Zusammenfassung
Die chinesische Familie befindet sich heute in einem tiefgreifenden Umwandlungsprozeß, der bereits Ende des vergangenen Jh. begann und auch jetzt noch nicht abgeschlossen ist. Von keiner früheren politischen Umwälzung war die Familie in gleichem Maße betroffen; sie hatte sich immer als ein relativ stabiles und damit auch stabilisierendes Element erwiesen, auf das man nicht selten die erstaunliche, sich fast über vier Jahrtausende erstreckende Kontinuität des chinesischen Reiches zurückführte. Ganz so unbeweglich war das Familiensystem, für sich allein betrachtet, freilich nicht. Es enthielt vielmehr beträchtliche Unterschiede je nach geographischer Region und gesellschaftlicher Position; auch seine historische Entwicklung verlief alles andere als geradlinig. Entscheidend für die letzte, mit 900 Jahren für europäische Begriffe zwar unendlich lange, aber doch eben nicht für die gesamtchinesische Geschichte typische Periode war der Sieg des Neo-Konfuzianismus über faktisch alle anderen konkurrierenden Weltanschauungen (namentlich Taoismus und Buddhismus) im gesellschaftlichen Bereich während des + 10. und + 11. Jh. Da nämlich der Konfuzianismus das patriarchalische Familiensystem zwar nicht hervorgebracht, es von Anfang an aber eng mit seiner Ideologie verbunden hatte, schlug sich die Verhärtung und Verengung, die den Neo-Konfuzianismus gegenüber dem älteren Konfuzianismus in vieler Hinsicht kennzeichnet, auch in der Organisation der Familie nieder. Eine Reihe der gravierendsten Unterdrükkungsmaßnahmen in der Familie, wie z. B. das Binden der Füße bei den Frauen, setzte sich erst seit dieser Zeit durch und wäre vordem undenkbar gewesen.
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Bauer, W. (1976). Familie. In: Franke, W. (eds) China. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83767-7_16
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83767-7_16
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Print ISBN: 978-3-531-09217-1
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