf die an ihm Beteiligten zu verlagern: Wirft die eine Partei der anderen vor, daß sie aufgrund einer undurchdachten, rein dogmatischen Vorstellung von der Gleichheit der Menschen auf der Hand liegende Unterschiede zwischen (Quasi) Gruppen und bestimmten sozialen Kategorien Zugehörigen einfach nicht sehen wolle, sich offensichtlich gegen pure Fakten stemme und jedenfalls hier sich realitätsblind oder gar -feindlich zeige, wofür sicher kognitiv-psychische Verbiegungen oder Defekte verantwortlich zu machen seien, die ihrerseits vermutlich in nichtgelungener (früh)kindlicher Sozialisation oder Erziehung wurzelten — so gilt in den Augen der anderen Partei die erste leicht als überheblich, als von falschem Stolz auf sich bzw. die eigene soziale Zugehörigkeit erfüllt, als kognitiv starr und nicht in der Lage, individuelle Erfahrungen zu machen, sowie insbesondere unfähig, in anderen Personen nicht nur Angehörige von Gruppen und sozialen Kategorien, sondern Personen mit recht unterschiedlicher Individualität zu sehen; eine Unfähigkeit, für die sicher kognitiv-psychische Verbiegungen oder Defekte verantwortlich zu machen seinen, die ihrerseits … (s. o.).
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Estel, B. (1983). Soziale Vorurteile im modernen vorwissenschaftlichen Verständnis. In: Soziale Vorurteile und soziale Urteile. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83800-1_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83800-1_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11628-0
Online ISBN: 978-3-322-83800-1
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