Zusammenfassung
Der folgende Beitrag — aus den verschiedensten, meist biographischen Gründen in seiner Fertigstellung immer wieder behindert und abgebrochen — hat im Laufe seiner Bearbeitung einen Wandel in seiner Zielsetzung durchlebt, der vom Laufe der theoretischen Diskussion in der Kriminalsoziologie bestimmt wurde. Der ursprüngliche Plan, die theoretischen Elemente des Symbolischen Interaktionismus in neueren Theorien des abweichenden Verhaltens an Hand des Definitionsansatzes, des labeling-Ansatzes, des Reaktionsansatzes - oder wie immer man ihn nennen will1 — darzulegen und zu systematisieren, erwies sich z. T. deshalb als unbrauchbar, weil in der Zwischenzeit eine solch breite Diskussion dieses Ansatzes — in Deutschland vermittelt durch die außerordentlich fruchtbare Aufarbeitung der amerikanischen Arbeiten durch Fritz Sack 2 — eingesetzt hatte, daß von der Notwendigkeit der systematischen Darstellung dieser Theorie nicht mehr die Rede sein konnte 3. Zwar zeugte die Diskussion z. T. von beträchtlicher Unkenntnis der weiteren theoretischen Hintergründe dieses Ansatzes, aber eine intensive Diskussion dieser Mißverständnisse bzw. ihre Ausräumung durch eine umfassende Darstellung wäre im Rahmen eines Aufsatzes allein schon aus Raumgründen nicht möglich. Im folgenden geht es daher nicht so sehr um eine systematische theoretische Diskussion des Definitionsansatzes, sondern um eine kritische Analyse der Reaktionen auf diesen Ansatz und - soweit es nötig scheint - eine Weiterführung der Kritik. Dabei wollen wir uns zunächst intensiver mit der Kritik aus marxistischer Perspektive beschäftigen, alsdann mit den Kritiken des labeling-approach, um uns schließlich in aller Kürze einer Kritik an empirischen Forschungen zum Definitionsansatz zuzuwenden.
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Anmerkungen
Eine Einheitlichkeit der Bezeichnung ist nodi nicht in Sicht. Sack selbst hat sich in seinem Beitrag Definition von Kriminalität als politisches Handeln: der labeling approach, in: Kriminologisches Journal 4 (1972), S. 3–31, hier S. 4, von dem im Titel des Aufsatzes gewählten Terminus labeling approach abgesetzt und schlägt die Bezeichnung marxistisch-interaktionistisdi vor (zum Streit um diesen Vorschlag siehe weiter unten). Hans Haferkamp (Kriminalität ist normal, Stuttgart 1972, an verschiedenen Stellen) verwendet ebenso wie Werner Springer (Kriminalitätstheorien und ihr Realitätsgehalt, Stuttgart 1973) die Bezeichnung Definitionsansatz, während Ulrich Eisenberg (Einführung in die Probleme der Kriminologie, München 1972, S. 36–39) es bei dem etablierten labeling approach beläßt und Günther Kaiser (Kriminologie. Eine Einführung in die Grundlagen, Karlsruhe 1971) im Sprachgebrauch wechselt. Zur Zeit scheinen uns keine einleuchtenden Gründe vorzuliegen, einer der vielen Bezeichnungen den Vorzug zu geben. Dies gilt auch für die Bezeichnung Reaktionsansatz, die in neueren Arbeiten ebenfalls auftaucht (vgl. z. B. Christel Faber, Macht, Herrschaft, soziale Klassen als vernachlässigte Dimensionen in der Erklärung abweichenden Verhaltens durch Definitionsprozesse. Eine Kritik des Reaktionsansatzes aus marxistischer Perspektive, Diplomarbeit an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, WS 1972/73).
Fritz Sacky Neue Perspektiven in der Kriminologie, in: ders. und René König, Hrsg., Kriminalsoziologie, Frankfurt/M. 1968, S. 431–475; Fritz Sack, Probleme der Kriminalsozio-logie, in: René König, Hrsg., Handbuch der empirischen Sozialforschung, Bd. 2, Stuttgart 1969, S. 961–1049; sowie Fritz Sack, Neuere Ergebnisse der kriminologischen Forschung aus den USA, in: Hans Göppinger und Hermann Witter, Hrsg., Kriminologische Gegenwartsfragen, Heft 9, Stuttgart 1970, S. 44–66.
Das soll nicht heißen, daß von der Mehrheit der etablierten Kriminologen die Diskussion ebenfalls rezipiert worden ist. Im Gegenteil: Während z. B. Günther Kaiser an der Auseinandersetzung lebhaften Anteil nahm und wiederholt dezidiert dazu Stellung bezog (s. Anmerkung 1), zeichnen sich andere Kriminologen in ihren Lehrbüchern durch Ignoranz bzw. Arroganz gegenüber neuen Ansätzen aus, so z. B. Hilde Kaufmann in ihrem Lehrbuch (Hilde Kaufmann, Kriminologie, Bd. I. Entstehungszusammenhänge des Verbrechens, Stuttgart-Berlin-Köln -Mainz 1971) und Hans Göppinger, der sich in der Einführung zu seinem Lehrbuch zu folgender Formulierung versteigt: Es wurde auch nicht auf alle Ansätze eingegangen. So bleibt z. B. die Problematik des Interaktions-, Stigmatisierungs- bzw. Selektionsansatzes unberücksichtigt, nicht zuletzt, weil zur Zeit zu wenig gesichertes Wissen darüber vorliegt und weil wir selbst auf Grund unserer bisherigen Untersuchungen erfahrungswissenschaftlich noch nicht dazu Stellung nehmen können (Hans Göppinger, Kriminologie. Eine Einführung, München 1971, S. XV III ).
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft oder: Wie alt ist die neue Kriminologie?, in: Kritische Justiz, Heft 3, 1972, S. 221–252.
Vgl. u. a. Autorenkollektiv: Rose Ahlheim, Wilfried Hülsemann, Helmut Kapczynski, Manfred Kappeler, Manfred Liebel, Christian Marzahn und Falco Werkentin, Gefesselte Jugend. Fürsorgeerziehung im Kapitalismus, bes. Kapitel 2, S. 66–150, Frankfurt 1971; Falco Werkentin, Kriminalität und Verwahrlosung in der Klassengesellschaft — Anmerkungen zur bürgerlichen Kriminologie T. Mosers, in: Erziehung und Klassenkampf, Nr. 4, 1971, S. 49–63.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 227–228.
Ebd., S. 228–229.
M. E. kommt auch den meisten von Norbert Reich zusammengestellten und herausgegebenen Texten zur marxistischen und sozialistischen Rechtstheorie in bezug auf diesen Punkt keine zwingende Beweiskraft zu; immerhin machen sie die erste These entschieden plausibler. Vgl. Norbert Reich, Hrsg., Marxistische und sozialistische Rechtstheorie, Frankfurt/M. 1972.
Von frappierender Unkenntnis der bürgerlichen Kriminalsoziologie zeugt übrigens, wenn die Autoren (S. 233) großzügig konzedieren, daß die bürgerliche Wissenschaft die Destruierung der genannten Theorien inzwischen selbst übernommen habe. Schließlich finden sich überaus scharfe Angriffe gegen kriminalbiologische Restaurierungsversuche schon in den dreißiger Jahren in den USA. Vgl. u. a.: Alfred Lindesmith und Yale Levin, The Lombrosian Myth in Criminology, in: AJS 42 (1937), S. 653-671. Auf der anderen Seite sollte hier nicht unerwähnt bleiben, daß die sog. Sozialistische Kriminologie mit ihrer überaus starken psychologisierenden Perspektive oft knapp an kriminalbiologische Argumentationen angrenzt. Vgl. u. a. Erich Buchholz, Richard Hartmann, John Lekschas und Gerhard Stiller, Sozialistische Kriminologie. Ihre theoretische und methodologische Grundlegung, Berlin 1971, spez. S. 229–294.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizei-wissenschaft…, a. a. O., S. 236.
René König, Einige Bemerkungen zur Stellung des Problems der Jugendkriminalität in der allgemeinen Soziologie, in: Peter Heintz und René König, Hrsg., Soziologie der Jugendkriminalität, Sonderheft 2 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 5 Aufl. Köln-Opladen 1971 (zuerst 1957 ), S. 1–11.
Ebd., S. 6.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizei-wissenschaft…, a. a. O., S. 240.
Ebd,
René König, Der Mensch in der Sicht des Soziologen, in: ders., Soziologische Orientierungen, Köln-Berlin 1965, S. 29 - 44.
Ebd., S. 31.
Ebd.
René König, Einige Bemerkungen.. a. a. O., S. 7–11. Das gilt auch für Königs Beitrag Der Mensch in der Sicht des Soziologen, a. a. O., S. 39 u. 41.
René König, Der Mensch in der Sicht des Soziologen, a. a. O., S. 43.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 240-241. Hervorhebungen durch den Autor.
René König, Der Mensch in der Sicht des Soziologen, a. a. O., S. 44.
René König, Der Mensch in der Sicht des Soziologen, a. a. O., S. 41.
Ebd. (Hervorhebungen durch den Autor).
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizei-wissenschaft…, a. a. O., S. 241.
Ebd., S. 241.
Neil J. Smelser, Social Change in the Industrial Revolution, Chicago 1959.
Wilbert E. Moore, Social Change, Englewood Cliffs, N.J., 1963.
Robert F. Berkhofer, A Behavioral Approach to Historical Analysis, New York 1969.
Vgl. z. B. David L. Sallach, Critical Theory and Critical Sociology: The Second Synthesis. Paper presented at the 1971 meetings of the Society for the Study of Social Problems.
Lewis A. Coser, Einige Funktionen abweichenden Verhaltens und normativer Flexibilität, in: Fritz Sack und René König, Hrsg., Kriminalsoziologie, a. a. O., S. 21–37, hier S. 22.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft..S. 242.
Ebd., S. 242. 88 Ebd., S. 242.
Fritz Sack, Probleme der Kriminalsoziologie, a. a. O., S. 994 f.
Vgl. u. a. Edwin M. Schur, Crimes Without Victims, Englewood Cliffs, N.J., 1965; Edwin M. Schur, Narcotic Addiction in Britain and America, Bloomington, In., 1962; Edwin M. Schur, Unnecessary Crimes: The Perils of Overlegislating, in: ders., Our Criminal Society, The Social and Legal Sources of Crime in America, Englewood Cliffs, N.J., 1969, S. 191–228; Howard S. Becker, Outsiders, London 1963.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 242.
René König, Das Recht im Zusammenhang der sozialen Normensysteme, in: Ernst E. Hirsch und Manfred Rehbinder, Hrsg., Studien und Materialien zur Rechtssoziologie, Sonderheft 11 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 2. Aufl. Köln-Opladen 1971 (zuerst 1967 ), S. 36–53.
Dieses Sack-Zitat wird von den Autoren als formal korrekt bezeichnet (F. Werkentin, M. Hofferbert und M. Baurmann, Krinologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 243).
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 243.
Ebd.
Vgl. u. a. Joachim Israel, Der Begriff Entfremdung, Reinbek 1972.
Vgl. Edwin M. Lemert, Social Pathology, New York 1951; Edwin M. Lemert, Human Deviance, Social Problems, and Social Control, Englewood Cliffs, N.J., 1967. Bei Lemert wird nicht endgültig klar, ob er nicht in gewisser Hinsicht dodi ein Vertreter des normativen Paradigmas ist, also Abweichung auch ohne Eintreten von gesellschaftlichen Reaktionsprozessen als gegeben annimmt, wenn gegen Normen verstoßen worden ist.
Howard S. Becker, Outsiders, a. a. O., S. 9.
Fritz Sack, Neue Perspektiven in der Kriminologie, a. a. O., S. 470; aber abweichend davon Günter Albrecht und Fritz Sack, Die Polizei als gesellschaftliche Kontrollinstanz der Kriminalität, in: Kriminologisches Journal 1 (1969), S. 24–30, bes. S. 25–26.
Howard S. Bedeer, Outsiders, a. a. O., S. 9.
Fritz Sack, Neue Perspektiven…, a. a. O., S. 470.
Günter Albrecht und Fritz Sack, Die Polizei…, a. a. O., S. 26.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizei-wissenschaft…, a. a. O., S. 244.
Vgl. u. a. Kurt Weis und Renate Müller-B agehl, Private Strafanzeigen. Beitrag zum Treffen des AJK, Bielefeld 1971 (vervielfältigtes Manuskript).
Vgl. Edwin M. Schur, Crimes Without Victims, a. a. O.
A. Turk, Prospects for Theories of Criminal Behavior, in: Mark Lefton, James K. Skipper, Jr., und Charles H. McCaghy, Hrsg., Approaches to Deviance, New York 1968, S. 364.
Howard S. Becker, Outsiders, a. a. O.
Fritz Sack, Definition von Kriminalität als politisches Handeln: der labeling approach, in: Kriminologisches Journal 4 (1972), S. 3–31, hier S. 15–16.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 245.
Jack P. Gibbs, Conceptions of Deviant Behavior: The Old and the New, in: Pacific Sociological Review 9 (1969), S. 9-14; Jack P. Gibbs, Issues in Defining Deviant Behavior,in: Robert A. Scott und Jack D. Douglas, Hrsg., Theoretical Perspectives on Deviance, New York-London 1972, S. 39–68.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 245.
Ebd., S. 245–246.
Ebd., S. 247.
Ebd., S. 247.
Ebd., S. 248. 00 Ebd., S. 249.
Vgl. z. B. die weitgehende Berücksichtigung der Subkulturansätze im labeling-Ansatz und die starke Betonung des Alltagslebens der Devianten für die Devianzanalyse in der Ethno- methodologie, die wir hier für den Definitionsansatz mit in Beschlag nehmen wollen. Als Beispiel für entsprechende Arbeiten seien die Beiträge in einem wichtigen Sammelwerk von Jack D. Douglas, Hrsg., Understanding Everyday Life. Toward the Reconstruction of Sociological Knowledge, London 1971, genannt.
Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O., S. 249.
Ebd., S. 249.
Ebd., S. 227.
Wollte man die Arbeit dieser Autoren einmal ernsthaft auf ihre Praxisperspektiven hin analysieren, so zeigt sich die ganze Schwäche dieser abstrakten Diskussion und die Hilflosigkeit der Autoren, revisionistische Praxis zu vermeiden.
Vgl. u. a. Jack P. Gibbs, Conceptions of Deviant Behavior: The Old and the New, in: Pacific Sociological Review 9 (1969), S. 9-14; ders., Issues in Defining Deviant Behavior, in: Robert A. Scott und Jack D. Douglas, Hrsg., Theoretical Perspectives on Deviance, New York-London 1972, S. 39 - 68.
Jack P. Gibbs, Conceptions of Deviant Behavior…, a. a. O.; ders., Issues in Defining…, a. a. O., S. 41 f.
Jack P. Gibbs, Conceptions of Deviant Behavior…, a. a. O., S. 13.
Howard S. Becker, Outsiders…, a. a. O., S. 20–21.
Jack P. Gibbs, Conceptions of Deviant Behavior…, a. a. O., S. 11.
Vgl. z. B. John Kitsuse, Societal Reaction to Deviant Behavior: Problems of Theory and Method, in: Social Problems 9 (1962), S. 247-256; wieder abgedruckt in: Howard S. Becker, Hrsg., The Other Side, New York 1964, S. 87-102; hier S. 248, der betont, daß es unbedingt erforderlich sei, daß die Soziologen das als problematisch ansehen, was sie sonst als gegeben akzeptierten, nämlich daß Verhaltensweisen an sich deviant sein könnten.
Vgl. z. B. Willard Waller, Social Problems and the Mores, in: American Sociological Review 1 (1936), S. 922–933, hier speziell S. 922–923; vgl. Edwin M. Schur, Narcotic Addiction in Britain and America, a. a. O.
Vgl. z. B. /. L. Simmons, Public Stereotypes of Deviants, in: Social Problems 13 (1965), S. 223–232, hier S. 225; sowie ders. y Deviants, Berkeley 1969.
Vgl. z. B. Harold Garfinkel, Conditions of Successful Degradation Ceremonies, in: American Journal of Sociology 61 (1956), S. 420–424; Anselm Strauss, Transformations of Identity, in: Arnold M. Rose, Hrsg., Human Behavior and Social Processes, Boston 1962, S. 63–85.
Vgl. z. B. Paul M. Roman und Harrison M. Trice, Normalization: A Neglected Complement to Labeling Theory. Paper Presented in the Section Social Deviance, American Sociological Association, Denver, August 31, 1971; Harrison M. Trice und Paul Michael Roman, Delabeling, Relabeling and Alcoholic Anonymous, in: Social Problems 17 (1970), S. 538–546.
Vgl. z. B. Joan K. Jackson, The Adjustment of the Family to the Crises of Alcoholism, in: Quarterly Journal of Studies on Alcohol 15 (1954), S. 564–586; auszugsweise in: Earl Rubington und Martin S. Weinberg, Hrsg., Deviance. The Interactionist Perspective, New York-London 1968, S. 50–66.
Vgl. u. a. z. B. Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kriminologie als Polizeiwissenschaft.., a. a. O.
Es sei jedoch schon hier kritisch angemerkt, daß die interaktionistische Perspektive nur zu häufig die Vertreter dieses Ansatzes dazu verleitet, sich bei der Analyse des sozialen Kontextes auf den Mikrobereich zu beschränken. Dazu weiter unten.
Richard Lichtman, Symbolic Interactionism and Social Reality: Some Marxist Queries, in: Berkeley Journal of Sociology 15 (1970), S. 75–94.
Peter L. Berger und Thomas Luckmann, The Social Construction of Reality. A Treatise in the Sociology of Knowledge, Garden City-New York 1967; deutsch: Die gesellschaftliche Kon-struktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt/M. 1969.
Herbert Blumer, Symbolic Interactionism, Englewoos Cliffs, N.J., 1969.
Richard Lichtman, Symbolic Interactionism and Social Reality…, a. a. O., S. 76–77.
Ebd., S. 75.
Ebd., S. 77.
Bezeichnend ist u. E., daß - nach unserer Kenntnis der Literatur - bei keinem dieser Theoretiker die vorzügliche theoretische Arbeit von George J. McCall und /. L. Simmons, Identities and Interactions, New York-London 1966, die an analytischer Schärfe, Forschungs- bezogenheit etc. für den genannten Bereich ihresgleichen sucht, Beachtung gefunden hat.
Vgl. dazu die insgesamt sehr gute Arbeit von Ulrich Gerke, Das Konzept der Typifikation und seine Anwendung und Analyse im Bereich abweichenden Verhaltens, illustriert an empirischem Material, Diplomarbeit an der Fak. f. Soz. d. Univ. Bielefeld, WS 1972/73.
Ebd., S. 71.
Vgl. Richard Lichtman, Symbolic Interactionism…, a. a. O., S. 87, 79.
Jack P. Gibbsy Conceptions of Deviance…, a. a. O., S. 12.
Die Literatur dazu ist nun mittlerweise fast unüberschaubar geworden. Vgl. als eine Übersidit und theoretische Verarbeitung einer Anzahl von Studien Fritz Sack, Selektion und Kriminalität, a. a. O.
Vgl. die weiter oben genannten Arbeiten von Schur und Becker.
Vgl. u. a. Earl Rubington und Martin S. Weinberg, Hrsg., Deviance…, a. a. O., S. VI; Albert K. Cohen, Deviance and Control, Englewood Cliffs, N.J., 1966, Kapitel 4 u. 9; sowie die verschiedenen genannten Arbeiten von Sack.
George J. McCall und J. L. Simmons, Identities and Interaction, a. a. O.
Ähnliches gilt auch für die Prognose abweichenden Handelns. Vgl. dazu u. a. Michael Schwartz und Sheldon Stryker, Deviance, Selves and Others ( The Arnold and Caroline Rose Monograph Series in Sociology ), Washington o.J. (1970).
Vgl. als eines von vielen Beispielen Sarah L. Boggs, Formal and Informal Crime Control: An Exploratory Study of Urban, Suburban, and Rural Orientations, in: The Sociological Quarterly 12 (1971), S. 319–327.
Auf die Problematik des Verstehens werden wir weiter unten eingehen müssen.
Ira L. Reiss, Premarital Sex as Deviant Behavior: An Application of Current Approaches to Deviance, in: American Sociological Review 35 (1970), S. 78–87.
Walter R. Gove, Societal Reaction as an Explanation of Mental Illness: An Evaluation, in: American Sociological Review 35 (1970), S. 873–884, der aus einem ähnlichen Grund den labeling-Ansatz kritisierte, hat den gleichen Fehler wie Reiss begangen, nur bieten sich bei ihm nicht die weiter unten angeführten Anknüpfungspunkte für eine Weiterentwicklung. Wie problematisch die Kritik Goves ist, zeigt auch das noch größere Mißverständnis des Ansatzes, das sich in Dunhams Gove zustimmendem Kommentar dokumentiert. Vgl. dazu H. Warren Duntal Illness, in: American Sociological Review 36 (1971), S. 313 f. Vgl. dazu audi die Antwort Goves, in: American Sociological Review 36 (1971), S. 314–316.
Vgl. dazu u. v. a.]. L. Simmons, On Maintaining Deviant Belief Systems: A Case Study, in: Social Problems 11 (1964), S. 250–256; James H. Bryan, Occupational Ideologies and Individual Attitudes of Call Girls, in: Social Problems 13 (1966), S. 441–450; Earl Rubington, Grady Breaks Out: A Case Study of an Alcoholic’s Relapse, in: Social Problems 11 (1964), S. 372–380.
Peter Malinowski und Ulrich Münch, Begriff und Theorie sozialer Kontrolle. Kritische Aufarbeitung eines allgemein-soziologischen Wissensbestandes, dessen Diskussion im Rahmen einer Soziologie abweichenden Handelns unter besonderer Berücksichtigung seiner Relevanz für gesellschaftliche Praxis, Diplomarbeit an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, WS 1972/73, S. 254–266.
Vgl. Edwin M. Schur, Labeling Deviant Behavior, Its Sociological Implications, New York-Evanston etc. 1971, S. 24.
Ebd., S. 25.
Vgl unter vielen anderen z. B. Edwin M. Lemert, The Check Forger and His Identity, in: Earl Rubington und Martin S. Weinberg, Hrsg., Deviance. The Interactionist Perspective, a. a. O., S. 382–388; zuerst in: Edwin M. Lemert, Human Deviance, Social Problems, and Social Control, Englewood Cliffs, N.J., 1967.
Vgl. Herbert Blumer, What is Wrong with Social Theory?, in: dersSymbolic Interactionism, a. a. O., S. 147–148.
los ygL Gideon Sjoberg und Roger Nett, A Methodology for Social Research, New York 1968, S. 59.
Merkwürdig ist, daß die Devianzforscher, die sich lange Zeit um Ursachenfragen bemüht haben, sich kaum an der Entwicklung von Kausalmodellen beteiligt haben. Eine Ausnahme stellt die Arbeit von James C. Hackler dar (Testing a Causal Model of Delinquency, in: The Sociological Quarterly 11, 1970, S. 511–522), die audi insofern interessant ist, als er ausgehend von der Theorie des Symbolischen Interaktionismus ein Kausalmodell der Devianz entwickelt und empirisch testet. Daß sich Symbolischer Interaktionismus und Ursachenforschung nicht rigoros ausschließen, wird m. E. auch in der oben genannten Arbeit von Michael Schwartz und Sheldon Stryker, Deviance…, a. a. O., deutlich.
Günter Albrecht und Fritz Sack, Die Polizei als gesellschaftliche Kontrollinstanz…, a. a. O.
Fritz Sack, Definition von Kriminalität als politisches Handeln…, a. a. O., S. 6; ders., Neuere Ergebnisse der kriminologischen Forschung…, a. a. O.
John F. Galliher und James L. McCartney, Thirty Years of Juvenile Delinquency Research: Positivism Revisited, vervielfältigtes Msk., University of Missouri-Columbia 1972.
David Matza, Delinquency and Drift, New York 1964, S. 5.
John F. Galliher und James L. McCartney, Thirty Years…, a. a. O., S. 13.
Die oft - mit Recht - betonte Tatsache, daß reine Persönlichkeitsforschung für die Erklärung abweichenden Verhaltens wenig, wenn nicht gar nichts bringt, sollte nicht Versuche völlig blockieren, Individualmerkmale als Größen in eine umfassendere Theorie einzubauen. Vgl. als eine recht brauchbare Studie John Janeway Conger und Wilbur C. Miller, Personality, Social Class and Delinquency, New York-London-Sidney 1966. Im übrigen macht auch Howard S. Becker klar, daß die Verhaltensseite nicht irrelevant sein kann, wenn er ausführt: … whether a given act is deviant or not depends in part on the nature of the act (that is, whether or not it violates some rule) and in part on what other people do about it (Howard S. Becker, Outsiders, a. a. O., S. 14 ).
Fritz Sack, Definition von Kriminalität als politisches Handeln…, a. a. O., S. 4.
Vgl. dazu vor allem Falco Werkentin, Michael Hofferbert und Michael Baurmann, Kri-minologie als Polizeiwissenschaft…, a. a. O. Sehr sachlich und ausgewogen ist u. E. die von Carola und Karl F. Schumann, Wie marxistisch ist der labeling-Ansatz?, in: Kriminologisches Journal 4 (1972), S. 229–234, geäußerte Kritik an diesem Versuch Sacks, den hier zur Diskussion stehenden Ansatz als marxistisch zu verkaufen. Vgl. dazu ferner Friedrich Helmut Berckhauer, Warnung davor, Marx im Sack zu kaufen, in: Kriminologisches Journal 4 (1972), S. 229–230; sowie die in einzelnen Punkten sehr richtige, in weiten Passagen aber verzeichnende Arbeit Christel Faber, Macht, Herrschaft, soziale Klassen als vernachlässigte Dimensionen in der Erklärung abweichenden Verhaltens durch Definitionsprozesse.. a. a. O.
Vgl. u. a. Dorothee Peters, Bedingungen der Kriminalisierung. Die Abbildung sozialstruktureller Merkmale in den Regeln der Rechtsanwendung, unveröffentl. Dissertation, Fak. für Soziologie der Universität Bielefeld, Bielefeld 1973; Dorothee Peters und Helge Peters, Theorielosigkeit und politische Botmäßigkeit — Destruktives und Konstruktives zur deutschen Kriminologie, in: Kriminologisches Journal 4 (1972), S. 241–257, speziell S. 251–256.
Dorothee Peters, Bedingungen der Kriminalisierung…, a. a. O.
Ebd., S. 4-12. Anzumerken ist hier jedoch, daß diese Diskussion auf abstraktester, theoretischer Ebene geführt wird. Ob die Realität von gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen auch nur Ähnlichkeit mit diesen Thesen hat, bleibt bei all diesen Autoren völlig offen. Historisch-ethnographisches Material wird nur sporadisch zur Kenntnis genommen.
Vgl. als eine Ubersicht Udo Nouvertne, Neuere empirische Forschungen zur formellen sozialen Kontrolle. Bericht über eine empirische Studie, vervielfältigtes Arbeitspapier, Bielefeld 1972, sowie als ausgewählte Beispiele aus neuerer Zeit zur Soziologie des Gerichtes, außer der Arbeit von Dorothee Peters, Bedingungen der Kriminalisierung…, a. a. O.; Rüdiger Lautmann, Justiz - die stille Gewalt, Frankfurt 1972; George F. Cole, The Decision to Prosecute, in: Law and Society Review 4 (1970), S. 331–343; Theodore G. Chiricos, Phillip D. Jackson und Gordon P. Waldo, Inequality in the Imposition of a Criminal Label, vervielfältigtes Manuskript, Florida State University, Tallahassee, Fl., 1971; Stanley E. Grupp und Warren C. Lucas, The Marihuana Muddle as Reflected in California Arrest Statistics and Dispositions, in: Law and Society Review 5 (1970), S. 251–269; Maureen Mile ski, Courtroom Encounters. An Observation Study of a Lower Criminal Court, in: Law and Society Review 5 (1971), S. 473–537; Robert J. Antonio, The Processual Dimension of Degradation Ceremonies: The Chicago Conspiracy Trial: Success or Failure?, in: The British Journal of Sociology 23 (1972), S. 287–297; zur neueren Literatur zur Polizei vgl. neben den vielen vorzüglichen Arbeiten von Manfred Brüsten u. a. folgende Studien: David M. Peterseny Informal Norms and Police Practice: The Traffic Ticket Quota System, in: Sociology and Social Research 55 (1971),S. 354–362; Michael Katzy Explaining Discrimination in Patterns of Arrest - The Hidden Costs of Privacy, unveröffentlichtes Manuskript, University of Toledo, 1972; Peggy Cochran, A Situational Approach to the Study of Police - Negro Relations, in: The Sociological Quarterly 12 (1971), S. 232–237; Irving Piliavin, Police-Community Alienation: Its Structural Roots and a Proposed Remedy, Working Paper Nr. 9, Center for Law and Behavioral Science, Madison, Wise., August 1972; Lawrence G. Felice, Community Structure and Police Force Expenditures, Paper Presented at the Annual Meetings Southwestern Sociological Association, Dallas, Texas, March 1971; David M. Petersen, Police Disposition of the Petty Offender, vervielfältigtes Manuskript, The Ohio State University, Columbus, Ohio, 1971.
Severyn Bruyny The Human Perspective in Sociology, Englewood Cliffs 1966, S. 12.
Erinnert sei hier nur an die theoretischen und methodologischen Schriften Max Wehers; vgl. als einen Abriß älterer Überlegungen zu diesen Fragen die Einführung von Howard Becker zu: Clifford R. Shawy The Jack-Roller, Chicago 1966. Siehe die folgende Diskussion.
Ned Polsky, Hustlers, Beats, and Others, Chicago 1967, S. 117–119.
Eine Aufzählung ist im einzelnen kaum sinnvoll, da es zuviele Beispiele gibt.
Ygl. u.a. Günter Albrechty Zur Stellung historischer Forschungsmethoden und nichtreaktiver Methoden im System der empirischen Sozialforschung, in: Peter Chr. Ludzy Hrsg., Soziologie und Sozialgeschichte, Sonderheft 16 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Köln-Opladen 1972; ders.3 Nicht-reaktive Messung und die Anwendung historisier Methoden in der Sozialforschung, erscheint in: Jürgen van Koolwijk, Hrsg., Lehrbuch der Tediniken der empirischen Sozialforschung, München 1973.
ygL z g. e Vielzahl der Studien auf der Basis teilnehmender Beobachtung in: Earl Ruhington und Martin S. Weinberg, Hrsg., Deviance…, a. a. O.; ferner in: Jack D. Douglas, Hrsg., Research on Deviance, New York-Toronto 1972; sowie in: Jack D. Douglas, Hrsg., Observations of Deviance, New York-Toronto 1970; vgl. aber audi andererseits Hans Haferkamp 3 Theorie und Praxis kriminalsoziologischer Forschung, in: Jürgen Friedrichs, Hrsg., Teilnehmende Beobachtung abweichenden Verhaltens, Stuttgart 1973, S. 9–50; sowie als Methoden- lehrbudi u. a. Derek L. Phillips, Knowledge From What?, Theories and Methods in Social Research, Chicago 1971. Wesentlich ausgewogener dagegen: Norman K. Denziny The Research Act in Sociology, Chicago-London 1970.
Dies gilt speziell für Derek L. Phillips, Knowledge Form What?, a. a. O.
Vgl. u. a. Ulrich Gerkey Das Konzept der Typifikation…, a. a. O., S. 110–131.
Arthur W. Diquarto, Verstehen as an Empirical Concept, in: Sociology and Social Research 57 (1972), S. 32–42.
Vgl. U. a. als neueste Arbeit: Karl-Otto Apely Communication and the Foundations on the Humanities, in: Acta Sociologica 15 (1972), S. 7–26; sowie auch Mihailo Markovic, The Problem of Reification and the Verstehen - Erklären Controversy, in: Acta Sociologica 15 (1972), S. 27–38.
Norman K. Denziny Symbolic Interactionism and Ethnomethodology: A Proposed Synthesis, in: American Sociological Review 34 (1969), S. 922–934; ders., The Research Act in Sociology, a. a. O.; ders., The Logic of Naturalistic Inquiry, in: Social Forces 50 (1971), S. 166–182.
Eine umfassende theoretische Diskussion der Methodenprobleme innerhalb des Symbolischen Interaktionismus und der Ethnomethodologie findet sich in der vorbildlichen Arbeit von Fritz Schützey Werner Meinefeldy Werner Springer und Ansgar Weymanny Grundlagentheoretische Voraussetzungen methodisch kontrollierten Fremdverstehens, in: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen, Hrsg., Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Reinbek 1973.
Einen gewissen Systematisierungsversuch bietet Anthony J. Blasiy Symbolic Interactionism as Theory, in: Sociology and Social Research 56 (1971), S. 453–465. Die Ausführungen von Arnold M. Rosey in: ders. y Hrsg., Human Behavior and Social Processes, a. a. O., beispielsweise sind zu allgemein, zu wenig bezogen auf empirische Forschungsprobleme.
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Albrecht, G. (1973). Die „Erklärung“ von Devianz durch die „Theorie“ des Symbolischen Interaktionismus — Neue Perspektiven und alte Fehler. In: Albrecht, G., Daheim, H., Sack, F. (eds) Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83511-6_48
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