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Weimarer Kultur, Kausalität und Quantentheorie 1918–1927

Die Anpassung deutscher Physiker und Mathematiker an eine feindselige geistige Umgebung

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Quantenmechanik und Weimarer Republik

Zusammenfassung

In dem vielleicht originellsten und anregendsten Abschnitt seines Buches The Conceptual Development of Quantum Mechanics behauptet Max Jammer, „daß gewisse philosophische Ideen des späten neunzehnten Jahrhunderts nicht nur das geistige Klima für die moderne Quantentheorie vorbereiteten, sondern auch ihre neuen Begriffsbildungen entscheidend prägten.“1 Insbesondere kamen damals „Kontingentismus**, Existentialismus, Pragmatismus und logischer Empirismus als Gegensatz zum traditionellen Rationalismus und zur konventionellen Metaphysik auf. … Die Bejahung einer bestimmten Lebensauffassung und die Ablehnung eines abstrakten Intellektualismus erreichte in der Doktrin des freien Willens und in der Ablehnung eines mechanischen Determinismus oder einer metaphysischen Kausalität ihren Höhepunkt. Diese Denkrichtungen waren sich — wenn auch aus unterschiedlichen Gründen — in der Ablehnung der Kausalität einig und schufen damit sozusagen den philosophischen Hintergrund für die moderne Quantentheorie. Sie lieferten Anregungen während der Phase der neuen Begriffsbildungen und förderten ihre Aufnahme“.2

Es ist eine interessante Beobachtung, daß auch die streng an experimentelle Erfahrungen gebundene Physik auf Bahnen geführt wird, die zu den Bahnen der geistigen Bewegungen auf anderen Gebieten [des modernen Geisteslebens] durchaus parallel verlaufen.

Gustav Mie (1925, S. 24)

Smithsonian Institution. The National Museum of American History. Washington D.C. 20560.

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Notes

  1. Jammer [1966]. Dort Abschnitt 4.2: The Philosophical Background of Non-classical Interpretations. S. 166–167.

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  2. Als Kontingentismus bezeichnete man eine insbesondere von Charles Renouvier und Emile Boutroux (De la contingence de lois de la nature, Paris 1874) vertretene philosophische Richtung des 19. Jahrhunderts, welche die Unzulänglichkeit der mechanischen Naturbeschreibung betonte und die allgemeine Gültigkeit des Kausalprinzips in Frage stellte. [Anm. des Herausgebers]

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  3. Jammer [1966, S. 180]. Die Suche nach philosophischen Vorläufern und Einflüssen konzentrierte sich bisher fast ausschließlich auf Bohrs Komplementaritätslehre. Eine erneute Prüfung dieser Fage, mit der ich mich hier nicht näher befassen werde, und eine Sichtung der Literatur wurde kürzlich von Gerald Holton (1970) vorgenommen.

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  4. Forman [1967, S. 11–24]. — [Anmerkung des Herausgebers: Der im amerikanischen Original benutzte Ausdruck ideology wurde in der Regel mit Weltanschauung oder Denkweise übersetzt.]

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  5. Long (1971). Goldberger (1970). Die Stimmung in der scientific community, insbesondere der Neo-Spenglerismus wird durch Bentley Glass (1971) diskutiert.

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  6. Hufbauer (1971), Brown (1970).

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  7. Aus einem Brief Karl von Goebels vom 19. Juli 1917 an Th. Herzog. In Goebel [1940, S. 170].

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  8. Klein (1918, S. 217 und 219). Die Philologen hatten mit einiger Verbitterung vermerkt, daß die Naturwissenschaftler und die Mathematiker schon während des Krieges ihre wesentlichen Forderungen zur Reform der höheren Schulcurricula gestellt hatten. Neumann (1919). Poske und von Hanstein (1918); [Ähnlich hochgespannte Erwartungen hegten gegen Ende des 2. Weltkrieges auch die amerikanischen Physiker, als sie sich im Bewußtsein ihrer kriegsentscheidenden Mitwirkung an der Radarforschung und an dem Atombombenprojekt in Los Alamos auf die Rückkehr in das akademische Leben vorbereiteten. Vgl. hierzu Band III, S. 285 der Pauli-Briefedition. Anm. des Herausgebers.]

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  9. Jahresberichte der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 27 (Teil 2), 47 (1918). Das International Education Board der Rockefeller Foundation stellte 1926 US $ 275.000 für das mathematische Institut zur Verfügung. (Gray [1941, S. 30]; Neugebauer (1928))

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  10. Wien (1926a, S. 14).

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  11. Rosenberg (1930, S. 26). Die gleichen Verse werden durch Hans Kienle wiederholt: “Wir beugen uns vor dem Geheimnis, das die andere Seite uns verhüllt.” Kienle (1933, S. 125).

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  12. Poske (1921).

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  13. H. Born (1956, S. 36).

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  14. Hedwig Born in einem Brief an H. A. Kramers am 29. September 1925: „Offen gestanden hatte ich früher fast etwas Angst vor Ihnen! Aber die ist ganz verschwunden, seit ich hier die Wärme, den Ernst und die ungekünstelte Kraft Ihres Wesens kennenlernen durfte. Es ist immer wie eine Offenbarung ….“

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  15. Einstein-Born-Briefwechsel [1969, Brief Nr. 9 vom 1. September 1919].

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  16. Laue (1922, S. 48).

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  17. Aus einem Brief von Planck an von Laue vom 8. Juli 1922. Handschriftensammlung, Deutsches Museum in München.

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  18. Planck (1922b). Eine ähnliche Beschreibung dieser geistigen Haltung lieferte im Herbst 1920 Artur Schoenflies in seiner Rektoratsrede (1920). Auf S. 4 heißt es: „In zunehmendem Maße hat sich in den letzten Jahren eine bewußte Feindseligkeit gegen die naturwissenschaftliche Denkweise entwickelt … Die Tatsache ist, daß sich diese neue Denkart mit Kraft und Getöse Bahn auf allen Gebieten gebrochen hat — in der Wissenschaft und der Kunst, in Literatur und Politik, in Schrift und Wort.“

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  19. Planck (1923c, S. 162–163). Und nochmals nach acht Jahren: „Es ist erstaunlich, wie viele Leute gerade auch aus gebildeten Kreisen … in den Bann einer dieser neuen Religionen geraten, die in allen Schattierungen schillern, von der verworrensten Mystik bis hin zum krassesten Aberglauben“. Planck (1930a). Vgl. Hartmann [1943, S. 63].

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  20. Ostwald [1926/27, Band 3, S. 442]. Und nochmals Band 2, S. 309: „Es ist gegenwärtig modern, dem Intellekt alles denkbar Üble nachzusagen ….“

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  21. Einstein (1921).

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  22. Sommerfeld (1927b). Vgl. den Direktor des U.S. National Bureau of Standards Lewis M. Branscomb (1971): „Die Astrologie ist im Kommen, es gibt in diesem Lande drei professionelle Astrologen für jeden Astronomen“.

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  23. Vahlen (1923, S. 1). Nur in diesem — und sonst in keinem weiteren Punkt stimmt ihm Konrad Knopp (1928, S. 283) bei: „Wir Mathematiker … waren nicht in der Lage, diejenige Stellung im öffentlichen Leben zu erringen oder zu bewahren, die einem Mathematiker zusteht“.

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  24. Aus einem Schreiben Hessenbergs vom 16. Juni 1922 an Sommerfeld.

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  25. Vgl. Georg Hamel, Präsident der ersten Generalversammlung des Mathematischen Reichsverbandes in seiner Ansprache am 23. September in Jena. Hamel (1922).

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  26. Lukács [1954].

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  27. Sontheimer [1962].

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  28. Gay [1970]. Eine nur geringfügig gekürzte Fassung, die jedoch die ausgiebige Bibliographie wegläßt, erschien unter gleichem Titel in Fleming und Bailyn [1969, S. 11–93].

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  29. Ringer [1969].

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  30. Diesen Ausdruck [für die im Deutschen als Lebensdurst bezeichnete Haltung] wählte Gay [1970].

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  31. Lukács [1954, S. 318].

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  32. Vierkandt [1920, S. 20].

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  33. Troeltsch (1921).

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  34. Troeltsch (1921, S. 1020). — Vgl. Max Weber (1919): „Ja, wer steht heute so zur Wissenschaft? Heute ist die Empfindung gerade der Jugend wohl eher die umgekehrte: Die Gedankengebilde der Wissenschaft sind ein hinterweltliches Reich von künstlichen Abstraktionen, die mit ihren dürren Händen Blut und Saft des wirklichen Lebens einzufangen trachten, ohne es doch je zu erhaschen.“

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  35. Troeltsch (1921, S. 1005).

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  36. Troeltsch (1921, S. 1007). Oder nochmals: „Die Eigenart des Deutschen Denkens in der Art wie sie heutzutage innerhalb und außerhalb des Landes so stark betont wird, leitet sich hauptsächlich aus der romantischen Bewegung ab …[,] vor allem ist sie eine Revolution gegen den gesamten mathematisch-mechanischen Geist der Wissenschaft Westeuropas.“ Troeltsch (1922a, S. 210). Troeltsch (1921, S. 1003–1004; 1028–1029) betont, daß diese „Revolution in der Wissenschaft“ auf die Geisteswissenschaften beschränkt war und daß die revolutionären Neuerungen für die Naturwissenschaft keine klare weltanschauliche Bedeutung hätten; er bestand darauf, daß die enge Verbindung der Naturwissenschaften mit der Technik ein Nachlassen in ihren strengen Methoden oder einen Rückfall in die „Naturphilosophie“ und den Dilettantismus verhindern würde. Aber, möchte man Troeltsch fragen, was geschieht, wenn unter dem Einfluß dieser gleichen geistigen Strömungen die exakten Naturforscher ihre Verbindungen zu der Technik von sich weisen würden — wie sie es in der Tat getan haben. Können wir dann noch die Parallele zur romantischen Naturphilosophie des frühen neunzehnten Jahrhunderts ziehen?

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  37. Litt [1928]. Vgl. Meinecke (1923), welcher die Stimmung der Zeit so charakterisiert: „Man ist müde immer wieder nur den Zusammenhang von Ursache und Wirkung gezeigt zu haben gemäß den rationalen Erkenntnismethoden, und zu müde um solche Demonstrationen selber durchzuführen. Man ist der Auffassung, daß es viel mehr im Leben und in der Menschheit gibt als Apparate und mechanische Kausalitäten. Man ist müde geworden vom Wissen und durstig nach Leben …“

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  38. Litt [1927].

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  39. Driesch [1928, S. 5–8]. Siehe auch Jaspers [1932, S. 159]: „Die Antiwissenschaft stolziert heute inmitten aller Parteien und Sekten und übt ihren Einfluß auf Personen unterschiedlichster Ansichten aus und zerstäubt die Substanz rationaler menschlicher Existenz.“

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  40. Brush (1967, S. 530).

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  41. Hughes [1958]. Bevor wir akzeptieren, daß der „gewöhnliche Sterbliche“ ohne Philosophie auskommen mußte, wollen wir hören, was Heinrich Rickert [1920, S. 4] zu dieser Begebenheit äußerte: „Der Begriff, der heutzutage in besonders hohem Maße die Durchschnittsmeinungen beherrscht, scheint uns am besten durch den Ausdruck Leben wiedergegeben. Seit einiger Zeit wird er jetzt immer mehr gebraucht, er spielt nicht nur bei den populären Schriftstellern eine große Rolle, sondern auch bei den akademischen Philosophen. ‚Erlebnis ‘und ‚lebendig’ sind beliebte Wörter, und keine andere Meinung wird so modern eingeschätzt, als der Philosophie die Aufgabe zuzuweisen, eine Lehre des Lebens aufzustellen, welche kräftig und wahrhaft aus der Erfahrung erwächst und im Stande ist, den menschlichen Lebewesen zu dienen.“

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  42. Ringer [1969, S. 308].

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  43. Carnap, Hahn und Neurath (1929).

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  44. Spann [1924]. Zitiert nach Frank [1932, S. 54–55].

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  45. Hook (1930, S. 147, 159). Die gleiche Ansicht äußerte etwas weniger stark Kurt Grelling(1928).

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  46. Kraft [1950, S. 8].

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  47. Für die architektonische Seite wurde das sehr gut durch Lane [1968] gezeigt. Vgl. Gropius’ Rede vor dem Thüringer Landtag am 9. Juli 1920: „Auf Grund einwandfreier Tatsachen werde ich hier klipp und klar beweisen, daß im Bauhaus etwas vollzogen ist, was in lückenloser und logischer Entwicklung im ganzen Land geschehen muß und bereits geschieht, und ich werde auch beweisen, daß das Bauhaus eine Weiterentwicklung und kein Abreißen der Tradition bedeutet.“ (Wingler [1968, S. 52])

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  48. Wingler [1968, S. 80, 83]. Das bereits gedruckte Manifest wurde vom Bauhaus nicht wegen Schlemmers Äußerungen über Wissenschaft, Rationalität oder Technologie zurückgezogen, sondern weil er zugelassen hatte, daß ein beliebter Bauhaus-Leitspruch, „Kathedralen des Sozialismus bauen“, in das Manifest aufgenommen wurde.

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  49. Gropius [1935, S. 52, 89].

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  50. Wende [1959]. Vgl. Schmidt-Ott [1952].

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  51. Becker [1919a, S. IX]; Becker [1919b, S. 55]. Für weitere Beispiele siehe Grimme [1961, S. 78–79]; Wende [1959, S. 305]. Vgl. die am 12. Oktober 1970 geäußerten Bemerkungen von William McElroy, dem Direktor der U. S. National Science Foundation an der Indiana University: „Meiner Ansicht nach müßte die Scientific Community im allgemeinen sorgfältiger … den neuen Romantizismus beachten, welcher sowohl die emotionale und gefühlsmäßige als auch die verstandesmäßige Seite des Menschen hervorhebt. Diese Sicht kann ein Gegengewicht zu der extremen Betonung des rationalen Denkens bilden, welches in der Scientific Community verwurzelt ist, wie ich annehme.“ (Science 170, 517 (1970))

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  52. Haenisch [1920, S. 110–111]. (Zitiert nach Ringer [1969, S. 282]) Haenischs Offenheit für die politische und soziologische Denkweisen der deutschen Akademiker wurde von Bleuel [1968, S. 129–129] hervorgehoben. Zehn Jahre später forderten die Sozialdemokraten abermals das Preußische Kultusministerium. Ihr Kandidat, Adolph Grimme, schrieb schon am 14. Mai 1930 an Martin Heidegger „von Anfang an als Bewunderer und im bescheidenen Sinn als Schüler … Ich brauche Ihnen nicht noch einmal zu sagen, wie sehr mir daran liegt [Heidegger in Berlin zu haben]. Mit Ihnen könnte eine bestimmte Richtung der Philosophie, vor allem der Metaphysik in Berlin zum Durchbruch kommen.“ (Grimme, Briefe [1967, S. 36–37])

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  53. Hauptargument bei der Genehmigung der relativ hohen finanziellen Mittel für die physikalische Forschung im akademischen Bereich war das Prestige, insbesondere die Vorstellung von Wissenschaft als Ersatz für politische und wirtschaftliche Macht. Siehe Schröder-Gudehus [1966, S. 181–189, 199]; Forman (1973).

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  54. Hillers (1922, 1924, S. 68–70). F. Klein wird indirekt bei Poske (1925a) zitiert. Klein selbst bemerkte in einem Schreiben an G. Hamel: „Nun ist das Merkwürdige, daß die Entwicklung des deutschen Schulwesens eine ganz andere Richtung genommen hat“, als er in seiner Ansprache vom Juni 1918 vorhersehen konnte (Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaft 30, 44–45 (1924)). Hamel, der für den mathematischen Reichsverband sprach (Jahresberichte der Deutschen Mathematiker Vereinigung 33 (Teil 2), 63 (1924)) stimmte überein. „Tatsächlich bedeutet die neue Schulreform die volle Abkehr von der bisherigen Entwicklung. … Die Neuordnung wirft uns … weit hinter die Zeit vor der ersten Schulreform von 1892 zurück.“

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  55. Ringer [1969, S. 245]. Genauer müßte man vielleicht sagen: Zwar fühlten sich viele Akademiker verpflichtet, die exakte Natur der Krise zu bestimmen, doch fiel ihre Diagnose meist völlig entgegengesetzt aus. Zum Beispiel Arthur Liebert [1923, S. 7–9], wies auf diese Pflicht sehr nachdrücklich hin: Der Zweck dieser Schrift „besteht nicht darin, irgendeine beliebige Krisis aus dem Leben der Gegenwart zu begründen und darzustellen, und mag dieselbe eine noch so erschütternde Wucht besitzen. Sie will vielmehr die Krisis unserer Zeit und der ganzen gegenwärtigen Weltanschauung und Lebensstimmung schlechthin, d. h. den Begriff und Sinn aller Einzelkrisen, und ihre gemeinsame geistige und metaphysische Quelle … aufdecken.“ Diese Quelle entdeckte er in „den durch den Historismus genährten verhängnisvollen historischen Skeptizismus und Relativismus.“

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  56. Salz [1921, S. 10]. Typisch für die Zeit und vielleicht für diese Phänomene ist der Umstand, daß selbst die „Opponenten“ in einem beträchtlichen Maße die von ihnen angegriffene Einstellung vertraten. So fand Troeltsch (1921, S. 1026) die Schrift von Salz „sehr lehrreich und symptomatisch, vor allem durch die fast fatalistische Ergebung in die wissenschaftsfeindliche und in diesem Sinne revolutionäre Strömung.“ Ein anderes noch zutreffenderes Beispiel ist der Theologiehistoriker und Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Adolf von Harnack. Karl Barths Herausforderung schleuderte er seine „Fünfzehn Fragen an die Verächter der wissenschaftlichen Theologie unter den Theologen“ (1923) mit der Warnung entgegen: „Wie darf man diese Vernunft schelten, ja ausmerzen wollen? … Erhebt sich nicht schon jetzt der gnostische Okkultismus auf den Trümmern?“ Bei einer anderen Gelegenheit (in den „Stufen wissenschaftlicher Erkenntnis“ (1930)) erklärte dieser Fürsprecher der Interessen der Naturwissenschaften, daß „unser Verstand der geborene mathematische Physiker ist; wie dieser abstrahiert er, rechnet er, wägt er.“ Doch ist die „dem Mechanismus entsprechende abstrahierende Methode“ unfähig, das uns umgebende „Leben“, die „Formen“ und das „Ganze“ zu erfassen. Außerdem ist Naturwissenschaft nur die zweite Stufe der Erkenntnishierarchie; darüber steht die Kenntnis des Lebens, gefolgt von der Kenntnis des Menschen, während die fünfte, letzte und höchste Stufe von der Philosophie eingenommen wird. Harnack [1951, S. 132–134, 177–180].

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  57. Viénot [1931, S. 24–25]. Typisch ist die Bemerkung des ehemaligen preußischen Kultusministers Otto Boelitz (1931, S. 5): „so gehe ich aus von der Kennzeichnung der Kultur der Gegenwart als einer Kulturkrisis.“

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  58. Richter (1958, S. 11).

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  59. Salz [1921, S. 10]. Vgl. Weyl (1930, S. 6), der dort feststellte, daß „der Typus des Gelehrten und die Wissenschaft in ihrer Geltung und ihrem Wert während der letzten Jahrzehnte in Frage gestellt waren, im Zeichen der Krisis standen.“

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  60. Das gesellschaftliche Ansehen, die geistige Führerschaft und die wirtschaftliche Lage der Weimarer Akademiker war in ihrer eigenen Sicht vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt. Im großen und ganzen sahen sie in der Demokratie und den republikanischen Institutionen die Ursache ihrer sinkenden Wertschätzung; deshalb blickten sie eher zur Lebensphilosophie, um ihre Macht und ihr Prestige wiederherzustellen. Vgl. Anm. 40 oben.

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  61. Troeltsch (1921, S. 1023). Nehmen wir nur eins von unzähligen Beispielen: Der Privatdozent Ernst Barthel von der Universität Köln erklärte in einer Schrift (1925) die „drei Prinzipien“ von Zeit, Raum und Kausalität: „Die Grundlagen des rationalen Denkens sind in diesen drei durch Kant und Schopenhauer erkenntnistheoretisch hinreichend analisierten Prinzipien gegeben und als solche allgemein anerkannt. Am Anfang des verstandesgemäßen Denkens stehen die vorstellenden Formen des Bewußtseins, und innerhalb ihrer befindet sich die nach dem Kausalgesetz beurteilte Erfahrungswelt. Es ist ebenfalls allgemein zugegeben, daß die übliche rationale Durchdenkung der Weltgesamtheit unter Voraussetzung dieses Anfangs zu wesentlichen Antinomien und Unbegreiflichkeiten führt, die das Denken an die Grenzen seiner Urteilsfähigkeit bringen. Die organische Naturauffassung möchte sich nun fragen, ob es der einzige Weg des Denkens sein dürfte, drei abstrakte Prinzipien zum Erklärungsgrund einer Welt voll konkreter, lebendiger Inhalte zu machen, oder ob nicht auch der umgekehrte Weg …“ (S. 71). Die Erforschung dieses „umgekehrten Weges“ führt zum Schluß des Aufsatzes (S. 75–76) zu der Folgerung: „die Qualität der Phänomene und ihr Zusammenhang liegt auf einem Gebiete nichtkausaler Harmonie, die nur durch Intuition erfaßbar ist,“ und zwischen ‚mechanischer ‘und ‚organischer ‘Naturforschung kann man im allgemeinen deshalb unterscheiden, weil sie danach strebt, „hier zu praktisch nutzbaren, hypothetischen Kausalabstraktionen, dort zu einer intuitiven Erkenntnis der immanenten Wesenszusammenhänge“ zu gelangen.

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  62. Dingler [1931, S. 10].

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  63. 1.c.

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  64. Wien (1926b, S. 18).

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  65. Troeltsch (1919). Abgedruckt in Gesammelte Schriften, Band 4 [1925, S. 682]. Troeltsch fand Spenglers Werk unter anderem „ein bedeutsames Kulturdokument aus der Zeit einer geistigen Krisis der deutschen Wissenschaft“.

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  66. Spengler (1918). Die ersten 32 Auflagen blieben unverändert. Davon haben die 3.-32. (1920–1922) im wesentlichen die gleiche Paginierung. Auf diese letzteren werde ich mit „Orig. Ausgabe“ hinweisen. Die verbesserte 33.-47. Auflage erschien 1923. Sie haben die gleiche Paginierung. Auf sie wird mit „Rev. Ausgabe“ verwiesen. Die englische Übersetzung der verbesserten Auflage durch Atkinson [1926] wird durch „Engl. Übers.“ bezeichnet.

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  67. So urteilte Gerhard Hessenberg (1922b, S. 48) in seiner Tübinger Antrittsrede vom 8. Dezember 1921. Ebenso hatte es auch Hessenbergs Freund Leonhard Nelson [1921] empfunden. Und Friedrich Meinecke (1923) bemerkte 1923: „Als der erste Band von Der Untergang des Abendlandes erschien, hörte man aus den Kreisen der Fachgelehrten oft das Urteil: „Was er über mein Gebiet sagt, ist ja alles Unsinn. Aber das übrige ist sehr geistreich‘.“

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  68. Troeltsch (1921. S. 1014), Lukács [1954, S. 364–378]. Die gleiche Auffassung über Spenglers Rolle wird von Helmut Kuhn (1961) vertreten.

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  69. Orig. Ausgabe, S. 29; Rev. Ausgabe, S. 29; Engl. Übers., S. 21.

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  70. Orig. Ausgabe, S. 85; Rev. Ausgabe, S. 81; Engl. Übers., S. 59.

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  71. Orig. Ausgabe, S. 88; Rev. Ausgabe, S. 83; Engl. Übers., S. 60.

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  72. Orig. Ausgabe, S. 167; in der Rev. Ausgabe teilweise verändert.

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  73. Orig. Ausgabe, S. 530; Rev. Ausgabe, S. 491; Engl. Übers., S. 380.

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  74. Orig. Ausgabe, S. 533; in der Rev. Ausgabe gestrichen.

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  75. Orig. Ausgabe, S. 551; in der Rev. Ausgabe gestrichen.

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  76. Orig. Ausgabe, S. 549; Rev. Ausgabe S. 507–508; Engl. Übers. S. 392.

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  77. Orig. Rev. Ausgabe, S. 164–165; leicht, jedoch unwesentlich abgeändert in der Rev. Ausgabe, S. 154–155; Engl. Übers., S. 117–118.

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  78. Orig. Ausgabe, S. 165; in der Rev. Ausgabe, S. 155 ist der erste Satz abgeändert und der zweite und dritte Satz gestrichen; Engl. Übers., S. 118.

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  79. Orig. Ausgabe, S. 168–169; Rev. Ausgabe, S. 158; Engl. Übers., S. 120.

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  80. Orig. Ausgabe, S. 542–543; in der Rev. Ausgabe, S. 501–502, ist der vorletzte Satz gestrichen. Engl. Übers., S. 388–389. Vgl. von Harnack (Anm. 55): „Unser Verstand ist der geborene mathematische Physiker.“

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  81. Heidegger (1927).

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  82. Orig. Ausgabe, S. 170–172; Rev. Ausgabe, S. 158–160; Engl. Übers., S. 120–122.

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  83. So Orig. Ausgabe, S. 69, 165, 167, 574; Rev. Ausgabe, S. 156, wo ein zusätzliches starr angebracht wurde: „die starre Weltmaske der Kausalität“.

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  84. Orig. Ausgabe, S. 61; Rev. Ausgabe, S., 60; Engl. Übers., S. 43–44.

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  85. Orig. Ausgabe, S. 215; Rev. Ausgabe, S. 205; Engl. Übers., S. 156.

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  86. Orig. Ausgabe, S. 608; in der Rev. Ausgabe gestrichen.

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  87. Orig. Ausgabe, S. 607–608; Rev. Ausgabe, S. 551; Engl. Übers., S. 424.

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  88. Orig. Ausgabe, S. 532, die Rev. Ausgabe, S. 492, ist durch den Zusatz „und hat wieder dem Weltbilde der ‚zweiten Religiosität ‘Platz gemacht“ ergänzt. Der Schlußsatz wurde abgeschwächt zu: „Danach ist es möglich vorauszusehen, wann das abendländische Naturdenken die Grenze seiner Entwicklung erreichen wird.“ Engl. Übers., S. 381.

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  89. Orig. Ausgabe, S. 607–609; in der Rev. Ausgabe, S. 551–553, leicht aber unwesentlich verändert; Engl. Übers., S. 424–425.

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  90. Orig. Ausgabe, S. 596–597; in der Rev. Ausgabe, S. 541–542 unwesentlich geändert; Engl. Übers., S. 417–418.

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  91. Mit fast absoluter Sicherheit hat Spengler aus Wilhelm Wiens „Ziele und Methoden der theoretischen Physik“ (1914a) wichtige Anregungen empfangen, obwohl er sie — wie eigentlich alle seine Quellen — nicht angab. Wenn das zutrifft, so sind auch die von ihm bei den Physikern wahrgenommenen Zweifel an der Kausalität — wie so vieles von dem, was Spengler in die wissenschaftlichen Quellen hineingelesen oder aus ihnen herausgelesen hat-einfach eine Konfusion. Sofern sich Spengler aber auf Max Plancks Festrede vom 4. August 1914 bezieht (siehe Anmerkung 158), so hat er seinen Autor in der Tat recht verstanden.

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  92. Orig. Ausgabe, S. 603, 605–606; Rev. Ausgabe, S. 547 (aus „der zeitlos-ewigen Mechanik“ ist hier „zeitlose Kausalität“ geworden), 549–550; Engl. Übers., S. 421–423.

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  93. Orig. Ausgabe, S. 614–615; Rev. Ausgabe, S. 556–557; Engl. Übers., S. 427–428.

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  94. Abgesehen von der später (im Teil III) im Zusammenhang mit dem Streit um das Kausalgestz zu diskutierenden Literatur sind die Beispiele aus der frühen Weimarer Zeit fast ausschließlich in Gestalt einer Zurückweisung und Widerlegung von Spenglers Buch und Thesen anzutreffen. Zu diesen gehören: die (in Anm. 66 zitierten) Abhandlungen von Leonard Nelson und Gerhard Hessenberg; P. Riebesell (1920); das Vorwort zur zweiten Auflage von Franz Exners Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Leipzig/Wien 1922. Dort S. VI-XIII. Andere Zustimmungen von „wissenschaftlicher Seite“ sind zum wenigsten ambivalent: so z. B. Max Born in der „Einleitung“ zu Die Relativitätstheorie Einsteins [1920, S. 1–5]. Das äußerst vielsagende Motto: „Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren“ aus Goethes ‚Sprüche in Prosa ‘wurde in den späteren Auflagen des Buches und in Borns Aufsatzsammlung Physik im Wandel meiner Zeit [1966] weggelassen.

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  95. Es sind mir nur zwei nicht ambivalente Fälle bekannt, in denen ein gegensätzliches Ideal vor einer akademischen Hörerschaft vertreten wurde; beide gehören der späten Weimarer Republik an: (R. von Mises) (1930); K. Knopp (1933), als sich eine allgemeine Verfestigung des Widerstandes gegen den Irrationalismus unter den Intellektuellen einstellte. (Darauf hat Sontheimer [1962, S. 43ff.], hingewiesen.) Zu erwähnen sind hier auch: W. Blaschke (1928); W. Kossel (1929); und natürlich auch die letzten Zeilen von Hilberts öffentlicher Ansprache (1930) bei der Naturforscherversammlung in Königsberg im September 1930: „Wer die Wahrheit der großzügigen Denkweise und Weltanschauung, die aus diesen Worten Jacobis hervorleuchtet, empfindet, der verfällt nicht rückschrittlicher und unfruchtbarer Zweifelsucht; der wird nicht denen glauben, die heute mit philosophischer Miene und überlegenem Tone den Kulturuntergang prophezeien und sich in dem Ignorabimus gefallen. Für den Mathematiker gibt es kein Ignorabimus, und meiner Meinung nach auch für die Naturwissenschaft überhaupt nicht. … Der wahre Grund, warum es Comte nicht gelang, ein unlösbares Problem zu finden, besteht meiner Meinung nach darin, daß es ein unlösbares Problem überhaupt nicht gibt. Statt des törichten Ignorabimus heiße im Gegenteil unsere Losung: Wir müssen wissen, wir werden wissen.“ Hermann Weyl (1932) zitierte Hilberts Losung und fügte hinzu: „Die Menschen von heute hören so etwas nicht gerne; sie sehen darin flachsinnigen Rationalismus oder menschliche Vermessenheit und berufen sich für ihre Absage an die Ratio mit einem Schwall wirrer Worte auf das „Leben ‘oder die tiefere ‚existentielle Wahrheit ‘oder des Menschen ‚Kreatürlichkeit‘, Und zugegeben: der eine und andere Satz in Hilberts Rede klingt bedenklich an die Worte an, mit denen Gottfried Keller, das ‚Sinngedicht ‘beginnend, seinen Naturforscher Reinhard verspottet. … Dennoch tut man Hilbert Unrecht, wenn man seinen Rationalismus etwa mit dem eines Haeckel in den gleichen Topf wirft.“

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  96. Philipp Depdolla (1931).

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  97. Aus einem Brief vom 12. Oktober 1928. Zitiert in Spemann [1943, S. 229]. Man kann dafür Spemann die Sympathie nicht ganz versagen, daß er während des frühen zwanzigsten Jahrhunderts die Last der Entwicklungsmechanik trug, welche die Gründer dieses Wissenszweiges im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert zur Beschreibung ihrer Bestrebungen wählten.

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  98. Wien (1918a).

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  99. Simon (1918).

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  100. Wien (1919).

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  101. Wien (1920). Und achtzehn Monate darauf vertritt Walter Nernst (1921) nochmals die gleiche Sache in seiner Rektorats-Antrittsrede, „ob nicht, wie fast stets bei derartig starken geistigen Strömungen, auch in der Identitätsphilosophie ein gesunder Kern steckt.“

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  102. Wien (1925). Bis auf Berlin hatten zu Beginn des Jahrhunderts alle deutschen Universitäten diese Bedingung abgeschafft.

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  103. Die Widerlegung der Anschuldigung, das Weltbild durch die Spezialisierung der Wissenschaft zerlegt und zerstört zu haben, ist bei den Physikern sicher das weit häufigste Thema ihrer allgemeinen akademischen Reden. So bei Hermann Weyl (1930): „Es wird zwar immer wieder über die weitgehende Spezialisierung in den Wissenschaften geklagt. Ich glaube aber, daß es damit im ganzen in den letzten Jahrzehnten eher besser als schlimmer geworden ist.“ Gleichfalls bei Walter Kossel (1929).

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  104. R. von Mises (1930. S. 27). Ostwald [1926/27, Band 2, S. 312].

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  105. Wien (1914b, S. 14).

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  106. Wien (1918b).

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  107. Wien (1928, S. 7–11). Dieser Verzicht auf Nutzen im akademischen Bereich blieb nicht ganz ohne Entschädigung. Der Spruch „Wissenschaft ist Macht“ wurde durch „Wissenschaft als Machtersatz“ ausgetauscht. Siehe B. Schröder-Gudehus [1966]. Wie es scheint, hatten die akademischen Chemiker im Gegensatz zu den Physikern überhaupt keine Scheu vor einer Diskussion der technischen Anwendungen und der Rechtfertigung ihrer Wissenschaft durch dieselben.

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  108. Wien (1920, S. 28).

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  109. Wien (1926a, S. 13, 7 und 19). Vgl. den theoretischen Physiker Erwin Madelung (1932, S. 2–4), der erklärte, wenn er unter Kultur „alles das verstehe, was unser Innenleben erweitert und bereichert, so glaube ich, in hinreichender Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch zu sein … Wir wollen also den Gesichtspunkt der praktischen Verwertbarkeit und den der toten Anhäufung von Wissensmaterial, so wichtig es auch sein mag, ganz zurückstellen. Wir wollen uns nur fragen, welche geistigen Bedürfnisse bestehen, und inwieweit werden diese durch die Wissenschaft befriedigt.“ „So stammen unsere Bedürfnisse aus dem dunklen Quell unseres lebendigen Daseins.“

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  110. Krüger (1928, S. 3). Lediglich am Ende seiner Rede (S. 28–29), bei Erwähnung der künstlichen Atomzertrümmerung, gab Krüger einen Hinweis auf die Anwendung der wissenschaftlichen Kenntnisse: „Es erscheint die Gewinnung der Atomenergie als eines der größten technischen Probleme, das der höchsten Anstrengung wert ist.… So sehen wir daher zur Zeit ein gewaltiges Ringen der Kulturvölker … um die Methoden zur Gewinnung der Energie in den Laboratorien.“

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  111. Reichenbach (1929a, S. 1–2). Die neue Disziplin einer technischen Physik wollte er nicht weiter berücksichtigen (S. 11), da sie trotz ihrer Aufnahme in den akademischen Unterrichtsplänen der deutschen Universitäten „doch ihrem Wesen nach eine Technik und keine Wissenschaft“ sei, denn Wissenschaft strebt nur nach „Erkenntnis“.

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  112. Einstein-Born-Briefwechsel [1969, S. 113].

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  113. Courant (1928). Unter diesem rhetorischen Deckmantel war Courant im Grunde jedoch fest der traditionellen intellektualistischen Auffassung und dem Erkenntnisanspruch der Mathematik verhaftet.

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  114. Der klassische Vertreter dieser These war Ludwig Klages, der in Deutschland noch heute als großer Seher gilt. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft veröffentlichte kürzlich eine Sammlung von Aufsätzen von Eberhard Buchwald [1967], einem mittelmäßigen theoretischen Physiker, der in den zwanziger Jahren eine Laufbahn als angewandter Physiker einschlagen wollte. Dort in Buchwalds Beitrag [1947, S. 68–80] erfährt man, was Klages, auf einem Throne neben Heraklit, Goethe und Nietzsche dem „dankerfüllten Fachphysiker“ zu sagen hat.

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  115. Einstein, Brief an Lorentz vom 3. April 1917. Über den höheren Gefühlszustand vgl. Einsteins Briefe an Hedwig Born vom 1. Septenmber 1919 und an Jacob Laub vom 16. März 1910.

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  116. Ostwald (1926).

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  117. Born [1920, Einleitung]. Borns Neigung zu etwas, was man „futuristische Lebensphilosophie“ nennen könnte — wie sie z. B. durch Walther Rathenau formuliert wurde-offenbart sich in seiner Empfehlung von Richard N. Coudenhove-Kalergis Apologie der Technik [1922], „dessen Inhalt mir sehr eingeleuchtet hat.“ (Born an Einstein, 7. April 1923.) Die Wissenschaft hauptsächlich als Mittel zur Befriedigung emotionaler Bedürfnisse wird bei E. Madelung (1932, S. 14), angeführt, als er denjenigen antwortete, welche die Geisteswissenschaften höher als die Naturwissenschaften bewerteten: „Was die Werturteile angeht, so will ich nochmals betonen, daß es offenbar nicht so sehr darauf ankommt, was man tut und welche Methoden man verwendet, als vielmehr, wie man sich zu der eigenen Tätigkeit stellt, ob man sich reicher und freier durch sie fühlt und sicherer gegenüber den wechselnden Formen des Lebens.“

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  118. Daß die Experimentalphysiker für solche Anpassungen weniger anfällig waren, ist zum großen Teil einfach eine Folge davon, daß sie sich weniger deutlich zu artikulieren vermochten. Aber nicht vollständig. Wenn sie im allgemeinen mit ihrer weltanschaulichen Anpassung nicht so weit wie die theoretischen Physiker und Mathematiker gingen, so geschah das teilweise, weil sie weniger zurückzunehmen hatten. In der Weimarer Zeit scheinen die theoretischen Physiker engere Verbindungen zu den Mathematikern gehabt zu haben, mit denen sie gemeinsam um Anerkennung in der öffentlichen Meinung warben. Auch waren ihre Beziehungen zu ihnen in mancher Hinsicht weniger gespannt als die zu den Experimentalphysikern. Etwa zwanzig bedeutende theoretische Physiker waren 1924 Mitglied der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, wovon die Hälfte 1918 oder danach beigetreten war (Jahresberichte der Deutschen Mathematiker Vereinigung 34, (Teil 2), 49–92 (1925)). Und das ungeachtet der Tatsache, daß die jährlichen Zusammenkünfte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung gewöhnlich gleichzeitig am selben Ort stattfanden und so die Notwendigkeit einer Mitgliedschaft in beiden Organisationen teilweise überflüssig machte.

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  119. von Mises (1922, S. 2, 5 und 16).

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  120. Sommerfeld (1920). Siehe hierzu Forman (1970). — Sommerfeld [1919, S. VIII]. Sommerfeld war äußerst zufrieden mit dieser Passage mit der Sphärenmusik und ließ sie auch in der 2., 3. und 4. Auflage (1921–1924) seines Werkes stehen.

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  121. Sommerfeld (1925). In Sommerfelds Gesammelten Schriften [1968, Band 4, S. 573 und 574].

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  122. Daselbst, S. 575 und 576. Vgl. Georg Hamel, den Präsidenten des Mathematischen Reichsverbands, den wir bereits bei einer anderen Gelegenheit kennenlernten, als er gegen die Welle des Irrationalismus und Anti-Intellektualismus ankämpfte. In seiner Rektoratsrede (1928) vom 30. Juni 1928 an der Technischen Hochschule Berlin heißt es: „Mathematik erscheint gewöhnlich als die rationale Wissenschaft an sich, dem Laien ist der Mathematiker ein Rechner. Demgegenüber stelle ich die These auf, daß die Mathematik eine Kunst ist und letzten Endes nicht logisch, sondern transzendental bedingt ist. … Der Mathematiker ist ein Dichter. So wie der Dramatiker eine Gestalt schafft. … Das … Problem der irrationalen Zahlen führt in das Metaphysische … Die eigentliche Begründung der ganzen Mathematik sehe ich in Kants reiner Anschauung. … Zum Schluß wende ich mich gegen das Mißverständnis, als bedeuteten meine Ausführungen eine Absage an den Intellektualismus. Hat man den irrationalen Grund der Mathematik klar erkannt, so ändert das nicht das mindeste daran, daß der Mathematiker verpflichtet ist, innerhalb seiner Wissenschaft rein logisch mit äußerster Sorgfalt, mit exakten Schlußfolgerungen vorzugehen.“

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  123. von Mises (1922, S. 32). Vgl. Anmerkung 103 und den dazugehörigen Text. Die Veränderung der geistigen Einstellung von Mises entspricht im allgemeinen ziemlich genau der Beschreibung, die Georg Steinhausen [1931, S. 4], als typisch für die Weimarer Epoche bezeichnete. Nämlich anfangs — trotz des politischen und militärischen Zusammenbruchs-eine gewisse Euphorie über den Anbruch einer völlig neuen Zeit. Diese Stimmung wich jedoch sehr bald einer Enttäuschung und „Untergangsstimmung“, die allerdings zum Ende der Weimarer Republik wieder gänzlich verchwand, als sich eine starke Tendenz bemerkbar machte, wieder in die alten geistigen Geleise zurückzufallen.

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  124. Weyl [1918a, S. 226–227)]; nochmals erschien sie in der 3. Auflage von 1919, S. 262–263 in etwas verstärkter Form. Als Weyl im Herbst 1920 die vierte Auflage vorbereitete, strich er diesen Schluß und ersetzte ihn durch einen Angriff gegen die Kausalität.

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  125. Weyl [1918a, S. 9; 3. Auflage, S. 9; 4. Auflage, S. 9].

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  126. Nur wenig später und vielleicht ein wenig durch Weyl inspiriert, hat auch Paul Gruner seine Rektoratsrede (1922) an der Universität Bern am 26. November 1921 gehalten. „Es mag dem Naturforscher schwer fallen“, mußte der Theoretiker Gruner abschließend zugestehen, daß sein Gebiet nicht „das Sehnen nach absoluter Wahrheit“ zu stillen vermag, welches die gegenwärtige akademische Jugend erfüllt. „Dem bloßen Denken und Beobachten der Naturwissenschaften ist dieses intuitive Schauen versagt.“ Die Naturwissenschaft kann uns über den Sinn der Welt und unseres Lebens nichts sagen. Das Mißgeschick unserer Tage hat seine Ursache in dem geistigen Fortschritt ohne ethisch-religiöse Basis. Dies sind natürlich genau die Vorwürfe, welche der theoretische Physiker von Laue zurückwies, als er wenige Monate später gegen Rudolf Steiner als sichtbares Zielobjekt vorging. (Siehe Anmerkung 15 und den dazugehörigen Text.)

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  127. Doetsch (1922, 231–232).

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  128. Doetsch (1922, 233). Otto Blumenthal, Professor der Mathematik an der T. H. Aachen, schrieb am 8. Juli 1923 an den Professor der Mechanik an dieser Hochschule Theodor von Kármán: „Das Ergebnis Ihrer Anfragen betreffs papabler Mathematiker finde ich im höchsten Maße betrübend. Ich habe von Doetsch nicht die Ansicht, daß er für uns brauchbar ist. C. Müller hat uns seiner Zeit ein sehr vernünftiges und abfälliges Gutachten über ihn gegeben. Auch habe ich von einem Vortrag, den er in Halle über das Wesen der angewandten Mathematik (D. M. V.) gehalten hat, einen ungünstigen Eindruck erhalten, müßte mir allerdings den Artikel nochmal durchsehen.“ (Kármán Nachlaß, California Institute of Technology, Archives, Box 13.) Um 1924 war Doetsch mit seiner Disziplin wieder versöhnt; er selbst hatte sich davon überzeugt, daß die Mathematik und die Naturwissenschaften, ungeachtet ihrer Gewohnheit „Alles sofort auf rationale Schemata zu projizieren“, „den eigentlichen Sinn der Welt und ihrer Zusammenhänge kann sie dann nicht aufdecken, … daß der Geist dem, was er eigentlich ergreifen möchte, doch wenigstens immer näher kommt.“ Doetsch (1924, 458–459). Später in diesem gleichen Jahr erhielt Doetsch seinen ersten Lehrstuhl.

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  129. Dehn (1928, S. 15, 18). Diese Ansprache von einem der ältesten Schüler Hilberts scheint beträchtliche Aufmerksamkeit erregt zu haben. Otto Neugebauer (1928) zitierte es, ohne die Quelle anzugeben, als er über die Neueinrichtung des neuen Göttinger Mathematischen Institutes berichtete. Obwohl die letzten Zeilen Neugebauers einer Verteidigung der „Organisation“ galten, so mußte er Dehn zugestehen, daß sich „Gewiß … auch für eine solche Auffassung viel ins Feld führen“ läßt. Deshalb mag die Vermutung berechtigt sein, daß Hilberts Bemerkungen vom September 1930 (Anmerkung 94) seinen Kollegen und ehemaligen Studenten ebenso galt wie dem Laienpublikum.

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  130. Troeltsch [1925, 682].

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  131. Einstein-Born-Briefwechsel [1969, S. 44]; Exner [1922, Vorwort]; Frank [1932, S. 54]; Hessenberg (1922b); Jordan [1936, S. 279]; Knopp (1933, S. 208; vgl. Anm. 131); von Mises (1922, S. 32); Poske (1920): „Den immerhin unvermeidlich intellektualistischen Charakter der theoretischen Physik hat neuerdings Oswald Spengler in seinem Buche Der Übergang [sic] des Abendlandes, hervorgehoben.“ Dem stimmte Poske mit Widerstreben und ohne eine Spur von Kritik zu; Weyl [1968, Band 2, S. 332]; Wien [1921, S. 36–39].

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  132. Schroeter [1922, S. 56–57, 70]. Die einzigen ihm bekannten Stellungnahmen von Naturwissenschaftlern waren W. Wien, O. Neurath, L. Nelson, G. Hessenberg und K. Knopp. Der letztgenannte publizerte eine „sehr absprechende“ Besprechung.

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  133. Daher die in Anm. 93 zitierten Widerlegungen.

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  134. So z. B. Gustav Mie (1925, S. 23–24): „Ich bin der Überzeugung, daß in der Geschichte der geistigen Bewegungen überall ein Zusammenhang der verschiedensten Gebiete des Geisteslebens zu beobachten ist. Der Atomismus ist ein Kind des 18. Jahrhunderts und des Rationalismus. … Deswegen sind wir im Begriff uns einem andern Weltbild zuzuwenden. Ich glaube, daß dieses neue Weltbild gewisse charakteristische Züge trägt, die auch sonst im Bilde des modernen Geisteslebens auffallen, ich meine, das Suchen nach einer großen Einheit und nach einem allgemeinen Zusammenhang im physikalischen Geschehen, der sehr gegen das Auseinanderfallen in die einzelnen Atome kontrastiert. Es ist eine interessante Beobachtung, daß auch die streng an experimentelle Erfahrungen gebundene Physik auf Bahnen geführt wird, die zu den Bahnen der geistigen Bewegungen auf anderen Gebieten durchaus parallel verlaufen.“ Ebenso wieder R. Courant (1928, S. 90): „Es ist wohl kein Zufall, daß der Umschwung der mathematischen Einstellung von der naiven Produktivität zur strengen Wissenschaftlichkeit zeitlich parallel geht mit den großen Umwälzungen, welche die europäische Welt seit dem Beginn der französischen Revolution in geistiger und sozialer Hinsicht durchmachte.“ Ebenso E. Madelung (1932, S. 4–6): „Ich kann ohne zu übertreiben sagen: Ich interessiere mich garnicht für die Welt, sondern nur für das Bild, das ich von ihr besitze. Aus diesem Bild ziehe ich meine Freuden und Leiden, meine Furcht und Hoffnung, mein Wohlbehagen und meinen Kummer. … Durch die Sprache wird als Konvention ein gemeinsames Weltbild geschaffen …. Als ‚die Wissenschaft’ bezeichnen wir heute unseren durch das geschriebene Wort kodifizierten und durch die Konvention geheiligten Besitz an Wissen.“ … Und nochmals E. Schrödinger (1932, S. 38–39): „Unsere Kultur bildet ein Ganzes. Auch wer das Glück hatte, die Forschung zu seinem Hauptberuf zu machen — ganz abgesehen davon, daß dies nicht die einzigen sind, die sie fördern, — ist doch nicht nur Botaniker, nur Physiker, nur Chemiker. Vormittags auf dem Katheder spricht er wohl der Hauptsache nach bloß von seinem Fach. An demselben Abend sitzt er in einer politischen Versammlung, hört und spricht ganz andere Dinge, — steht ein andermal im Kreis einer Weltanschauungsgemeinde, wo wieder von anderem die Rede ist. Man liest Romane und Gedichte, geht ins Theater, treibt Musik, macht Reisen, sieht Bilder, Skulpturen, Architektur — und vor allen, man liest und spricht viel über diese und andere Dinge. Kurz wir alle sind Mitglieder unseres Kulturmilieus. Sobald bei einer Sache die Einstellung unseres Interesses überhaupt eine Rolle spielt, muß das Milieu, der Kulturkreis, der Zeitgeist oder wie man es sonst nennen will, seinen Einfluß üben. Es werden sich auf allen Gebieten einer Kultur gemeinsame weltanschauliche Züge und, noch sehr viel zahlreicher, gemeinsame stilistische Züge vorfinden, in der Politik, in der Kunst, in der Wissenschaft. Wenn es gelingt, sie auch in der exakten Naturwissenschaft aufzuweisen, wird eine Art Indizienbeweis für Subjektivität und Milieubedingtheit erbracht sein.“

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  135. von Mises (1922, S. 3, 32).

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  136. Z. B. Schottky (1921, Eröffnungsparagraph): „Darstellung der Krisis in der sich die heutige Physik befindet“; M. H.: „Ein Vortrag Einsteins: Neue Ergebnisse über die Eigenschaften des Lichtes.“ Neue Zürcher Zeitung (20. Juni 1922) Nr. 808, S. 2: „Den Grund für die Wahl gerade dieses Themas bot der Umstand, daß sich heute die Physik in der Frage nach dem Wesen des Lichtes in einer schweren Krise befindet“; L. Graetz (1925, S. 1); W. Wien (1925): „Das Aufwerfen dieser Fragen hat die ganze theoretische Physik in eine Krises gebracht“; E. Schmidt (1930, S. 12): „So steht in der Tat die mathematische Gewissheit in einer Krise“; G. Gans (1930, S. 1): „ … eine Krisis in der Physik heraufbeschworen hat, wie sie in unserer Wissenschaft vorher nicht bekannt war“; noch einmal R. Gans (1927): „Ich glaube aber, Ihr Interesse insoweit in Anspruch nehmen zu dürfen, als ich versuchen will, Ihnen zu zeigen, welche Dinge den Physiker heute bewegen, und wie er sich bemüht, sich aus der ernstesten Krisis herauszuwinden, in der unsere Wissenschaft sich je befunden hat.“ H. Hahn [1933, Vorwort]: „Das wachsende Interesse immer weiterer Kreise für die exakten Wissenschaften ist wohl vor allem ein Suchen nach einer der Regionen, die krisenhaften Erscheinungen entrückt sind. … In Wahrheit sind die exakten Wissenschaften vor Krisen keineswegs gesichert und gerade in den letzten Jahrzehnten sind sie von der theoretischen Physik bis hinein in die Logik von schweren Krisen erschüttert worden.“

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  137. Vorläufer dieser „Krisis-Reden“ aus der Vorkriegszeit kann man in populären Aufsätzen und akademischen Ansprachen finden. So z. B. in Paul Ehrenfests Leidener Inaugural-Vorlesung als Professor der theoretischen Physik, “Zur Krise der Lichtäther-Hypothese“ (1913). Wie verbreitet sie waren und welche Bedeutung ihnen im einzelnen zukam, kann ich nicht sagen. Es ist aber mein Eindruck, daß sie damals in Frankreich (Poincaré, Abel Rey) üblicher waren als in Deutschland.

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  138. Weyl [1918a]; (1919a; 1921a).

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  139. Beschreibung, Bibliographie und Dokumente über den Intuitionismus findet man in Fraenkel und Bar-Hillel [1958, S. 203–204]; J. van Heijenvort [1967]; Reid [1969].

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  140. Hilbert (1922, S. 159–160). Hilbert hatte diese Tirade gegen seinen brillantesten Schüler bei Vorträgen an mehreren Universitäten losgelassen, bevor er sie drucken ließ. Wichtig ist es, anzumerken, daß die Anhänger der intuitionistischen Bewegung nicht nur ihre destruktive Einwirkung zugaben; es scheint fast, als ob sie diese Folgen im Geiste eines Verzichts und einer Resignation wünschten. „Daß von diesem Standpunkt aus nur ein Teil, vielleicht nur ein kümmerlicher Teil der klassischen Mathematik zu halten ist, ist eine bittere, aber unumgängliche Tatsache.“ (Weyl (1928).)

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  141. Weyl (1955b): „Nur mit einigem Zögern bekenne ich mich zu diesen Vorträgen, deren stellenweise recht bombastischer Stil die Stimmung einer aufgeregten Zeit widerspiegelt — der Zeit unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg.“ Aus Hilberts Redeweise spürt man sogar eine ziemlich deutliche Warnung an Weyl und seine Freunde vor der politischen Haltung des Führers, zu dem sie sich bekannten. Siehe Schröder-Gudehus [1966, S. 219–220]; Reid (1969, S. 188).

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  142. Kuhn (1966); Hund [1967, S. 103].

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  143. Born (1923b); zitiert bei Forman (1968).

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  144. von Mises (1921); Stark [1922]; Petzoldt (1922); Schottky (1922); Einstein (1922c).

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  145. W. Heisenberg an W. Pauli, 29. Juni 1925. Heisenbergs Veröffentlichung (1925d), welche diese Quantenmechanik vorschlägt, war in der Tat „schon richtig“.

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  146. Dispensing with causality war der Titel des ersten Kapitels bei Albrecht Mendelssohn-Bartholdy [1937]. Der berühmte, emigrierte Rechtsgelehrte stellte darin fest, daß „der Krieg die Kausalität aufhebt. So schien es wenigstens dem deutschen Volk … das Volk allgemein, unabhängig von seinem Interesse für Politik, seinem Ausbildungsstand, seinem Berufs-und Lebensweg bemerkte die Änderung ziemlich deutlich, lange bevor es von den Historikern oder den Soziologen wahrgenommen werden konnte.“ (S. 20)

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  147. Frühere Studien, in denen die Bewegung zur Aufgabe der Kausalität vor 1926 beschrieben wird: Lenzen (1924); Gatterer (1924); Kis (1925); Bergmann (1929); Frank (1932); Cassirer (1956); Jammer (1966).

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  148. Einstein (1922c, S. 1). [Vgl. S. 233].

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  149. Im wesentlichen stimmt diese Auffassung mit derjenigen überein, die ausführlicher von Pierre Duhem [1914, S. 19, 52, 107 und passim] gegeben wird.

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  150. Dieser Punkt enthält zwei Aspekte: einer ist der rationalistisch-irrationalistische Gegensatz, der sich in der Einstellung zur Kausalität äußert und den ich deshalb kurz berühren werde; der zweite, der sich mit dem ersten überschneidet, ist der Gegensatz zwischen Intuition und Abstraktheit, Anschaulichkeit und Unanschaulichkeit, welche als wünschenswerte oder notwendige Attribute einer physikalischen Theorie angesehen werden. Das Verlangen nach Anschaulichkeit war auch hier sehr eng mit den Vorlieben und den Antipathien verbunden, die das geistige Klima der Weimarer Republik kennzeichnen. Dieser Gegensatz spielte in der Physik und in der Mathematik während der Weimarer Zeit (siehe Anm. 235 und 237), und besonders während der Nazizeit in Deutschland eine wichtige Rolle. Mit diesem schwierigen Problem möchte ich mich hier jedoch nicht abgeben. [Vgl. hierzu den im 3. Teil abgedruckten Aufsatz von Frank (1928a). Anm. des Herausgebers.]

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  151. Planck (1923c, S. 140): „Seit langem ist über die Bedeutung des Kausalgesetzes in der Natur-und Geisteswelt … nicht so heftig gestritten worden wie in unseren Tagen. … Fast hat es den Anschein, als ob die denkende Menschheit bezüglich dieser Fragen in zwei getrennte Lager gespalten ist.“

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  152. Schlick (1920, Anfangsparagraph). Das galt noch fünf Jahre später, als Kis (1925, S. 3) äußerte: „Das Causalprinzip ist das Allgemeinste unter den Prinzipien der Naturwissenschaften. Es besagt, daß die Naturvorgänge nach strengen Gesetzen ablaufen; es ist mit den Worten Machs unsere Zuversicht in die Gesetzmäßigkeit der Natur.“

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  153. Anm. 77. Vgl. Rauschenbergers Besprechung (1921) von Berg (1920): „Verfasser ist also strenger Determinist. Sein Kampf gegen das Kausalitätsgesetz erscheint deshalb nicht recht verständlich. Kausalität und Gesetzmäßigkeit wurden bisher stets als gleichbedeutend angesehen.“ D. h. Determinismus - Kausalität = Gesetzmäßigkeit.

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  154. Heisenberg [1930, S. 62].

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  155. Reichenbach (1920b): „Daß eine funktionelle Form existiert, garantiert die Kausalität. … Allerdings ist es denkbar, daß das Naturgeschehen ohne funktionelle Abhängigkeiten verliefe; aber wenn es eine Erkenntnis der Natur gibt, dann gilt das Kausalprinzip, denn ohne dieses ist Erkenntnis ihrem Sinne nach nicht möglich. … Wir können durchaus zu einer physikalischen Erkenntnis kommen, wenn das Energiegesetz nicht gilt, die Gleichungen würden dann eben anders lauten; aber ohne Gültigkeit des Kausalgesetzes wäre Erkenntnis unmöglich, weil wir überhaupt keine quantitativen Funktionalbeziehungen aufstellen könnten.”

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  156. Gatterer (1924, S. 45–46).

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  157. Brush (1967).

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  158. Zitiert bei Brush (1967, S. 531). Demzufolge haben Comtes späteren Zöglinge seinen Glauben mit Gefallen aufgenommen; er [d. h. Comte] befürchtete jedoch, daß „die Naturgesetze … in Strenge nicht … einer weiter ins Detail gehenden Forschung standhalten können.“ Zitiert bei Meyerson [1930, S. 20]. Es muß jedoch bemerkt werden, daß der Herausgeber von The Monist, Paul Carus (1892), sich darüber ereiferte.

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  159. Das Fortbestehen einer verborgenen Antikausalitätsströmung wird jedoch auch in der Zwischenzeit durch einige öffentliche Ablehnungen des Begriffes nahegelegt. In einer Ansprache bei der Rektoratsübergabe am 3. August 1914 anläßlich der Feier zum Gedächtnis des Stifters der Berliner Universität bekundete Max Planck, daß „dieser Dualismus“ zwischen kausalen und statistischen Gesetzen, der mit der Einführung der statistischen Betrachtungsweise in die Physik hineingetragen wurde, „manchem unbefriedigend erscheinen“ mag. Daher hat man Versuche gemacht, jede dynamische (= kausale) Gesetzmäßigkeit überhaupt zu leugnen und alle Regelmäßigkeiten statistisch zu begründen: „Der Begriff einer absoluten Notwendigkeit wäre in der Physik überhaupt aufgehoben. Eine solche Auffassung dürfte sich aber sehr bald als ein ebenso verhängnisvoller wie kurzsichtiger Irrtum herausstellen.“ (Planck 1914). Enthalten in Planck [1958, Band 3, S. 86]. In einer posthum veröffentlichten, Max Planck zum sechzigsten Geburtstag am 23. April 1918 gewidmeten Ausgabe der Naturwissenschaften, wies Marian von Smoluchowski (1918) hin auf die „heute zur Herrschaft gelangte Tendenz, sämtliche Gesetze der Physik … auf Statistik verborgener Elementarereignisse zurückzuführen“; er betrachtete es als „wohl möglich“, daß im Laufe der Zeit auch Lorentz’ Elektronentheorie, das Relativitätsprinzip, der Energieerhaltungssatz sich diesem Programm beugen werden. Smoluchowski beabsichtigte jedoch zu zeigen, daß „der Zufall — in dem in der Physik gebräuchlichen Sinne des Wortes — sehr wohl durch exakt definierte, gesetzmäßige Ursachen hervorgebracht werden kann“, und er betonte, daß der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht der Wert eines neuen Forschungsprinzips zukommt, sondern „nur eine vereinfachende statistische Schematisierung gewisser in der Natur sehr häufig auftretender funktionaler Zusammenhänge.“ Obwohl weder Planck noch Smoluchowski die von ihnen gemeinten Physiker nennen, welche die strenge Gültigkeit des Kausalprinzips anzweifeln, so mag es doch sein, daß beide besonders an Franz Exner denken; Smoluchowski hat sicherlich dessen Ansichten von seinen Wiener Jahren her gekannt, und Planck dürfte sie aus Exners Rektoratsrede (1909) an der Wiener Universität erfahren haben. Diese Veröffentlichung wurde mir erst bekannt, nachdem die endgültige Fassung der vorliegenden Studie abgeschlossen war. Darin wird vertreten: „Alles Geschehen in der Natur ist das Resultat zufälliger Ereignisse“ (S. 42). „Wären wir imstande die Molekularbewegung so ungeheuer zu verlangsamen, daß wir den einzelnen molekularen Vorgängen folgen könnten, so würden wir nichts wahrnehmen als ein Chaos zufälliger Ereignisse, in dem wir vergeblich nach einer Gesetzmäßigkeit suchen würden.“ (S. 13). Anschließend skizziert Exner ein „einheitliches und umfassendes Weltbild“, in dem alle Gesetze Ausdruck der Gesetze großer Zahlen sind. Der Mangel an Gesetzen für die Geisteswissenschaften beruht weder auf den Besonderheiten ihres Gegenstandes, noch sind „das Lebendige“ oder der freie Wille dafür verantwortlich. Vielmehr ist es die Folge der relativ kleinen Anzahl der zufälligen Ereignisse, die dem untersuchten Phänomen zugrunde liegen. Es ist auch bemerkenswert, daß P. Frank [1932, S. 56–58] „Die energetische Naturauffassung“ als eine der „kausalitätsfeindlichen Strömungen“ behandelte. Er behauptete: „Zur Zeit, als die Ideen der Ostwaldschen Naturphilosophie in den Kreisen der naturwissenschaftlich #x00E4;tigen und sogar der meisten für Naturwissenschaft interessierten Laien herrschend zu sein schienen, konnte man den Gedanken der mechanischen Kausalität im Sinne von Laplace als erledigt ansehen und die Einschiebung seelenähnlicher Faktoren schien notwendig.“ Dieses so wie auch vieles andere in Franks Buch ist ziemlich frei erfunden; dennoch ist es anregend.

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  160. Poske (1913). Zitiert nach Höfler (1918, S. 39).

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  161. Mach [1906, S. 81 in der englischen Auflage]; Petzoldt (1912, S. 79–80); Volkmann [1913, S. 385–398]; Cassirer [1910, Kapitel 5]; Kelsen [1943, S. 381].

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  162. Wien (1914a, S. 156).

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  163. Gehrcke [1921, S. 43–51].

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  164. In den grundlegenden Preliminarien zum Beweis seiner hauptsächlichen These, daß „die Dreidimensionalität des Raumes (gleichbedeutend mit der Vierdimensionalität des Weltgeschehens) die logische Folge der Gesetzmäßigkeit des Geschehens“ ist, bemerkt Carnap (1924) z. B. folgendes: „Die Geltung der Kausalität im Sinne der Physik besagt: in der physikalischen Welt herrschen determinierende Gesetze, und zwar sind alle Vorgänge eindeutig bestimmt, wenn die Gesamtheit der Vorgänge eines beliebig kleinen Zeitabschnitts bestimmt ist. Die Begriffe ‚bewirken‘, ‚Ursache ‘und dgl. haben also mit dem physikalischen Begriff der Kausalität nichts zu tun.“

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  165. Im Deutschen Bücherverzeichnis 6, 770 (1915-1920); 10, 1298 (1921–1925) werden zehn solche Titel aufgeführt.

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  166. Wentscher (1921, Vorwort).

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  167. Brief Nr. 8 des Einstein-Born-Briefwechsels [1969].

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  168. Brief Nr. 12 des Einstein-Born-Briefwechsels [1969]. Born hatte eine kurze populäre Darstellung über allgemeine Relativität in der Frankfurter Zeitung (1919) publiziert; unter anderen Sticheleien gegen Kant bemerkte er darin: „Wer diese Entwicklung [der Relativitätstheorie] miterlebt hat, der wird sich des Zweifels am a priorischen Charakter auch anderer Kategorien des Denkens nicht erwehren können.“ Born wurde daraufhin das Angriffsziel von Robert Drill (1919), einem wilden und fanatischen Kantianer, der den a priori Charakter des [metaphysisch-ontologischen] Kausalitätsbegriffes zu beweisen glaubte, indem er auf das konkrete Beispiel der Geschmacksantizipation beim Anblick einer Wurst-scheibe verwies. Das reizte Einstein: „Sein Nachweis der Causalität a priori ist wahrhaft erhebend.“

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  169. Einstein an Born, 27. Januar 1920. Brief Nr. 13 des Einstein-Born-Briefwechsels [1969]. Es wäre äußerst interessant, Borns und Sterns Ansichten genau kennenzulernen. Einige Hinweise enthielt wahrscheinlich Borns (ungedruckte) Rede (1920) vom 27. Juli 1920 vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt.

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  170. Brief Nr. 13 des Einstein-Born-Briefwechsels [1969]: „Der Spengler hat auch mich nicht verschont. Man läßt sich gern manchmal am Abend von ihm etwas suggerieren und lächelt am Morgen darüber. Man sieht, daß die ganze Monomanie aus der Schullehrer-Mathematik kommt. Euklid-Cartesius ist sein Gegensatz, den er nun in alles hinarbeitet, aber — wie man gern zugibt — mit Geist. Solche Dinge sind amüsant, und wenn morgen einer mit dem nötigen Geist das Gegenteil sagt, so ist es wieder amüsant, und was wahr ist, weiß der Teufel!“ — „Spengler hat auch mich nicht verschont“ ist ein Rätsel; denn, soweit ich sehen kann, ist die Relativitätstheorie (auf Seite 599–601 in der Erstausgabe, vgl. Anm. 65) ziemlich gut als „die letzte Form der faustischen Natur“ weggekommen. Born wird dort überhaupt nicht erwähnt; jedoch schon in der verbesserten Auflage (1923) wird die Relativitätstheorie als „eine Arbeitshypothese von zynischer Rücksichtslosigkeit“ beschrieben und der ihr gewidmete Raum (Seite 544–545) stark reduziert. Born, der mißverständlicherweise als Chemiker ohne mathematische Kenntnisse beschrieben wird, erhält jetzt die ihm zustehende Beachtung durch eine Anmerkung auf Seite 205–206.

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  171. Siehe Anm. 77 und 78 und die dazugehörigen Textstellen. P. Frank [1932] widmete den „kausalitätsfeindlichen Strömungen“ ein Kapitel. Er äußerte, daß solche Strömungen in dem allgemeinen geistigen Klima der Weimarer Zeit weit verbreitet waren, führte aber nur das eine Beispiel von Spengler an.

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  172. Wien (1920). Die Zitate findet man respektive auf S. 20, 35 und 38–39.

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  173. Wien (1920, S. 37); Wien (1914a, S. 152–154).

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  174. Exner [1922]. Die entscheidenden Vorlesungen 86–94 sind in ihren wesentlichen Zügen in den beiden Auflagen von 1919 und 1922 identisch. Die folgenden Zitate sind dem Vorwort und der 93. und 94. Vorlesung der ersten Auflage entnommen.

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  175. Aus dem Inhaltlichen dieser abschließenden Vorlesungen über Naturgesetze und aus Exners Verweisen auf diese als „Anhang“ in seinem Vorwort lassen vermuten, daß sie nie als solche veranstaltet wurden. Vielmehr dürften sie bei der Niederschrift des Buches während des Krieges zusammengestellt sein. Siehe hierzu Anm. 158.

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  176. Exner berief sich (in der 86. Vorlesung, S. 658 der 2. Auflage) auf Boltzmanns Zustimmung zu dieser Behauptung.

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  177. Weyl (1954) erinnerte sich, daß er in seinen Göttinger Studienjahren 1906–1910 von seinem jugendlichen Kantianismus zum Positivismus bekehrt wurde — er las Mach, Poincaré und Friedrich Albert Lange. Erst 1913, kurz vor seiner Abreise nach Zürich, „wurde es denn Husserl, der mich aus dem Positivismus wieder zu einer freieren Weltansicht herausführte.“ Die Verbindung zu seinem Kollegen Husserl wurde von einem der zahlreichen begeisterten Hörer Husserls, von Helene Joseph, hergestellt, die sich 1913 mit Weyl verheiratete. Erst in dem 1917 verfaßten Das Kontinuum [1918b] und in der Ostern 1918 datierten Einleitung zur ersten Auflage von Raum — ZeitMaterie [1918a] erscheint Husserl namentlich. Weyls außerordentliche Verehrung von Husserl geht aus wiederholten, von voller Anerkennung zeugenden Zitaten in seiner Philosophie der Mathematik und der Naturwissenschaften (1927a) hervor. Umgekehrt berief sich die Husserlsche Schule voller Stolz auf Weyl und erhob Anspruch auf ihn als einen der ihrigen: O. Becker (1923, S. 387–388). Der Erfolg der formalistischen Metamathematik um 1928 bereitete jedoch das Ende von Weyls Ergebenheit: „Setzt sich die Hilbertsche Auffassung, wie das allem Anschein nach der Fall ist, gegenüber dem Intuitionismus durch, so erblicke ich darin eine entscheidende Niederlage der philosophischen Einstellung reiner Phänomenologie, die damit schon auf dem primitivsten und der Evidenz noch am ehesten geöffneten Erkenntnisgebiet, in der Mathematik, sich als unzureichend für das Verständnis schöpferischer Wissenschaft erweist.“ (Weyl (1928)). Siehe auch Peter Beisswanger (1966).

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  178. Eine bewundernswerte und in ihrer Verständlichkeit einzigartige Darstellung dieses geistigen Phänomens lieferte Spiegelberg [1965]. Ergänzend mag auch Kockelmans und Kisiel [1970] herangezogen werden.

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  179. Weyl (1920) hatte eine Ansprache mit diesem Titel für ein Symposium über „die Bedeutung der Wahrscheinlichkeit für die Naturwissenschaft und die Medizin“ vorbereitet, welches von dem Zürcher Professor für Gerichtsmedizin Heinrich Zangger — ein vertrauter Freund und Berater Einsteins — im Rahmen der Jahresversammlung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft im September 1918 in Lugano organisiert wurde. Wegen der Grippeepidemie wurde dieser Kongreß jedoch suspendiert, so daß die früheste Verlautbarung des Weylschen Standpunktes eine 500 Wörter umfassende Zusammenfassung derjenigen Ansprache ist, die Weyl ein Jahr darauf am 8. September 1919 hielt und die in den Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft (1919d) abgedruckt ist. Diese Zusammenfassung hat den gleichen allgemeinen Aufbau wie die gedruckte Veröffentlichung und ist im phänomenologisch-existentialistischen Jargon der Husserlschen Schule („das nur im Willen erlebte ‚Grund-sein‘“ … etc.) abgefaßt. Sie schließt mit Weyls Erklärung, „daß der Statistik ein selbstständiges, nicht auf die Kausalität zurückführendes Prinzip zugrunde liegt.“ Dennoch kann man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Weyl mit seinem Standpunkt im Herbst 1919 noch nicht soweit gegangen war wie im August 1920. Insbesondere hatte er noch nicht den Intuitionismus in der Mathematik mit seiner Kausalitätsfeindlichkeit und seiner Ablehnung „der reinen Gesetzesphysik“ in Beziehung gebracht. Diese letzteren stützten sich allein auf ihre Unverträglichkeit mit der „für unser ganzes Erleben fundamentalen Einsinnigkeit der Zeit.“

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  180. Obwohl A. d’Abro [1939] die Erwähnung von Hermann Weyl in diesem Zusammenhang versäumt hat, hielt er es für angebracht, ein Kapitel über „The Controversies on the Nature of Mathematics“ in seiner historischen Darstellung der Quantentheorie aufzunehmen. Er begründete das auf S. VII folgendermaßen: „Nach unserer Meinung haben diese Kontroversen ihren Ursprung in den gleichen psychologischen Gegensätzen, welche für die aktuelle Kontroverse über das Kausalitätsprinzip in der Physik scheinbar verantwortlich sind.“ Dieses Kapitel abschließend gab d’Abro (auf S. 212) folgende Anregung: „Es mag noch gesagt werden, daß die moderne Physik die gleiche Krise durchmacht, die wir in der Mathematik diskutiert haben: Die Quantentheoretiker nehmen die Stellung der Intuitionisten ein, während wir Einstein und Planck als Formalisten zu betrachten haben.“ Ich glaube, daß d’Abros Vermutung im wesentlichen zutrifft.

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  181. Weyl (1920); zitiert nach Weyl [1968, Band 2, S. 117 und 116].

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  182. Weyl [1968, Band 2, S. 121–122].

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  183. Weyl [1918a, 4. Auflage, S. 283–284]. Das Vorwort dieser 4. Auflage ist November 1920 datiert. Eine genauere Formulierung der „Kausalität“ ist in der 5. Auflage von 1923 enthalten.

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  184. Weyl (1921b, S. 559).

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  185. Weyl (1924b, S. 611).

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  186. Weyl (1924a, S. 197 und 198).

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  187. Schottky (1921); von Mises (1921); Nernst (1921b).

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  188. R. von Mises (1922, S. 19).

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  189. R. von Mises (1922, S. 30).

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  190. R. von Mises (1921, S. 427 und 431; 1922, S. 26 und 29; Selected Papers [1964, Band 2, S. 481 und 487]).

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  191. Schottky (1921).

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  192. Schottky(1921, S.492).

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  193. Schottky (1921, S. 495–496).

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  194. Tetrode (1922). Tetrode verhält sich im allgemeinen kritisch zu „der einseitig gerichteten [!], zum Teil zufallsmäßig bedingten Kausalität“, zu welcher die moderne Entwicklung der Physik und vor allem der Nahewirkungstheorie geführt haben. Diese Kausalitätsauffassung ist aber dem menschlichen Geist nicht eingeboren. Weshalb sollte man dann nicht eine andere Auffassung nehmen. Das Ergebnis ist bemerkenswerterweise sehr ähnlich zu der Bohr-Kramers-Slater-Theorie. — Das elektromagnetische Feld verliert seine Wirklichkeit, die Energie-und Impulserhaltung werden statistisch — jedoch mit einer genau entgegengesetzen Absicht; nämlich, um den Determinismus zu festigen und nicht, um ihn abzuschwächen.

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  195. Schottky (1921, S. 509–511).

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  196. Nernst (1921b, S. 492 und 495).

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  197. Vgl. Heisenberg (1927a, S. 197): „Aber an der scharfen Formulierung des Kausalgesetzes: ‚Wenn wir die Gegenwart genau kennen, können wir die Zukunft berechnen‘, ist nicht der Nachsatz, sondern die Voraussetzung falsch. Wir können die Gegenwart in allen Bestimmungsstücken prinzipiell nicht kennenlernen.“

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  198. Nernst (1921, S. 494–495).

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  199. Nernst ist in seinen physikalischen Auffassungen wirklich ziemlich altmodisch und versucht, aus diesen modische Folgerungen zu ziehen. Seine Behauptung, daß die Bewegungen und Wechselwirkungen eines subatomaren mechanischen Systems (der Äther) diejenigen des atomar-molekularen mechanischen Systems stören, so daß die Bewegungsgesetze eines einzelnen Gasmoleküls nur Mittelwerte wiedergeben, wurde schon vor einem Vierteljahrhundert von Ludwig Boltzmann vertreten — natürlich ohne darin ein Versagen der Kausalität zu erblicken. (Boltzmann [1898, S. 260].) Nernsts Vorschlag, daß die Nullpunktsschwankungen der Ätherenergie den radioaktiven Zerfall auslösen, zieht paradoxerweise eine kausale Erklärung und einen kausalen Mechanismus für dieses Hauptbeispiel eines scheinbar akausalen Naturprozesses heran.

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  200. Gruner (1922, S. 5 und 11).

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  201. Schrödinger (1929b). Es handelt sich um Schrödingers Antrittsvorlesung vom 9. Dezember 1922 als Professor der theoretischen Physik an der Universität Zürich, die seinerzeit nicht gedruckt wurde. [Vgl. hierzu auch von Meyenn (1982b, S. 224f.). Anm. des Herausgebers].

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  202. Siehe Anm. 77 und 158.

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  203. Schrödinger, op. cit. (Anm. 133, 228 und 235).

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  204. Reichenbach [1924]. Auf S. 15 der englischen Ausgabe von 1969.

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  205. Reichenbach (1925a).

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  206. Reichenbach (1925b).

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  207. Reichenbach (1925b, S. 133 und 136).

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  208. Reichenbach (1925b, S. 138–141).

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  209. Petzoldt (1922).

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  210. Schottky (1922).

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  211. Planck (1922b).

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  212. Planck (1922b, S. 46–48).

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  213. Planck (1923c).

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  214. Planck (1923c, S. 88 und 117). Siehe Anm. 150.

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  215. Planck (1923c, S. 116–118). In seiner Ansprache vom 3. August 1914 (Planck (1914, S. 78 und 88–89)) verteidigt Planck ebenso kategorisch diese gleichen Thesen, aber ohne Anzeichen, daß seine Ansichten bei dem Publikum nicht willkommen wären.

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  216. Planck (1923a). Man bemerke, daß Planck ebenso wie Exner die Gültigkeit der klassischen Dynamik im Bereich der Atomphysik mit der Gültigkeit der Kausalität verwechselt. Bohr (1923a, S. 157) hatte sich kürzlich entschlossen, „die von verschiedenen Seiten vertretenen Ansicht zu stützen, [daß] im Gegensatz zur Beschreibung der Naturerscheinungen in der klassischen Physik, wo es sich ja immer nur um das statistische Resultat einer großen Anzahl von Einzelvorgängen handelt, eine vollständige raumzeitliche Beschreibung der Atomvorgänge (mit Hilfe der der klassischen Elektrodynamik entlehnten Begriffe) nicht in widerspruchsloser Weise durchführbar ist. …“ Erst 1924 sprach Bohr (Bohr, Kramers und Slater (1924, S. 790)) von „einer kausalen Beschreibung in Raum und Zeit“. Um 1927 hörte Bohr (1928) auf, „kausale“ Beschreibungen und „raum-zeitliche“ Beschreibungen als äquivalent zu betrachten. Nun sah er sie vielmehr als „komplementär“ an.

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  217. “Es ist doch sonst bei Ihrem feinen Gefühl für Kausalzusammenhänge nicht Ihre Art, bei sachlichen Überlegungen allgemeinen Gefühlsstimmungen den entscheidenden Einfluß zu gewähren.“ Planck an Einstein, 22. Oktober 1921. Die Erfahrung vom September 1920 in Nauheim hatte bei Einstein einen sehr schlechten Nachgeschmack zurückgelassen, dennoch sagte er einen Hauptvortrag für die folgende Naturforscherversammlung in Leipzig zu, die dem hundertjährigen Jubiläum galt. Doch nach Rathenaus Ermordung in jenem Sommer fühlte sich Einstein genötigt, sich vom öffentlichen Leben und zeitweilig aus Deutschland zurückzuziehen.

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  218. Siehe Anm. 147 und den dazugehörigen Text; vgl. Einstein (1924e), worin Einstein behauptet, daß die große erzieherische Aufgabe der Wissenschaft „darin besteht, das Streben nach kausalem Erkennen in der Gesamtheit zu wecken und wach zu halten.“ Im Juni 1922 äußerte sich Einstein in einem allgemeinverständlichen Aufsatz über „Neue Ergebnisse über die Eigenschaften des Lichtes“ (Anm. 135): „Abschließend gab Einstein der Meinung Ausdruck, daß man auch in Anbetracht der großen Fortschritte unserer Kenntnisse über die Natur mit einer künftigen Lösung dieses Problems rechnen kann und daß das menschliche Bewußtsein die notwendigen Voraussetzungen zum Verständnis der Naturvorgänge besitzt.“

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  219. Wie lange hat Einstein dieses Programm verfolgt? McCormmach (1970, besonders S. 83–84) bei Stellung der Frage nach Einsteins Bekehrung zu einer feldtheoretischen Behandlung, verlegt diese Neuorientierung in die Jahre 1907–1909. Demzufolge soll Einstein von da an „eine Feldtheorie mit Quantenlösungen, aber nicht eine Quanten-Mechanik“, angestrebt haben. Einsteins eigene Äußerungen aus den zwanziger Jahren über dieses quantentheoretische Programm sind mit diesem frühen Datum in voller Übereinstimmung. Im Januar 1920 schrieb er an Born: „Ich glaube nach wie vor, man muß eine solche Überbestimmung durch Differentialgleichungen suchen, daß die Lösungen nicht mehr Kontinuumscharakter haben. Aber wie??“ Einstein-Born-Briefwechsel [1969, Brief Nr. 13 vom 27. Januar 1920]. Und nochmals am 28. Juni 1929, als er aus den Händen Plancks die zweite Planck-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft entgegennahm — die erste wurde Planck selbst verliehen — bemerkte Einstein, daß dieses schon immer sein Plan gewesen sei und auch immer bleiben würde: „Besonders zwei Gedanken waren es, um die sich meine heißen Bemühungen gruppierten. Das Naturgeschehen scheint so weitgehend determiniert zu sein, daß nicht nur die zeitliche Folge, sondern auch noch der Anfangs zustand weitgehend gesetzlich gebunden ist. Diesem Gedanken glaubte ich durch Aufsuchen überbestimmter Systeme von Differentialgleichungen Ausdruck geben zu müssen. Das allgemeine Relativitätspostulat sowie die Hypothese von der einheitlichen Struktur des physikalischen Raumes bzw. des Feldes sollten hierbei Wegweiser sein. Unerreicht steht dies Ziel da, und kaum dürfte ein Fachgenosse zu finden sein, der meine Hoffnung teilte, auf diesem Wege zu einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit zu gelangen. Was ich auf dem Quantengebiete fand, sind nur Gelegenheitseinsichten oder gewissermaßen Splitter, die bei fruchtlosen Bemühungen um das große Problem abfielen. Ich bin beschämt, hierfür nun eine so hohe Ehre zu empfangen.“ „Trotzdem ich stark glaube, daß wir nicht bei einer Subkausalität stehen bleiben, sondern im angedeuteten Sinn schließlich sogar zu einer Überkausalität gelangen werden, bewundere ich doch aufs höchste die Leistungen der jüngeren Physikergeneration, welche unter dem Namen Quantenmechanik zusammengefaßt sind, und glaube an den tiefen Wahrheitsgehalt dieser Theorie; nur denke ich, daß die Beschränkung auf statistische Gesetze nur eine vorübergehende sein wird.“ Einstein (1929).

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  220. In einem Schreiben an Paul Ehrenfest Ende August 1922 empfahl Einstein „eine sehr geistvolle Arbeit von Tetrode über das Quantenproblem. Vielleicht hat er recht; jedenfalls zeigt er sich durch diese Arbeit als Kopf ersten Ranges. Schon lange hat mich nichts mehr so elementar gepackt.“ Zu dessen Reaktionen auf die Bohr-Kramers-Slater-Theorie: Klein [1971, S. 32–33].

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  221. Einstein (1924d). Es muß jedoch gesagt werden, daß Einstein über den Ursprung seiner Untersuchung und über die Absicht, die er mit ihrer Publikation verfolgte, eine andere Version gab, als er sie Lorentz gegenüber in einem Schreiben vom 25. Dezember 1923 erwähnte. „Ich sehe eine Möglichkeit den Quantentatsachen von der Feldtheorie aus beizukommen unter Preisgabe der mechanischen Gleichungen. Das mechanische Verhalten der Elektronen (Singularitäten) soll durch überbestimmte Feldgleichungen mitbestimmt werden. Leider sind die mathematischen Schwierigkeiten für meine Kräfte zu groß. Ich habe deshalb durch eine kurze Abhandlung das Interesse der Fachgenossen auf die Methode zu lenken versucht.“

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  222. Hinweise auf einen solchen Widerwillen gegen „Polemiken“ findet man in Forman (1968, S. 171).

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  223. Pauli (1926, S. 11): Der Augenblick des Übergangsprozesses eines einzelnen angeregten Atoms „scheint vielmehr gemäß dem jetzigen Stande unseres Wissens allein durch den Zufall bestimmt. Es ist eine viel diskutierte, aber noch unentschiedene Frage, ob wir darin ein grundsätzliches Versagen der kausalen Naturbeschreibung oder nur eine provisorische Unvollkommenheit der bisher erreichten theoretischen Formulierung zu erblicken haben.“ (Der Artikel wurde 1924–1925 verfaßt.) Vgl. die Bemerkungen, welche H. A. Kramers der deutschen Übersetzung einer mit Helge Holst ursprünglich in Dänisch verfaßten populären Darstellung der Bohrschen Theorie zu diesem gleichen Zusammenhang hinzufügte: Kramers stellte erstmals die Frage, ob den Wahrscheinlichkeitsgesetzen ein kausaler Mechanismus zugrunde liege oder ob „das physikalische Kausalitätsgesetz in Wirklichkeit nicht gilt.“ Und er warnte schließlich davor, diese letztere Auffassung zu einer erkenntnistheoretischen Unmöglichkeit zu stempeln. „Für den Augenblick ist es wohl eher eine Geschmacksache“, fügte er hinzu, „und bleibt es vielleicht immer, welche Alternative man vorzieht, eindeutige Kausalität oder Wahrscheinlichkeitsgesetze. Die getroffene Wahl berührt die Methoden der physikalischen Forschung viel weniger, als man vielleicht im ersten Augenblick glauben möchte.“ (Kramers und Holst [1925, S. 139]. Das Vorwort ist datiert März 1925.)

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  224. Gatterer (1924, S. 47 und S. 36). Obwohl Nernst nichts weiteres zu dieser Frage publizierte, so war er doch nicht völlig schweigsam. Am 11. Februar 1925 hielt er einen populären Vortrag mit dem Titel „Kausalgesetz und neuere Naturforschung“ (Nernst (1925)) für die Laienmitglieder der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der einen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit der Institute vermittelte. Der Aufsatz wurde in den Mitteilungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte abgedruckt.

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  225. Poske (1922) wies darauf hin, daß Nernsts Vergleich zwischen dem Verlust des Kausalprinzips und „gewissen theologischen Lehren … erkennen [läßt], wie grundstürzend seine Auffassung, wenn sie sich durchsetzte, für die gesamte Weltanschauung werden mußte.“ Im März 1923 beschrieb Poske (1923) den von Exner in seinem letzten Kapitel eingenommenen Standpunkt lediglich als „besonders bemerkenswert“ und bemerkte: „Diese Auffassung berührt sich mit anderen in letzter Zeit laut gewordenen Ansichten, nach denen das Kausalgesetz seine Rolle ausgespielt hat und der ursachlose Zufall regiert.“

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  226. Senftleben (1924a). Die Zitate sind den Seiten 129–131 entnommen. Kis [1925] diskutierte Senftlebens Vorschläge ziemlich ernsthaft. Im Sommer 1924 wurde er von Kramers in einem dänischen Sanatorium besucht. (Siehe Senftlebens Briefe an Bohr und an Kramers vom 23. August und 8. Oktober 1924.)

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  227. Bohr, Kramers und Slater (1924). Die Veröffentlichung dieser Arbeit wurde wahrscheinlich hinausgezögert, damit sie nicht früher erscheine als die englische Fassung im Mai-Heft des Philosophical Magazine. Slater (1925). Der sehr große Unterschied zwischen Slaters ursprünglicher Auffassung und der Ansicht, zu der er sich durch Bohr und Kramers überzeugen ließ, legt eine Unterscheidung zwischen wahrscheinlichkeitstheoretischer und akausaler Behandlung nahe. Die schon seit längerer Zeit geläufige Vorstellung eines Führungsfeldes für die Lichtquanten ebenso wie de Broglies Vorschlag einer Welle als Führungsfeld für materielle Teilchen sind probabilistische Ansätze. Jedoch nur wenn man ihnen anachronistischerweise Heisenbergs Unschärferelation auferlegt, kann man von einer Aufgabe der Kausalität sprechen. Ihre Urheber hielten es nicht für unwahrscheinlich, hinter diesen Wahrscheinlichkeiten die bestimmenden Faktoren der einzelnen Ereignisse anzutreffen. Eine akausale Theorie schließt im Gegensatz dazu diese Möglichkeit von vornherein aus. Die Bohr-Kramers-Slater-Interpretation war somit aus Slaters ursprünglichem Vorschlag gebildet, indem die „rationale Verursachung“ bei der Wechselwirkung von Atom und Strahlung im Prinzip ausgeschlossen wurde. Diese Tatsache wurde dann dadurch schmackhafter gemacht, daß man den „formalen Charakter“ der Beschreibung ihrer Wechselwirkung hervorhob, und die, — so möchte man hinzufügen-, ganz im Gegensatz zu Slaters „physikalischer“ Vorstellung stand.

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  228. Ein interessantes Zeugnis für das Ausmaß und die Stärke des Glaubens, mit dem man diese „Theorie“ in Deutschland aufnahm, ist — wie für so viele andere — ein Schreiben Paulis vom 27. Juli 1925 an Kramers: Mit der Betonung, daß er nicht wünsche, als ein wahrer „Gläubiger“ mißverstanden zu werden, schrieb Pauli: „Ich halte es überhaupt für ein ungeheures Glück, daß die Auffassung von Bohr, Kramers und Slater durch die schönen Experimente von Geiger und Bothe sowie durch die kürzlich erschienenen von Compton so schnell widerlegt worden ist. Es ist zwar natürlich richtig, daß Bohr selbst, auch wenn diese Experimente nicht gemacht worden wären, nicht mehr an dieser Auffassung festgehalten hätte. Aber viele ausgezeichnete Physiker (wie z. B. Ladenburg, Mie, Born) hätten daran festgehalten und diese unglückselige Abhandlung von Bohr, Kramers und Slater wäre vielleicht für lange ein Hemmnis des Fortschrittes der theoretischen Physik geworden!“

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  229. Schrödinger (1924c). Schrödinger scheint in der Theorie von Bohr-Kramers-Slater vor allem einen Versuch erblickt zu haben, die Quantentheorie von ihren Unstetigkeiten zu befreien; dieses Ziel verfolgte er mit seiner Wellenmechanik, die er gegen Ende 1925 auf der Grundlage von de Broglies Gedanken entwickelte. In einem Brief vom 18. Juni 1926 an Wilhelm Wien bemerkte Schrödinger: „Es scheint ja, daß zur Zeit nicht auf allen Seiten die Überzeugung besteht, daß eine Abkehr von den grundsätzlichen Diskontinuitäten unbedingt zu begrüßen ist, wenn es damit geht. Ich aber habe immer mit Inbrunst gehofft, daß das möglich sein wird und würde mit beiden Händen zugegriffen haben — wie ich bei Bohr-Kramers-Slater mit beiden Händen zugriff — auch wenn der Zufall nicht gerade mir selbst den ersten (mit Rücksicht auf de Broglie muß ich richtiger sagen: den zweiten) Zipfel in die Hände gespielt hätte.“

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  230. Wien (1925, S. 192, 194, 196). Ebenso äußerte sich hierzu Max Planck (1926, insbesondere S. 184, 194–196).

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  231. Wien (1926a; 1926b). In seiner anderen veröffentlichten akademischen Rede gab Wien (1923, S. 5) einen Beweis seines Eintretens für die Kausalität: „Gewohnt, das Gesetz der Kausalität überall zu suchen, bemühten sie [die Physiker] sich immer wieder von neuem die Gründe aufzudecken, die Goethe zu seiner abweisenden Haltung der Physik gegenüber geführt haben.“

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  232. Heisenberg (1925d). Bohr (1925c). Das Zitat findet man auf S. 4 der deutschen Fassung in den Naturwissenschaften.

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  233. Wien (1926b, S. 10). Vgl. Anm. 221.

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  234. Wien (1926b, S. 15 und 18). Vielleicht ist dieses als eine verdeckte Anspielung auf einen Zusammenbruch zu verstehen, den Bohr 1921 erlitt und der mehrfach wiederzukehren drohte. Wiens Feindlichkeit gegenüber Sommerfelds „Atomystik“ und seine Aggressivität, die sich auf ein Vertrauen in Schrödingers Wellenmechanik stützte, wird durch Heisenbergs neueste Erinnerungen [1969, S. 104–105 und 72–73 ] bestätigt.

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  235. Raman und Forman (1969). Eine kürzlich neu aufgefundene Sammlung von 17 Briefen Schrödingers an Wien aus der Zeit vom Dezember 1925 bis zum November 1927 stützt den Standpunkt, den die Autoren in dieser Veröffentlichung vertreten. Siehe Anmerkung 235 unten.

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  236. Schrödinger (1926a, S. 509). Am 25. August 1926 schrieb Schrödinger an W. Wien: „Ich möchte aber heute nicht mehr gern mit Born annehmen, daß solch ein einzelnes Ereignis, [z. B. die Wechselwirkung von einem Elektron mit einem Atom], absolut zufällig ‘d. h. vollkommen undeterminiert ist. Ich glaube heute nicht mehr, daß man mit dieser Auffassung (für die ich vor vier Jahren sehr lebhaft eingetreten bin) viel gewinnt. … Bohrs Standpunkt, eine räumlich-zeitliche Beschreibung sei unmöglich, lehne ich a limine ab. Die Physik besteht nicht nur aus Atomforschung, die Wissenschaft nicht nur aus Physik und das Leben nicht nur aus Wissenschaft. Der Zweck der Atomforschung ist, unsere diesbezüglichen Erfahrungen unserem übrigen Denken einzufügen. Dieses ganze übrige Denken bewegt sich, soweit es die Außenwelt betrifft, in Raum und Zeit.“ Man begegnet hier erneut Schrödingers tiefer Überzeugung, daß wissenschaftliche Ansichten mit der jeweiligen Weltanschauung einhergehen.

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  237. Born (1962).

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  238. Heisenberg (1927a, S. 197). Ein ganzes Jahr zuvor hatte Senftleben (1926) Heisenbergs grundlegende Arbeit zur Matrixmechanik (1925) als ein Beispiel der gegenwärtigen Tendenz angeführt, „zu einem gewissen Grade“ die Ansichten zu akzeptieren, die er, Senftleben (1924), bereits 1923 vorgeschlagen hatte. Es ist anzunehmen, daß Senftleben die Heisenbergsche Unschärferelation lediglich als einen Akt der endgültigen Bestätigung seiner eigenen Ansichten angesehen hat.

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  239. Heisenberg (1927b): „so scheint durch die neuere Entwicklung der Atomphysik die Ungültigkeit oder jedenfalls die Gegenstandslosigkeit des Kausalgesetzes definitiv festgestellt.“ In biographischer Hinsicht ist diese Begeisterung nicht überraschend. Heisenberg betont mehrfach in seinen Erinnerungen [1969], daß er noch vor dem Beginn seines Studiums der theoretischen Physik an der Universität München im Herbst 1920 einige Jahre der deutschen Jugendbewegung angehört hatte und auch danach noch angehörte. Heisenberg machte beflissentlich keine näheren Angaben über die spezielle Organisation im Spektrum der politisch unterschiedlich ausgerichteten Organisationen der Jugendbewegung, der er angehörte. Doch W. Z. Laqueur behauptet jedoch, Heisenberg sei ein Weißer Ritter gewesen; auch die folgenden Bemerkungen sind für diese Gruppierung der Rechten besonders zutreffend. Die geistige Orientierung der Bewegung als Ganzes wurde durch Theodor Wilhelm treffend charakterisiert: „die Jugendbewegung [ist] fest und tief eingebettet in jene von Nietzsche intonierte, mit der Lebensphilosophie des Jahrhundertanfangs systematisierte, durch die Kunstbewegung und Reformpädagogik paraphrasierte Verherrlichung des ungeteilten Lebens, aus dem noch die Hitlerbewegung auf ihre Weise Nutzen zog.“ In der Tat waren es unter den volkstümlichen Lebensphilosophen die radikalsten Gegner der exakten Wissenschaft — Ludwig Klages, Hermann Keyserling, Rudolf Steiner — welche die größte Gefolgschaft und den größten Einfluß in der Jugendbewegung besaßen. Laqueur zitiert den Leiter der Berufsberatungsstelle der Jugendbewegung, der — ungeachtet daß er ein Kommunist war — im November 1918 die Behauptung aufstellte, daß einige Berufe ohne Wert sind für unsere zukünftige Gemeinschaft und ihrem Ziel, die Welt zu erobern; an der Spitze dieser Liste stand natürlich die Physik, gefolgt von der Chemie, Medizin und den Ingenieurwissenschaften. — Obwohl diese Orientierung nirgendwo in Heisenbergs Erinnerungen [1969] deutlich zum Ausdruck kommt, kann man es zwischen den Zeilen lesen. So sagt Heisenberg (auf S. 34, 45) von sich selbst, daß er gezwungen war, seine Entscheidung für die Laufbahn des theoretischen Physikers zu verteidigen. Interessanterweise behauptete er, diesen Entschluß verteidigt zu haben mit der Begründung, daß die theoretische Physik „von selbst zu Problemen geführt hat, in denen philosophische Grundpositionen, die Struktur von Raum und Zeit und die Gültigkeit des Kausalgesetzes, in Frage gestellt werden.“ Eine Entscheidung zwischen theoretischer Physik und Jugendbewegung wollte Heisenberg während der ersten zwei Universitätsjahre nicht treffen. „Die beiden ersten Jahre meines Studiums in München spielten sich in zwei sehr verschiedenen Welten ab, im Freundeskreis der Jugendbewegung und im abstrakt-rationalen Bereich der theoretischen Physik, und beide Bereiche waren so von intensiven Leben erfüllt, daß ich immer wieder in einem Zustand höchster Spannung war; es wurde mir nicht leicht, aus dem einen Bereich in den anderen überzuwechseln.” Die Art und Stärke dieser Aufregung wird um so klarer, wenn man einerseits sich daran erinnert, daß die Organisation der Jugendbewegung während der Weimarer Zeit, der sogenannten Bünde, — anders als heute oder in den angelsächsischen Ländern — eine totale Hingabe verlangten oder, wie Theodor Wilhelm sagt, man sich seinem Bund ganz verschreiben mußte; und andererseits ist zu bemerken, daß Wolfgang Pauli, Heisenbergs Berater in der zweiten Welt, gerade das Beispiel für all das war, was die Jugendbewegung verabscheute: unsportlich, genießerisch, gleichgültig gegenüber der Natur, dem Nachtleben der Großstadt zugetan, höhnisch, zynisch, von schneidender Kritik und obendrein jüdisch. (Laqueur [1962, S. 34, 102, 116, 141]; vgl. Wilhelm und Ehmer in Kindt [1963, S. 12, 232]).

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  240. Sommerfeld (1927a, S. 235). Obwohl Sommerfeld niemals gewillt war, die volle und eindeutige Determinierung der physikalischen Vorgänge fallenzulassen, hat er in der Zeit vor der Quantenmechanik nicht der Versuchung widerstehen können, die antikausale Stimmung bei seiner allgemeinen Hörerschaft anzusprechen. So hat er im September 1924 während seiner Ansprache auf der allgemeinen Sitzung der Innsbrucker Naturforscherversammlung die Übergangs-Wahrscheinlichkeiten, die Bohr-Kramers-Slater-Arbeit, etc. ohne antikausale Bemerkungen übergangen, doch bei der Behandlung der halbempirischen Formeln für die relativen Intensitäten der Spektrallinien ergriff er die Gelegenheit, eine „teleologische Umbildung der Kausalität“ in Aussicht zu stellen. Sommerfeld (1924). Vgl. Anm. 21 und den dazugehörigen Text.

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  241. Born (1928a). Diese Rezension des Buches von Emanuel Lasker [1928] durch Born wurde ausführlich von Bergmann [1929] zitiert. Lasker selbst fühlte sich durch die Relativitätstheorie von den theoretischen Physikern provoziert. In sehr herausforderndem Ton schreibt er: „Der alte Satz ‚aus Nichts wird Nichts ‘wird widerlegt durch die neue Entdekkung, daß das Prinzip der Kausalität nicht gilt. Von wem der geniale Gedanke kam, ist schwer zu sagen. Angefeuert durch den Geist der Zeit des c [der Lichtgeschwindigkeit] kam den Verkündern der neuen Lehre der Einfall, der berufen ist, Weltgeschichte zu machen. Lange wuchs er im geheimen, ward gewogen und erwogen, bis er nun im Handbuche der Philosophie (d. h. in dem in Anm. 176 zitierten Artikel von Weyl [1927a]) seinen Eintritt in das Reich der Wissenschaft gefeiert hat. … Das neue Ergebnis lautet: In der Physik-Chemie gilt das Prinzip der Kausalität nur nach Wahrscheinlichkeit. Die alte Idee der Notwendigkeit, Eindeutigkeit und Regelmäßigkeit der Naturgesetze ist lächerlich. Der Typus des Naturgesetzes ist die Lotterie. … Bis auf weiteres. Es kommt darauf an, was wir beschließen. Wir glauben, prinzipiell, an die Macht der Erfahrung. Unser Konzil entscheidet über den Sinn der Erfahrung: durch Mehrheitsbeschluß. … Leider gibt es einige Experimentatoren, die den Sinn ihrer eigenen Experimente nicht verstehen. Sie streiten noch für die alte, überwundene Anschauung. Starrheit der Denkgewohnheiten! Die Deutung eines Experimentes ist nur denen vorbehalten, die sich auf Experimente verstehen und zugleich eine hochfliegende, weltumfassende Phantasie haben. Die Meinung dessen, der diesen beiden Bedingungen nicht genügt, zählt nicht mit. Der Physiker, der zufrieden ist, zu messen, bleibt Handwerker. Er wird Künstler erst, wenn er auch Philosoph ist. Der Philosoph wiederum ist belanglos, wenn er nicht als experimenteller Physiker abgestempelt ist. Der Physiker-Philosoph allein darf Experimente deuten und werten. … Das wahre Organ des Physiker-Philosophen ist die Erleuchtung. … Wir sind bereit, mit Jedermann zu disputieren, der Physiker und Philosoph ist und unsere Methode anerkennt. Mit anderen zu disputieren, wäre Zeitverlust, und wir haben wahrlich Arbeit genug zu tun, die Wissenschaft in neue Bahnen zu lenken. Gerade jetzt haben wir alle Hände voll, das Prinzip der Kausalität durch ein anderes, das wir postulieren werden, zu ersetzen und unseren Beschluß den Philosophen anzubefehlen.“ (S. 20–22).

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  242. Bohr (1928; S. 245, 252 und 257 der deutschen Fassung). Vgl. Frank (1928b), der nur mit Mühe diesen Begriff bekämpfen konnte, den Adolf Koelsch (1928) zuvor auf heitere Weise in einem Artikel behandelt hatte.

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  243. „Epilogue: A Socratic Dialogue. Planck-Einstein-Murphy.“ Enthalten in Planck (1932a, S. 201–221). Dort S. 201–205. [Es handelt sich hier um eine Rückübersetzung.]

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  244. Schrödinger (1932a).

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  245. Bertalanffy (1927b, S. 653–656). Ebenso Bertalanffy (1927a). Eine etwas feinsinnigere Sicht, die sich ebenfalls nur auf die Quellen vor 1925 stützt, entwickelte Karl Joël (1927, besonders S. 482–487) — Nicht jeder Lebensphilosoph reagierte auf diese Weise. Es scheint in der Tat so, daß sich transzendental idealistische und lebensphilosophisch-existentialistische Philosophen öfters gegen die Versuche der Physiker wehrten, von der Kausalität abzurücken und ihre Rolle des nationalen Seelsorgers umzustürzen. Ein sehr frühes Beispiel finden wir in Kurt Riezler (1923), der 1923 bemerkte, daß die neueren Entwicklungen in der Physik „eine Reihe von Naturforschern veranlaßt, die Hoffnung auszusprechen oder wenigstens anzudeuten, daß an Hand dieser und vielleicht noch zu machender Entdeckungen Begriff und Bereich der Gültigkeit empirischer Naturgesetze in einer Weise umgestaltet werde, die es gestatten würde, die Brücke von dem Geschehen der Natur zu dem Geschehen der Geschichte zu erspähen und so die Kluft zu schließen, die Notwendigkeit und Freiheit zu trennen scheint.“ Riezler schlägt deshalb vor, „die Frage zu prüfen, ob, inwieweit und auf welchem Wege jene Brücke zu der Welt des Geistes und der Freiheit, die manche Naturforscher zu erspähen glauben, gesucht werden kann und darf.” Er gelangt zu dem Schluß, daß der Schuster bei seinem Leisten bleiben sollte, denn „die zweite Voraussetzung [der Naturwissenschaft], die Determination, ist ebenfalls invariabel. Der Naturforscher [hier zitiert er Nernst] der die Bande des Kausalgesetzes gelockert sehen will, sägt den Ast ab, auf dem er sitzt,” während der Philosoph andererseits nicht an eine so enge Weltauffassung gebunden ist. (Riezler (1923, S. 238, 257)). Um 1925 war Riezler jedoch nicht mehr ganz so entschieden: Riezler (1925, S. 143).

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  246. Das Zitat stammt aus Kis [1925, S. 33]. Den ersten ernsthaften Versuch, eine Wiederanalyse des Kausalbegriffes vorzunehmen, um festzustellen, wieviel von ihm beibehalten werden kann, um die Begreifbarkeit der Natur aufrechtzuerhalten, scheint Eino Kaila (1924) unternommen zu haben. Vielleicht müssen wir auch noch Reichenbach (1925b) dazurechnen.

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  247. Lindemann und Simon (1942). Nernst hatte im Sommer 1917 einen Aufruf unterschrieben, in dem eine demokratische Reform in Preußen gefordert wurde. 1926 nahm er an einem Treffen der republikanisch-parlamentarischen Universitätsprofessoren teil: Schwabe [1969, S. 264, Fußnote 229]; Kahl (1926, S. 38–39). Von Mises’ nationalistische Einstellung zeigt sich in seinen wiederholten Förderungen politischer Boykottmaßnahmen gegen internationale Kongresse durch die deutschen Physiker. Siehe z. B. die Briefe Th. von Kármán an von Mises, 11. Dezember 1923 und P. Debye an von Kármán, 1. Mai 1926 und besonders die Korrespondenz zwischen von Mises und L. E. J. Brouwer aus dem Jahre 1928. Es gibt mehrere Hinweise für Max Borns politische Einstellung in seinem Briefwechsel mit Einstein, worin auch einige Proben von Hedwig Borns Poesie wiedergegeben sind. Hermann Weyls erste Einstellung zur deutschen Republik läßt sich einem Briefe vom 16. November 1918 an Einstein entnehmen; sein weiteres Festhalten an der Demokratie wird durch eine Rede nahegelegt, mit der er sich 1930 den Göttinger Mathematik-Studenten vorstellte und aus der er längere Passagen in seinem „Rückblick“ (1955a) zitierte. Dort beschreibt er auch, wie sein Entschluß zur Annahme des Rufes nach Göttingen durch imaginäre Diskussionen mit Jacob Burckhardt und Hermann Hesse beeinflußt wurde. Weyls Frau Helene, eine ehemalige Schülerin von Husserl, übersetzte Ortega y Gasset ins Deutsche. Plancks konservative Haltung ist bekannt; doch er war nicht so konservativ wie öfters behauptet wird. Er und von Laue gehörten in der Weimarer Zeit beide der Deutschen Volkspartei an. (Westphal (1960); Herneck (1969, S. 303–304.)) Schrödingers konservativer Nationalismus geht aus seiner (in Anm. 234 erwähnten) Korrespondenz mit Wilhelm Wien hervor; ganz besonders deutlich wird er in dem Brief vom 26. April 1927, worin er seine Emotionen beim Anblick der deutschen Landschaft nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten beschreibt. Schrödinger verwendete häufig griechische und lateinische Titel für seine Forschungstagebücher; auch von Laue verwendete in seinen Veröffentlichungen öfters altsprachliche Zitate.

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Forman, P. (1994). Weimarer Kultur, Kausalität und Quantentheorie 1918–1927. In: von Meyenn, K. (eds) Quantenmechanik und Weimarer Republik. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83655-7_2

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