Das Fiasko von Entwicklungstheorien oder: Paradoxien der industriellen Entwicklung im tropischen Regenwald Brasiliens

Zusammenfassung

Eine Bestandsaufnahme der Anstrengungen zur “Inwertsetzung” des brasilianischen Amazonasgebiets, insbesondere die Beschreibun und Bewertung der etwa 800.000 qkm großen Entwicklungsregion “Grande Carajás” im östlichen Amazonien, kann nur Widersprüchliches zu Tage Ordern. Auf der einen Seite Großprojekte zur Extraktion der mineralischen (Eisenerz, Bauxit, Mangan), agrarischen (Viehwirtschaft, Reis, Maniok) und energetischen (Wasserkraft) Ressourcen, die als weltmarktorientierte Enklaven ökonomisch durchaus erfolgreich sind und allen Kriterien okzidentaler Modernität (mit modernster Technologie, urbaner Lebensform und entwickelten Konsumstandards) Genüge tun, und in der Nachbarschaft dieser Enklaven soziales Elend, urbane Degradation, ökologische Verwüstung, politische Gewalt, ökonomische Stagnation (vgl. Kohlhepp 1984, 1986, Bunker 1985, Moran 1984, Altvater 1987), die alle Ingredienzien der Zersetzung traditionaler Gesellschaftsstrukturen ohne Perspektive der Modernisierung enthalten. Ist dies der Fehlplanung brasilianischer Militärs geschuldet, die das Land in den 70er Jahren par force zu einer “grande potencia” entwickeln wollten, auch indem sie die unermeßlichen Reichtümer natürlicher Ressourcen auf dem Weltmarkt zu Devisen machten, und mit dieser Strategie in den 80er Jahren in die “Weltmarktfalle” sinkender Rohstoffpreise und steigender Zinsen liefen? Oder war die “Fehlplanung” nachgerade notwendiges Resultat bei der Verfolgung eines entwicklungspolitischen Projekts, das auf eine Form von “Modernisierung” durch fordistische Industrialisierung zielte, die in den entwickelten kapitalistischen Ländern derzeit “post-modern” und “post-industriell” umgemodelt wird?