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Institutionen und Institutionalisierung als Gegenstand empirischer Forschung

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Institutionalisierung psychosozialer Versorgung
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Zusammenfassung

In die Diskussion um institutionelle Problemlösungsversuche der Bearbeitung psychischen Leidens wurde der Begriff der Institution eingeführt, ohne ihn zunächst systematisch aufzunehmen. Er gehört zu jenen vom Ursprung her aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und Perspektiven stammenden Begriffen, die im Sprachgebrauch in diesem Feld veralltäglicht wurden — man weiß, “was gemeint ist”. “Institution” stellt eine Art Verständigungsbegriff dar, der über die Grenzen der hier (im Feld psychosozialer Versorgung) zusammentreffenden Perspektiven hinweg Kommunikation erlaubt. Als solcher meint er eine Organisation, einen Betrieb, eine Einrichtung schlechthin, “die nach bestimmten Regeln des Arbeitsablaufes und der Verteilung von Funktionen auf kooperierende Mitarbeiter (im Rahmen eines größeren Organisationssystems) eine bestimmte Aufgabe erfüllt” (Hartfiel 1976, S. 308).

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Notes

  1. In seiner bekannten Analyse — Asyle — schreibt Goffman (1972): “Soziale Einrichtungen — in der Alltagssprache Anstalten (institutions) genannt — sind Räume, Wohnungen, Gebäude oder Betriebe, in denen regelmäßig eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt wird. Die Soziologie bietet dafür keine wirklich zutreffende Definition” (a.a.O., S. 15). Zu der von ihm entwickelten Kategorie der “totalen Institution” vgl. auch Kap. 2.2.

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  2. Dies gilt vor allem für die von uns untersuchten Institutionen, die mit (teil-)stationärer Unterbringung arbeiten und auf vergleichsweise langfristige Behandlung abstellen. In etwas anderer Form dürfte dies aber auch für die ambulante Betreuung und Beratung bei psychischen Problemen zutreffen.

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  3. Damit ist auch gleichzeitig ein Problem dieses Begriffs gekennzeichnet: seine Breite. So schreibt Mühlmann im “Wörterbuch der Soziologie”: “Der Anwendungsbereich des Terminus I. ist freilich schwankend, es fallen darunter Gestalten mit unübersehbarem Kleingruppenhintergrund (wie z.B. Ehe und Familie) andererseits auch’ große’, z.T. hochkomplexe Systeme: Vertrags-und Verwaltungsformen, Phänomene wie Gastrecht, Asyl, Schuldknechtschaft, Sklaverei, Feudalismus, Herrschaftsformen (u.a. Bürokratie), Marktformen, die’ Stadt’ u.a.m. Auch die Abgrenzung gegen den Brauch kann fraglich sein” (Bernsdorf 1972, S. 371f.).

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  4. Der Begriff der Vergesellschaftung ist hier im Sinne Simmeis gebraucht: “Ich bezeichne nun alles das, was in den Individuen, den unmittelbar konkreten Orten aller historischen Wirklichkeit, als Trieb, Interesse, Zweck, Neigung, psychische Zuständ-lichkeit und Bewegung derart vorhanden ist, das daraus oder daran die Wirkung auf andere oder das Empfangen ihrer Wirkungen entsteht — dieses bezeichne ich als den Inhalt, gleichsam die Materie der Vergesellschaftung. An und für sich sind diese Stoffe, mit denen das Leben sich füllt, diese Motivierungen, die es treiben, noch nicht sozialen Wesens (…) vielmehr sie bilden diese erst, indem sie das isolierte Nebeneinander der Individuen zu bestimmten Formen des Miteinander und Füreinander gestalten, die unter den allgemeinen Begriff der Wechselwirkung gehören. Die Vergesellschaftung ist also die, in unzähligen verschiedenen Arten sich verwirklichende Form, in der die Individuen aufgrund jener (…) Interessen zu einer Einheit zusammenwachsen und innerhalb derer diese Interessen sich verwirklichen” (Simmel 1908, S. 5). Wann immer wir den Begriff der “Vergesellschaftung” im Tönnies-und Weberschen Sinne benutzen, wird darauf explizit hingewiesen.

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  5. Die Theorie der sozialen Verbundenheiten ist bei Tönnies eng mit der Willenstheorie verbunden — Gemeinschaft und Gesellschaft definieren sich über die in ihnen vorherrschenden Willensformen: “Ich nenne nun alle Arten Verbundenheit, in denen Wesenwille überwiegt, Gemeinschaft, alle, die durch Kürwillen gestaltet werden oder wesentlich bedingt sind, Gesellschaft, so daß diese beiden Begriffe die Modalitäten der Verbundenheit ihrem Wesen und ihrer Tendenz nach bedeuten” (Tönnies 1931, S. 186). “Wesenwille” zielt dabei auf das “gefühlshafte” Wollen und Handeln, aber auch auf Tradition und Gesinnung (“vererbte Denk-und Empfindungsweisen”), der Kürwille stellt ab auf den “rationalen Willen”. Diese Kategorien stellen sich nicht als Alternativen sozialen Lebens dar bzw. geht es dabei nicht von vornherein um eine Überbewertung von “Gemeinschaft” — menschliche Bedürfnisdisposition zielt auf (“will”) “Gemeinschaft” und “Gesellschaft”.

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  6. Eine in diesem Sinne problematische Rezeption, die diese “Normalbegriffe” in dem Sinne interpretierten, es hätte Gemeinschaft und Gesellschaft “wirklich gegeben” (so H. Plessner 1955) ist sicherlich durch den Mißbrauch, der in der Zeit des Nationalsozialismus mit diesem Begriff betrieben wurde, gefördert worden. Viele Beiträge in dem F. Tönnies gewidmeten Heft der KZfSS (1955) durchzieht dieses grundlegende Mißverständnis.

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  7. Wir beziehen uns hier vor allem auf die von Clausen u.a. herausgegebenen Bände (1981 u. 1985) sowie auf Cahnmann (Hrsg.) 1973.

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  8. Zur Einheit von Produkt und Prozeß in einer etwas anders gerichteten Nuancierung vgl. Schülein 1987, S. 128.

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  9. In ähnliche Richtung geht auch die Formulierung bei Oevermann u.a.: “Von einer Struktur läßt sich (…) erst dann sprechen, wenn man ihren Prozeß der Reproduktion kennt, wenn man über die Rekonstruktion der diese Reproduktion kennzeichnenden Transformationsgesetze verfügt” (Oevermann u.a. 1979, S. 423). Wir ziehen es hier aber vor, nicht von “Gesetzen” zu sprechen, sondern es bei “Mustern” generativer Regeln zu belassen.

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  10. Die Untersuchung von Hergrüter (1983) entspricht dem Gegenstandsbereich dieser Studie in weiten Bereichen, bezieht sich aber auf Einrichtungen in Großbritannien. Auf diese Untersuchung komme ich zurück.

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  11. Diese umfassen in der Definition von Plake neben Schulen und Bildungseinrichtungen auch Sozialtherapie in Gefängnissen und psychiatrischen Anstalten: “Als Sozia-lisationsorganisationen sollen soziale Gebilde gekennzeichnet werden, die einen abgrenzbaren Kreis von Personen mit dem Ziel einer auf externe Normen und Verhaltensweisen bezogenen psychischen Veränderung induzieren.” (Plake 1981, S. 22).

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  12. Vgl. zur umfassenden Diskussion des Begriffs Plake 1981, S. 13ff.

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  13. Weitere klassisch gewordene Untersuchungen zur Psychiatrie bzw. zu den Hauptaspekten von “Irrenanstaltlichkeit” liegen vor mit Stanton/Schwartz 1954, Caudill 1958, Barton 1959, Strauss et.al. 1964, Rosenhan 1973 u. 1979.

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  14. Diese Kritik bezieht sich vor allem auf seine Zurückhaltung hinsichtlich praktisch-politischer Folgen, aber auch auf seine Erhebungsweise und Art der Interpretation; vgl. dazu Schülein 1987, S. 107, Bopp 1980, S. 76, Jervis 1978, S. 130, Jones/Fowles 1984, S. 9ff. Zum Methodischen: Cicourel 1973, S. 162ff.

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  15. In Frankreich z.B.: Lapassade 1972 sowie — etwas anders gerichtet — die “psychothérapie institutionelle”. Eine Darstellung dieser Konzeption gibt Hofmann 1983. In Italien erschien 1968 “Die negierte Institution” von Basaglia und seinen Mitarbeitern, eine Arbeit, die sich als “Feldzug gegen die Institutionen, die Psychiatrie” (a.a.O., S. 7) verstand. Ähnlich auch Jervis 1971 und 1978. In England wurde das Konzept der “Antipsychiatrie” vor allem von Cooper (1971 u. 1973) entwickelt. Laing hat diese Bezeichnung abgelehnt, steht aber ebenfalls in dieser Tradition; vgl. Laing 1972, sowie Cooper/Laing 1973. In Deutschland war diese Bewegung sehr viel weniger radikal und ist mit den Arbeiten von Wulff 1977 sowie Dörner 1975, Finzen 1974 verbunden.

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  16. Der Begriff der Antipsychiatrie erweist sich bei näherem Hinsehen als ungenau, unterstellt eine Übereinstimmung in den verschiedenen Ansätzen, die nicht besteht. Zum Begriff der Antipsychiatrie vgl. ausführlich: Bopp 1980, S. 10ff. sowie Jervis 1978, S. 65ff.

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  17. Z.B. Klockmann 1982, Meine-Hagemann u.a. 1979, Autorengruppe Häcklingen/Uelzen 1982, Köppelmann-Baillieu 1981 sowie verschiedene Tätigkeitsberichte von Modelleinrichtungen gemeindepsychiatrischer Arbeit. Diese Arbeiten sind nicht im eigentlichen Sinne Evaluationen, sondern eben Berichte und Erfahrungen, die neue Fragen aufwerfen.

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  18. Die “therapeutische Gemeinschaft” geht auf Reformbestrebungen vor allem in der englischen Psychiatrie zurück; ihre Entstehung ist eng mit den sozialen, politischen und psychischen Erschütterungen verbunden, die der Zweite Weltkrieg mit sich brachte. Die traditionelle Anstaltspsychiatrie war den sich daraus ergebenden Aufgaben nicht gewachsen; vor diesem Hintergrund suchten Psychiater neue Möglichkeiten. Wegbereiter der therapeutischen Gemeinschaft war vor allem Jones (1952), Maine (1946), Sullivan (1930). Ziel der “therapeutischen Gemeinschaft” ist es, daß die gesamte Institution durch gezielte Veränderungen therapeutische Qualität erhält, nicht nur der einzelne Psychiater oder Pfleger. Rapaport kennzeichnete dieses Programm der therapeutischen Gemeinschaft als “community as a doctor” (Rapaport 1960). Die ersten Versuche mit der “therapeutischen Gemeinschaft” fielen damit in eine Zeit, als die Untersuchungen über die Binnenstrukturen der psychiatrischen Anstalten — wie etwa die von Goffman und Barton — noch nicht vorlagen. Die Grundprinzipien liegen vor allem in Abbau von Hierarchie, Zusammenarbeit im Kollektiv, offene Bearbeitung personaler und interpersonaler Probleme, Kritik nach allen Seiten, Toleranz, Stärkung individueller Verantwortlichkeit. Ein Überblick über die Formen der therapeutischen Gemeinschaft gibt Krüger 1979.

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Gildemeister, R. (1989). Institutionen und Institutionalisierung als Gegenstand empirischer Forschung. In: Institutionalisierung psychosozialer Versorgung. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83601-4_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83601-4_3

  • Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden

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  • Online ISBN: 978-3-322-83601-4

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