Zusammenfassung
Wie bereits in Kapitel I dargestellt wurde, gehen wir von der zentralen Annahme aus, daß Mietschulden sowie Schulden überhaupt Symptomcharakter haben können. Bei den Familien, mit denen wir arbeiteten, stellt die Schuldenproblematik zudem nicht das einzige Symptom der Familie dar, sondern man trifft auf eine ganze Reihe von Symptomen wie z.B. Alkoholprobleme, psychosomatische Symptome, soziale Auffälligkeiten (Delinquenz, Kindesmißhandlung), weshalb diese Familien in der Literatur auch als Multipro-blem-Familien bezeichnet werden. Bei diesen Familien wird nicht ein Familienmitglied als Symptomträger organisiert, sondern die ganze Familie produziert eine Vielfalt von verschiedenen Symptomen als Ausdruck der vielfältigen individuellen und familiären Konflikte. Die existentielle Ausmaße annehmende Mietschuldenproblematik stellt nun ein von der Familie gemeinsam produziertes Symptom dar, weshalb wir es zunächst zur Grundlage der Auswahl machten in der Annahme, auf weitere schwere familiäre Konflikte zu stoßen. Wir orientierten uns zunächst an der aktuellen sozialen Auffälligkeit der Familie — viele waren bereits früher auch anderweitig auffällig geworden, z.B. durch Delinquenz, Kindesmißhandlung und ähnliches -, wobei wir jedoch davon ausgingen, daß es sich bei dieser Art von Auffälligkeit um ein Symptom, um das Resultat einer alloplastischen Konfliktverarbeitung und damit auch um einen Hilferuf handele. Ähnlich wie im Falle von delinquentem Verhalten und Kindesmißhandlung provoziert diese Art der Verschuldung einen Eingriff gesellschaftlicher Institutionen in die Familie, so daß familiäre Konflikte zum Teil im öffentlichen Raum verhandelt werden. Auch unser Angebot stellte zunächst eine Reaktion auf diese „Veröffentlichung“ des Konflikts dar, denn die Familien suchten ja nicht aus eigener Initiative die Berater auf. Das Ziel der Beratung bestand nun freilich nicht in der „Reprivatisierung“ der existentiellen Problematik dieser Familien und in der Anpassung an die gesellschaftliche Norm, sondern wir versuchten den latenten Sinn der massiven Verschuldung zu ermitteln in der Annahme, daß die Bearbeitung der diesem Symptom zugrundeliegenden Konflikte die Familien zu einer weniger selbstdestruktiven Vertretung ihrer Interessen befähigen würde.
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Lutzi, J. (1990). Psychoanalytisch orientierte Familientherapie mit Multiproblem-Familien — Evaluation des therapeutischen Verlaufs. In: Soziale Krise, Institution und Familiendynamik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83736-3_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83736-3_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12169-7
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