Zusammenfassung
Der Aufbau einer gemeinsamen Wirklichkeit stößt an eine Reihe von Grenzen und Schwierigkeiten (vgl. Hahn 1983). Diese ergeben sich aus den Problemen des Fremdverstehens. Nach Alfred Schütz (1974) ist der “gemeinte Sinn”, den der Akteur B mit seinen Handlungen und auch mit seinen Worten verbindet, immer nur annäherungsmäßig erfaßbar. Mehr als eine Annäherung ist nicht möglich, da dies eine Identität der Erlebnisströme von A und B zur Bedingung hätte, die es aufgrund ihrer unterschiedlichen Biographien nicht geben kann. Die Erlebnisse von alter sind ego nicht in gleicher Weise zugänglich wie die eigenen. Sie sind dem ego immer nur in diskontinuierlichen Segmenten vorgegeben und bleiben dadurch unvermeidlich unvollständig erfaßbar. Auch in einer Wir-Beziehung oder — mit Goffman gesprochen — Interaktion, hat A keinen direkten Zugang zum “gemeinten Sinn”, den B mit seinen Handlungen verbindet. In einer Wir-Beziehung ist zwar der Leib der anderen Person als Ausdrucksfeld zugänglich, und damit ist ein Maximum an Symptomfülle gegeben. Durch die raumzeitliche Koexistenz wird es auch möglich, den Aufbau der Handlungsabläufe in ihrer Schrittfolge und in ihren einzelnen Schritten mit zu verfolgen. Dennoch kann auch hier alle Erfahrung vom fremden Erleben nur vermittelt gewonnen werden, d.h. “indem ich seine Bewegungen, seinen Ausdruck, seine Mitteilungen als Anzeichen von subjektiv sinnvollen Erfahrungen eines fremden Ichs auslege” (Schütz/Luckmann 1975: 77).
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Notes
Die Diskussion zur Geschlechterdifferenz hat inzwischen die Beziehungsratgeber erreicht und nimmt dort eine Form an, die definitiv feststellt, daß Männer und Frauen sich prinzipiell nicht verstehen können. So heißt es in einem Dossier der Frauenzeitschrift “Brigitte” (16/91: 83): “Heute sagen Forscher und Psychologen: Mann und Frau können sich lieben, aber einander verstehen werden sie sich nie”. Ein Spiegel-Special (Nr. 5/98) kleidet diesen Sachverhalt in die Gestalt einer mathemathischen Gleichung: “Mann + Frau = Krise”.
Eine Bestätigung findet dies auch in der Longitudinalstudie von Howard S. Markman et al. (1987), die zeigen kann, daß ein unzureichendes Kommunikationsverhalten vielfach dem Auftreten von Eheproblemen vorausgeht. Als Überblick zur ehelichen Kommuniaktion vgl. Fitzpatrick 1988.
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© 1998 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Lenz, K. (1998). Wirklichkeitskonstruktion — Grenzen und Möglichkeiten. In: Soziologie der Zweierbeziehung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83768-4_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83768-4_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-22177-9
Online ISBN: 978-3-322-83768-4
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