Zusammenfassung
Das Untersuchungsrecht des Parlamentes, das sogenannte Enqueterecht und das sich daraus ergebende Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wird in der angelsächsischen Parlamentspraxis als »implied power«, also als ein dem Parlament vorgegebenes Untersuchungsrecht angesehen. Die Preußische Verfassung von 1850 bestimmte in Art. 82: »Eine jede Kammer hat die Befugnis, behufs ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu ernennen.« Die Verfassung von 1871 enthält keine diesbezügliche Bestimmung. Bei der Schaffung der Verfassung von 1919 war es eine Auswirkung des nunmehr geltenden parlamentarischen Systems, daß der Reichstag ein umfassendes Untersuchungsrecht haben wollte. Aber während vorher das Parlament als Ganzes der Regierung gegenüberstand, war dies zwar formell und als Organ weiterhin der Fall, neu war aber, daß die Reichsregierung und die (Koalition) Mehrheit politisch identisch waren und ihnen beiden die Opposition gegenüberstand. Bei der Ausgestaltung der Untersuchungsausschüsse spielte der Einfluß von Max Weber eine bedeutende Rolle. Wegen der Verlagerung des Gegensatzes zwischen Parlament und Regierung in das Parlament selbst, in dem eine regierungstragende Mehrheit einer opponierenden Minderheit gegenübersteht, plädierte er für die Errichtung der Untersuchungsausschüsse als Minderheitsrecht, »schon um gegen jede künftig einmal mögliche Mehrheitswirtschaft« und ihre bekannten Gefahren ein Gegengewicht der Publizität zu bilden. Dadurch sollte der Gefahr begegnet werden, daß eine Mehrheit, deren Vertrauen eine Regierung trägt, nicht bereit ist, an der Aufklärung von Mißständen mitzuwirken, die ihr politisch nachteilig sein könnte. Artikel 34 der Weimarer Verfassung legte daher dem Parlament die Pflicht auf, auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Tatsächlich waren es dann auch meist Minderheitsanträge, auf Grund deren Untersuchungsausschüsse bestellt wurden, und ihr Ziel war überwiegend die Feststellung von Mißständen in Verwaltung und Regierung: die Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse, noch begünstigt durch die Verweisung auf den Strafprozeß, wurde dadurch als Mißstandsuntersuchung geprägt. Die Beweiserhebungsbefugnisse führten zum Konflikt mit Teilen der Justiz, das Minderheitsrecht wurde zu einer Waffe der links- und rechtsradikalen Parteien. Zwar klärte bereits 1926 der 34. Deutsche Juristentag das Verhältnis zur Strafgerichtsbarkeit, indem er die verfassungsmäßige Aufgabe parlamentarischer Untersuchungsausschüsse als Feststellung tatsächlicher Vorgänge durch Beweiserhebung zwecks Vorbereitung einer innerhalb der allgemeinen Zuständigkeit des Parlaments gelegenen Beschlußfassung definierte; das ihnen bereits anhaftende Odium konnte er ihnen aber nicht nehmen.
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Literatur
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Schäfer, F. (1982). Das Untersuchungsrecht des Bundestages. In: Der Bundestag. Demokratie und Frieden, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83643-4_20
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