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Kausalität, Anschaulichkeit und Individualität

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Quantenmechanik und Weimarer Republik
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Zusammenfassung

Die Quantenmechanik ist die grundlegende physikalische Theorie der atomaren und subatomaren Welt. Sie enthält die dem Theoretiker zur Verfügung stehenden Grundregeln, auf die er zurückgreift, wenn er in einem Industrielabor den elektrischen Widerstand eines zu bauenden neuen Halbleiters berechnet oder wenn er die Masse eines in einem Teilchenbeschleuniger zu erzeugenden Teilchens bestimmt. Diese Regeln wurden 1925–1926 in einem deutschsprechendem wissenschaftlichen Umfeld aufgefunden und in intensiver wissenschaftlicher Tätigeit in den folgenden Jahren ausgearbeitet, ebenfalls mit dem Zentrum in Deutschland. Natürlich lag Niels Bohrs Institut in Kopenhagen, und P. A. M. Dirac war ein junger englischer Forschungsstudent der Universität Cambridge, der sich unter den frühesten und allerwichtigsten Mitwirkenden befand. In weitaus überwiegendem Maße wurde die Quantenmechanik aber von Deutschen und Österreichern geschaffen. Als ein Erzeugnis Deutschlands muß sie folglich geeigneterweise auch im Zusammenhang mit der deutschen Kultur betrachtet werden.

Diesen Aufsatz trug der Autor ursprünglich während des Workshop on the Growth of Quantum Mechanics in the Cultural, Economic and Social Context of the Weimar Republic vor, der vom 3.-6. September 1979 vom Istituto di Fisica — Istituto di Matematica, Università di Lecce und der Gruppe Storia della Scienza dell ‘Istituto di Fisica G. Marconi, Università di Roma in Lecce veranstaltet wurde. Er wurde in einer leicht veränderten Form in italienischer Sprache in den von M. de Maria, E. Donini et al. [1980, S. 15–34] herausgegebenen Berichten dieser Veranstaltung abgedruckt. Eine deutsche Übersetzung erschien in N. Stehr und V. Meja (1981, S. 393–406). Der vorliegende Text folgt der nochmals von Forman überarbeiteten englischen Fassung, die in der englischen Ausgabe des Buches von Stehr und Meja [1984, S. 333–347] veröffentlicht wurde. (Die genauen Literaturhinweise findet man im Literaturverzeichnis unter Forman (1980a)). — Vergleichbare Untersuchungen zur Erklärung von Ursprung und Interpretation der Quantenmechanik im kulturellen Kontext unternahmen L. Feuer [1974] und S. G Brush (1980).

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Notes

  1. Nach Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus, proposition 1: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“

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  2. T. S. Kuhn hat sich ständig mit diesem gesellschaftlich-erkenntnistheoretischen Phänomen befaßt, neuerdings und unmittelbar in seinem Buch Kuhn [1978].

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  3. Forman (1971).

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  4. Einstein (1953). Es mag jedoch sein, daß sowohl meine Interpretation Einsteins als auch die der Quantenmechanik oberflächlich ist: Arthur Fine: What is Einstein’s statistical interpretation, or, is it Einstein for whom Bell’s theorem tolls? Topoi 3, 23–36 (1984).

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  5. Max Born (1926a, S. 866).

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  6. Z. B. Arnold Sommerfeld (1927a) und Jordan (1927a).

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  7. Werner Heisenberg (1927a, S. 197); ebenfalls Heisenberg (1927b).

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  8. Niels Bohr (1928).

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  9. Niels Bohr [1931, S. 14–15, 66, 76]. Forman [1971: §III. 7].

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  10. Die einzige wichtige Ausnahme war A. S. Eddington. Siehe Forman (1978).

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  11. Als sich J. R. Oppenheimer im Herbst 1926 in Göttingen aufhielt, sind ihm wahrscheinlich diese erkenntnistheoretischen Fragen aufgefallen, denn er war stark von der “fantastically impregnable metaphysical disingenousness” der hier anwesenden deutschen Physiker beeindruckt. (Zitiert nach Smith und Weiner [1980, S. 100].) Amerikanische Physiker scheinen dagegen erst 1929–1930 noch nicht mit den übergreifenden Indeterminismus-Schlüssen aus der Quantenmechanik begonnen zu haben.

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  12. Siehe Maiocchi (1975).

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  13. Richard Müller-Freienfels [1923, S.4].

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  14. Theodor Litt [1927]. Auf S 77 in dem vorangehenden Aufsatz von Forman zitiert.

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  15. Forman [1971: §I. 1 und I. 2].

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  16. Z. B. H. Weyl, R. von Mises, W. Nernst. Vgl. S. 135–149 des vorhergehenden Aufsatzes.

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  17. Daniel Serwer (1977). Pauli [1979, S. 231 et passim].

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  18. Fast alle Physiker des Zeitraumes von 1927 bis zur Gegenwart, gleichgültig welcher Nationalität sie angehören, würden auf ein Drängen hin diese Tatsache zugeben; dennoch würden sie unter sich oder insbesondere bei der Popularisierung ihrer Theorie die Wellenfunktion oft nicht nur als Beschreibung für das Verhalten einzelner Teilchen, sondern als die Teilchen selbst ausgeben.

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  19. Brief von Heisenberg an Pauli, 16. November 1925, abgedruckt in Pauli [1979, S. 255]; Brief von Heisenberg an Einstein, 16. November 1925 [sic], Einstein Projekt, Boston. Zum Folgenden siehe auch meinen Aufsatz Forman (1978). Ein anderer Standpunkt wird von Arthur I. Miller (1978) vertreten.

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  20. Max Born (1926b, S. 826).

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  21. Heisenberg war derart gereizt, daß er diesen Ausdruck in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung benutzte, welche dann die wahre Anschaulichkeit der Quantenmechanik darzulegen behauptete. Werner Heisenberg (1927a, S. 196).

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  22. Heisenberg (1927c).

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  23. Heisenberg (1926, S. 994). Dieser ausführlichere Text des in der vorangehenden Anmerkung zitierten Vortrages unterscheidet sich erheblich von dem Auszug, der wahrscheinlich im vornherein angefertigt wurde.

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  24. Max Born und Werner Heisenberg (1928, S. 144). Ein maschinengeschriebenes Manuskript des deutschen Originaltextes dieses Berichts befindet sich im Humanities Research Center, University of Texas, Austin, Texas. Die erste Seite, welche die betreffende Stelle enthält, ist bei A. C. Lewis: Albert Einstein 1879–1955, A Centenary Exhibit, Austin, Texas, 1979 (ohne Seitenangaben) wiedergegeben. — Heisenbergs ursprüngliche in den ersten Zeilen von „Über den anschaulichen Inhalt…“ enthaltene Neufassung von Anschaulichkeit wich nicht ganz so weit von der bisher akzeptierten Bedeutung des Wortes ab.

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  25. Arnold Sommerfeld (1930, S. 165).

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  26. Paul Forman [1971: §11. 4]; Brouwer [1975, S. 2–4, 481–487]; Tonietti (1982).

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  27. Nur die Anhänger der Matrizenmechanik hatten ein Interesse daran, die charakteristische Form dieser Version der Quantenmechanik zu verbergen. Anschaulichkeit galt sowohl innerhalb als auch außerhalb des Fachbereiches der Physik als ein derartig allgemeingültiger Kulturwert, daß Schrödingers Wellenmechanik als eine scheinbar anschauliche Theorie eine weit größere Anziehungskraft ausübte als die Matrizenmechanik, in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten ebenso wie in Deutschland.

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  28. Schrödinger in einem Schreiben an Sommerfeld vom 13. Februar 1949. Lewis Feuer [1974, S. 116–117 und 198–199] wies im Zusammenhang mit einem psychologischen Charakterbild von Niels Bohr zutreffenderweise auf die „Individualität“ hin. Feuer hat aber das Konzept der Individualität nicht richtig mit den beiden anderen Seiten des Dreiecks — d. h. mit der Quantenmechanik und dem Kulturmilieu verbunden.

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  29. J. C. Maxwell, in seiner Rede als Vorsitzender der BAAS, John Herschel [1830/1851, Art. 28, S. 38] zitierend. Vgl. Maxwell, Scientific Papers [1873, Bd. 2, S. 376].

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  30. „Individualität bedeutet Einschränkung und Unglücklichsein“, stellte Wilhelm Ostwald [1906, S. 46] von seinem monistischen Standpunkt aus fest. Er behauptete ferner, daß Individualität nicht in dem Fundament des naturwissenschaftlichen Weltbildes stecke, welches die Grundlage unseres persönlichen, sozialen und ethischen Weltbildes sei. — Ein zutreffenderer Hinweis ist im Schlußkapitel von J. W. Gibbs [1905] enthalten. Es gibt jedoch keinen Hinweis dafür, daß selbst die scharfsinnigsten Zeitgenossen oder unmittelbaren Nachfolger von Gibbs die logische Lücke wahrnahmen, die Gibbs hier zu füllen versuchte. Siehe M. J. Klein [1970, S. 136].

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  31. Werner Heisenberg [1926, S. 993].

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  32. Niels Bohr [1931, S. 14–15, 37, 43, 65].

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  33. Carl Friedrich von Weizsäcker, in Angelegenheiten der Atomphysik ebenfalls ein Bohr-Schüler, bleibt in Bezug auf die Individualität ein Rätsel. Seine gesammelten semipopulären Schriften Zum Weltbild der Physik [1958] enthalten zahlreiche Hinweise auf Komplementarität, jedoch kein Wort über Individualität. Trotzdem gibt es verschiedene indirekte Hinweise, daß Weizsäcker die Individualität als eine der Hauptlehren aus der Atomphysik befürwortete. So erschien im Jahre 1943 unter seinem Protektorat Elementarteilchen, Individualität und Wechselwirkung, eine deutsche Übersetzung von Louis de Broglies Sammlung semi-populärer Essays, die 1941 unter dem Titel Continu et discontinu en physique moderne erschienen war. Und dann wieder im Jahre 1965 fertigte Weizsäckers Schüler K. M. Meyer-Abich, seinen Mentor wiederholt zitierend, eine außergewöhnlich scharfsinnige, aber doch voreingenommene Untersuchung mit dem Titel Korrespondenz, Individualität und Komplementarität Meyer-Abich [1965] über das physikalische Denken Niels Bohrs an, worin Bohrs Behauptungen hinsichtlich der Individualität in der Atomphysik voll akzeptiert werden.

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  34. Zum Beispiel V. F. Lenzen (1937, S. 31–52).

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  35. Zum Beispiel Leonard Krieger [1957, S. 130 et passim]

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  36. Peter Kapitza [1968, S. 158–59, 176–78]; Ludwig W. Kahn [1938, S. 6–7, 14–23, 91–95 et passim].

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  37. Fritz Ringer [1969, S. 108; deutsche Übersetzung 1983, S. 101 und 102].

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  38. Ich habe auf einige charakteristische Erscheinungsformen dieser fortschrittsgläubigen Phase der europäisch-amerikanischen Kultur in einer unveröffentlichten (und noch unvollständigen) Untersuchung über die sozialen Institutionen der Physiker der Jahrhundertwende hingewiesen.

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  39. Paul Forman (1974).

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  40. Ernst Troeltsch (1922a) enthält eine klassische Aussage über die These der deutschen Auffassung von Individualität gegenüber dem Westen. Troeltschs Behauptung über den Wert der Individualität ist wegen seiner allgemeinen Einstellung gegen die radikale Lebensphilosophie der Zeit umso bemerkenswerter.

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  41. Aufgeführt im Sachverzeichnis von Christian Gottlob Kayser: Deutsches Bücherverzeichnis: eine Zusammenstellung der im deutschen Buchhandel erschienenen Bücher. (Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig, 1916-) Band 1–3: 1911–1914; Band 4–6: 1915–1920; Band 7–11: 1921–1925.

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  42. Theodor Haering [1926, S. 1].

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  43. Niels Bohr [1931, S. 59].

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  44. Ludwig von Bertalanffy [1927b, S. 656].

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  45. Arthur Korn [1926] und (1926).

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  46. Oder eine Meta-Meta-Meta-Aussage, wenn man zwischen dem Formalismus der Quantenmechanik und dem der üblichen sprachlichen Interpretation und Erklärungen dieses Formalismus unterscheiden will.

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© 1994 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden

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Forman, P. (1994). Kausalität, Anschaulichkeit und Individualität. In: von Meyenn, K. (eds) Quantenmechanik und Weimarer Republik. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83655-7_3

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  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag

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