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Informationspolitik in der Presseberichterstattung: Kommunikationsstrategien bei der Darstellung gesellschaftlicher Konflikte

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Medienkultur — Kulturkonflikt
  • 208 Accesses

Zusammenfassung

“Die Zeitungen sind der Sekundenzeiger der Geschichte. Derselbe ist aber meistens nicht nur von unedlerem Metalle, als die beiden andern, sondern geht auch selten richtig.” In einem pressekritischen Beitrag mag sich Schopenhauers Aperçu ganz effektvoll plazieren lassen. Seine Meßmetaphorik verleitet jedoch leicht zu falschen Analogiebildungen. Zeitungen sind eben keine Zeitmessungen, und die Maßeinheiten für Berichterstattungsgenauigkeit sind noch nicht entdeckt worden. Gegenüber dem Lauf der Dinge befindet sich der Journalist in einer ganz anderen Position als der Zeitnehmer eines 100-Meter-Laufs. Einer der entscheidenden Unterschiede besteht darin, daß journalistische Maßnahmen — im Gegensatz zu Zeitnahmen — dem entsprechenden Geschehen nicht äußerlich bleiben, sondern dessen Dynamik selbst mitbestimmen können. Das Wissen um diese Zusammenhänge, nämlich das Wissen, daß man mit der Presseberichterstattung nicht nur über Politik informieren, sondern, insbesondere in gesellschaftlichen Konfliktsituationen, auch Politik machen kann, ist fast so alt wie die Presse selbst. Immerhin nur ein Jahr jünger als die beiden ältesten Wochenzeitungen „Aviso“ und „Relation“ aus dem Jahre 1609, ist der überlieferte Versuch, durch eine lancierte Pressemitteilung in den sogenannten Habsburger Bruderzwist einzugreifen.1 Für die Publizisten des 17.

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Anmerkungen

  1. Der Wiener Bischof Khlesl, zugleich politischer Berater von König Matthias im sogenannten Habsburger Bruderzwist schlug vor, Informationen zur Kampfbereitschaft und — stärke seines Mandanten “in die Casseta mit gueter manier ein(zu)bringen”, um so die in Prag tagenden Fürsten des Kaiser unter Druck zu setzen und “weit in ein anderes Konzept (zu) bringen” (zitiert nach Blühm/Engelsing 1967, 23/24).

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  2. In der damals geführten Pressedebatte dominiert jedenfalls die Auffassung, “es gebüre(t) dem Post-Meister / als Untertanen zu gehorchen” wenn “es oft geschiehet / der Herr und die Obrigkeit des Ortes befehlen würde / einen nie erhaltenen Sieg / eine vorseyende Belägerung dieser oder jener Festung /... / oder andere Anstalt in die Zeitung zu tragen” (Stieler [1695] 1969, 34).

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  3. Der ehemalige Reporter der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, Herbert Riehl-Heyse hat unter dem Titel “Bestellte Wahrheiten” eine Reihe informationspolitischer Manöver aus dem eigenen Erfahrungsschatz beschrieben (vgl. Riehl-Heyse 1989).

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  4. Um Libyens Staatschef Gaddhafi zu verunsichern gab die US-Regierung nicht einfach eine Falschmeldung über eine bevorstehende militärische Auseinandersetzung mit Libyen heraus, sondern lancierte Verlautbarungen darüber mit einer Geheimhaltungsklausel. Den dahinterstehenden strategischen Trick beschrieb der damalige US-Außenminister Schultz mit seltener Deutlichkeit: “Ihr (die Jounalisten, d.V.) laßt die Regierung nichts Geheimes tun, wenn es euch möglich ist. Wenn wir also etwas zum großen Geheimnis machen und ihr könnt drankommen, veröffentlicht ihr es. Je höher die Klassifizierung, um so schneller berichtet ihr. In dem Sinne seid ihr berechenbar.” (FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 6.10.1987, 3).

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  5. Zur Gegenüberstellung von synchronischen und diachronischen Theorien bzw. zur Klärung der Begriffe Struktur und Dynamik vgl. Ballmer 1985, Strecker 1987, Fritz 1989.

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  6. Vgl. beispielsweise Noelle-Neumann 1973, 26–55.

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  7. Vgl. Fowler/Kress 1979; Good 1983; Kress 1983; Menz 1989.

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  8. Ausgehend von der Einsicht, daß “journalism is a curriculum and not merely a series of news flashes”, warnt Carey vor einer partikularistischen Verfahrensweise: “The most important descriptions and explanations of journalism are lost when they are sliced into daily fragments, thin tissue cultures of reality, disconnected from a narrative framework” (Carey 1986, 194 und 158).

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  9. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen der Pressekritik findet sich in Bucher 1991, Kp. 2.

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  10. In Bucher 1991 sind die theoretischen Grundlagen einer kommunikationsanalytischen Pressekritik ausführlich dargestellt. Außerdem werden dort Grundlagen einer journalistischen Ethik diskutiert, von denen eine linguistische Pressekritik ausgehen kann.

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  11. Beide Stellungnahmen finden sich in der ZEIT vom 9.5.1986.

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  12. Vgl. G. Anders: Gewalt Ja oder Nein, München 1987

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  13. G. Anders: Zehn Thesen zu Tschernobyl. In: “tageszeitung” vom 3.6.1986, 8.

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  14. Vgl. Frankfurter Rundschau vom 21.5.1986, 1: “München: Polizisten hätten schießen dürfen”; Panorama 17.6.1986.

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  15. Insbesondere die ethnomethodologisch orientierte Presseforschung hat diesen Bereich, z.T. durch teilnehmende Beobachtung, untersucht: vgl. Fishman 1980; Tuchman 1978.

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  16. Die Forderung nach Transparenz der Informationsbeschaffung gehört zu den ältesten Qualitätsansprüchen gegenüber der Zeitung und spielt in der pressekritischen Diskussion des 17. Jahrhunderts auch für die Frage der Verläßlichkeit von Presseberichten eine wichtige Rolle — vgl. Stieler 1969 [1695], 57 und Hartnack 1688, 89/90.

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  17. Zähleinheiten der Inhaltsanalyse waren die Zeilen, was für zeitungsinterne Auswertungen ausreicht. Für einen Zeitungsvergleich müßte man als Zähleinheit natürlich das einzelne Wort heranziehen.

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  18. Enzensberger hat dieses Verfahren als “Technik des Rösselsprungs” bezeichnet: “Die Zeitung setzt beim Leser unverfroren voraus, was sie ihm überhaupt nicht mitgeteilt hat” (Enzensberger 1964, 46).

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  19. Da bei der Wiedergabe der Polizei-Version der Konjunktiv verwendet wird, könnte man annehmen, die FRANKFURTER RUNDSCHAU wäre eher der Augenzeugenversion zugeneigt. Andere Textstellen legen jedoch eher den Befund nahe, daß der Konjunktiv nicht systematisch als Distanzierungsmittel verwendet wird.

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  20. Zu einem ähnlichen Konsonanz-Befund, der auch den intermedialen Zusammenhang von Presse und Fernsehen einschließt, gelangen Halloran/Elliott/Murdock in ihrer Untersuchung der Berichterstattung über eine Vietnamdemonstration im Jahre 1968. Sie stellen fest, daß Zeitungsleser und Fernsehzuschauer nicht verschiedene Darstellungen des Ereignisses erhalten, sondern “basically the same interpretation which focused on the same limited aspect — the issue of violence” (301). In ihrer kommunikationsgeschichtlich angelegten Studie — sie berücksichtigen einen Berichterstattungszeitraum von zwei Wochen — erklären sie die Konsonanz als “cumulative developement of common themes and a basic image for the story” (306). Die Wirksamkeit von “preexisting images” als “underlying frame of mind” zeigt sich aus ihrer Sicht darin, daß “in the ‘build-up’ period the selection of stories for publication was itself an important factor in developing the image of the event” (Halloran/Elliott/Murdock 1970, 306).

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Ernest W. B. Hess-Lüttich

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Bucher, HJ. (1992). Informationspolitik in der Presseberichterstattung: Kommunikationsstrategien bei der Darstellung gesellschaftlicher Konflikte. In: Hess-Lüttich, E.W.B. (eds) Medienkultur — Kulturkonflikt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83613-7_13

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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