Skip to main content

Die juristische Rechtsquellenlehre aus soziologischer Sicht

  • Chapter
Soziologie

Zusammenfassung

Die juristische Rechtsquellenlehre ist ein mehrschichtiges Gebilde. Nicht nur eine Viel-zahl von Rechtsquellentheorien liegt im Streit. Die alte und schöne Metapher der Quelle selbst hat nicht die Trennschärfe eines modernen Begriffs 1. Sie bietet einen Anknüpfungspunkt für sehr verschiedenartige Überlegungen, die in der neueren Zeit, wenn nicht in der Jurisprudenz, so doch in der Rechtstheorie, auseinandertreten. Alf Ross unterscheidet in der für dieses Problem klassischen Monographie einen kausalen, einen ethischen und einen erkenntnistheoretischen Begriff je nachdem, ob es um die faktischen Ursachen, den Geltungsgrund oder den Erkenntnisgrund für bestimmte Rechtsnormen gehe 2. In dieser Dreiteilung finden wir, aus der Sicht der Rechtswissenschaft, schon den Platz definiert, an dem eine soziologische Rechtsquellenlehre sich entfalten könnte: Sie könnte sich mit der faktischen Entstehung des Rechts, den historischen und empirischen Prozessen der Rechtsbildung befassen; ein Urteil über den Geltungsgrund oder gar über den Erkenntnisgrund des Rechts bleibe ihr verschlossen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Dazu Bemerkungen und Hinweise bei Klaus Adomeit, Reditsquellenfragen im Arbeitsrecht, München 1969, S. 78 f.

    Google Scholar 

  2. Vgl. Alf Rossy Theorie der Reditsquellen: Ein Beitrag zur Theorie des positiven Rechts auf Grundlage dogmenhistorisdier Untersuchungen, Leipzig-Wien 1929, S. 291.

    Google Scholar 

  3. a Siehe statt anderer Peter Liver, Der Begriff der Rechtsquelle, in: Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins 91 (1955), S. 1–55, S. 8 f., S. 13.

    Google Scholar 

  4. Hrsg., Theorie und Realität: Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der SozialWissenschaften, Tübingen 1964, S. 3-70, hier S. 14 ff.

    Google Scholar 

  5. Im Sinne von Ottmar Ballweg, Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, Basel 1970.

    Google Scholar 

  6. Vgl. dazu und zur Entstehung einer begrifflich artikulierten und damit systematisierbaren Theorie des Gewohnheitsrechts Dieter Nörr, Zur Entstehung der gewohnheitsrechtlichen Theorie, Festschrift für Wilhelm Felgentraeger, Göttingen 1969, S. 353-356. Sorgfältige Textinterpretationen finden sich ferner bei Burkhard Schmiedel, Consuetudo im klassischen und nachklassischen römischen Recht, Graz-Köln 1966, zu unserer Frage besonders S. 64 ff. Schmiedel neigt mehr dazu, die Bedrohlichkeit der neuen Kaisergesetzgebung, also die Positivierung des Redits, als eigentlichen Grund anzusehen - ein Gesichtspunkt, der jedoch mit der Geltungsfähigkeit lokaler Gewohnheitsrechte eng zusammenhängt. Für das Fehlen einer Thematisierung dieser Fragen in vorklassischer (republikanischer) Zeit siehe auch Max Käser, Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Rom. Abt. 59 (1939), S. 52-101. Siehe ferner als Beleg dafür, daß auch das griechische Recht die Vorstellung des Gewohnheitsrechts als einer besonderen Reditsquelle nicht kannte, Hans Julius Wolff, Ge-wohnheitsrecht und Gesetzesrecht in der griechischen Rechtsauffassung. Deutsche Landesreferate zum VI. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Hamburg 1962, Sonderver- öffentlichung von Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Berlin -Tübingen 1962, S. 3 - 18.

    Google Scholar 

  7. Vgl. dazu William E. Brynteson, Roman Law and New Law: The Development of a Legal Idea, in: Revue internationale des droits de l’antiquité, 3. sér. 12 (1965), S. 203-223; siehe auch ders., Roman Law and Legislation in the Middle Ages, in: Spéculum 41 (1966), S. 420 bis 437. Zur Bedeutung des kanonischen Rechts für die Entstehung von Geltungsproblemen und die Entwicklung einer rechtsimmanenten Reditskritik im Mittelalter ferner Max Jörg Oden- heimer, Der christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschaft staatlich gesetzten Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet: Ein Beitrag zur historischen Strukturanalyse der modernen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, Basel 1957.

    Google Scholar 

  8. Als eine neuere Kurzdarstellung mit weiteren Hinweisen siehe Roland Dubischar, Grund-begriffe des Rechts: Eine Einführung in die Rechtstheorie, Stuttgart 1968, S. 60 ff. Zur um-strittenen Auffassung des Richterrechts als besonderer Rechtsquelle vgl. Josef Esser, Richterrecht, Gerichtsgebraudi und Gewohnheitsrecht, in: Festschrift für Fritz von Hippel, Tübingen 1967, S. 95-130 (ablehnend) und neuestens (bejahend) Heinrich Wilhelm Kruse, Das Richter- redit als Rechtsquelle des innerstaatlichen Redits, Tübingen 1971.

    Google Scholar 

  9. Vgl. René König, Das Recht im Zusammenhang der sozialen Normensysteme, in: Ernst E. Hirsch und Manfred Rehbinder, Hrsg., Studien und Materialien zur Rechtssoziologie, Sonderheft 11 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Köln-Opladen 1967, S. 36 - 53.

    Google Scholar 

  10. Eine gute Zusammenfassung der Leitgesichtspunkte findet man in der Einleitung von J. J. L. Duyvendak, The Book of Lord Shang: A Classic in the Chinese School Law, London 1928. Ausführlicher Léon Vandermeersch, La formation du légisme: Recherches sur la constitution d’une philosophie diaracté’ristique de la Chine ancienne, Paris 1965. Ferner Leang K’i-Tch’ao, La conception de la loi et les thé’ories des Lé’gistes à la veille des Ts’in, Peking 1926, und für eine der üblichen Darstellungen des Schulenstreites T’ung-Tsu Ch’ü, Law and Society in Traditional China, Paris-Den Haag 1961.

    Google Scholar 

  11. Dazu Belege bei John Walter Beardslee, The Use of ФϒΣIΣ in Fifth-Century Greek Literature, Diss. Chicago 1918, S. 68 ff. Vgl. auch Martin Ostwald, Pindar, Nomos, and Heracles, in: Harvard Studies in Classical Philology 69 (1965), S. 109 - 138.

    Google Scholar 

  12. Diese These belegt, soweit möglich, Martin Ostwald, Nomos and the Beginnings of the Athenian Democracy, Oxford 1969. Ostwald sieht den politischen Wendepunkt in den kleisthe- nisdien Reformen.

    Google Scholar 

  13. Dieses Argument taucht erst viel später in den nicht mehr institutionenbildenden Gegen-theorien der Sophisten auf und wird kennzeichnenderweise nicht über den Nomos-Begriff, sondern über den Physis-Begriff lanciert.

    Google Scholar 

  14. Der klassische Beleg dafür ist Aristoteles, Nikomachische Ethik 1134b.

    Google Scholar 

  15. Vgl. Joseph Schacht, Zur soziologischen Betrachtung des islamischen Rechts, in: Der Islam 22 (1935), S. 207–238; ausführlicher ders., The Origins of Muhammadan Jurisprudence, Oxford 1950, und ders., An Introduction to Islamic Law, Oxford 1964.

    Google Scholar 

  16. Diese Einsicht ist bereits häufig für die Wahl unter anerkannten Auslegungsmethoden formuliert worden. Vgl. Benjamin Cardozo, The Nature of the Judicial Process, New Häven, Conn., 1921; ferner Ottmar Ballweg, Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, a. a. O., S. 115, mit

    Google Scholar 

  17. Niklas Luhmann

    Google Scholar 

  18. weiteren Hinweisen, und als neuesten Versuch, die Möglichkeiten rationaler Selbstkontrolle in der Methodenwahl herauszuarbeiten: Josef Esser, Vor Verständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung: Rationalitätsgarantien der richterlichen Entscheidungspraxis, Frankfurt 1970.

    Google Scholar 

  19. Auf dieser Linie vgl. außer Ottmar Ballweg, Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, a. a. O., etwa Werner Krawietz, Funktion und Grenze einer dogmatischen Rechtswissenschaft, in: Redht und Politik 1970, S. 150 - 158.

    Google Scholar 

  20. Ich denke an Josef Esser, Richterrecht…, a. a. O., und Klaus Adomeit, Rechtsquellenfragen…, a. a. O., S. 53 ff. Adomeit selbst durchbricht diese Entwicklungsrichtung durch Einbeziehung des Rechtsgeschäfts in die Rechtsquellenlehre und entzieht sich den rechtstheoretischen Schwierigkeiten durch den Vorschlag einer katalogartigen Begriffsbestimmung, die Typenmehrheit voraussetzt.

    Google Scholar 

  21. Vgl. Milton Rokeach, The Open and Closed Mind: Investigations Into the Nature of Belief Systems and Personality Systems, New York 1960; ders., In Pursuit of the Creative Process, in: Gary A. Steiner, The Creative Organization, Chicago-London 1965, S. 66–88 (70 ff.). In der Rechtsquellenlehre ist genau diese Differenz bisher mit einem »sowohl/als auch« verwischt worden; Siehe Klaus Adomeit, Rechtsquellenlehre…, a. a. O., S. 78.

    Google Scholar 

  22. Hierzu Niklas Luhmann, Normen in soziologischer Perspektive, in: Soziale Welt 20 (1969), S. 28–48; ders., Rechtssoziologie, Reinbek 1972, Bd. I, S. 40 ff.

    Google Scholar 

  23. Auch hier ist wiederum die Parallelentwicklung in der Erkenntnis- bzw. Wissenschaftstheorie interessant: Es gibt sinnvolle »Gedanken« (im Sinne von Frege), bei denen noch offen ist, ob sie wahr oder falsch sind, und die ihren Sinn nicht dadurch verlieren, daß sie sich als falsch erweisen.

    Google Scholar 

  24. Diese Art, die Begründungsfrage zu stellen, und die Richtung ihrer Beantwortung sind zwischen Jürgen Habermas und mir strittig; vgl. Jürgen Habermas und Niklas Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie - Was leistet die Systemforschung?, Frankfurt 1971, S. 239 ff., S. 380 ff.

    Google Scholar 

  25. Zu den Anfängen dieser Fragestellung im Nominalismus siehe etwa Celestino Solaguren, Contingencia y creacion en la filosofia de Duns Escoto, Verdad y Vida 24 (1966), S. 55–100.

    Google Scholar 

  26. Hierzu Ingetrud Pape, Tradition und Transformation der Modalität, Bd. I: Möglichkeit - Unmöglichkeit, Hamburg 1966.

    Google Scholar 

  27. Siehe Klaus Adomeit, Rechtsquellenlehre…, a. a. O., S. 37 ff., mit dem Versuch, die Rechtsquellentheorie auf einer Metastufe hypothetischer Wirklichkeitsbeschreibung anzusiedeln.

    Google Scholar 

  28. Vgl. Max Weber, Rechtssoziologie, Neuwied 1960, z. B. S. 55.

    Google Scholar 

  29. So besonders klar in: Max Weber, Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 3. Aufl. Tübingen 1968, S. 427–474 (443 ff.).

    Google Scholar 

  30. Die Richtung möglicher Ausarbeitung sei jedoch an einem Teilproblem der Rechtsquellenlehre angedeutet: Die opinio necessitatis ist als Kriterium der Geltung von Gewohnheitsrecht selbst keine notwendige Meinung. Wir haben es also mit nichtnotwendigem (kontingentem) Notwendigen zu tun. Wir müssen deshalb in zwei Ebenen der Modalisierung denken, damit die Negation der einen Notwendigkeit nicht die andere aufhebt, und die Ebenendifferenz als logische Diskontinuität begreifen. Die theologische Fassung dieses Problems mit Hilfe der Schöp-fungstheorie, nämlich der Annahme der Freiheit Gottes zur Schöpfung des Notwendigen, ist geläufig und hat die Modaltheorie bis zu Kant hin beherrscht. Ihre Merkmale sind heute proble-matisch - nicht nur als Theologie, sondern auch darin, daß sie die Ebenendifferenz mit dem Kausalproblem verquickt, und darin, daß sie die Differenz und die Etablierung des Weltlich- Notwendigen in die Vergangenheit verlegt. Sie verliert dadurch ihre Eignung als Modell für die innerweltliche Entstehung von Notwendigem. Hier müßten Evolutions- und Systemtheorien einsetzen.

    Google Scholar 

  31. Sehr klar bringt Josef Esser, Grundsatz und Norm in der riditerlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl. Tübingen 1964, S. 132 ff., diesen Sachverhalt heraus: Esser begreift Rechts-quelle als den »Positivierungs vor gang«, der Recht bildet »kraft der Intentionsbeziehung des Rechtschaffenden und der Verständnisbeziehung des Recht Anwendenden und nadi Recht Lebenden«. Die Frage ist nun, ob man mit Hilfe einer Rechtstheorie oder letztlidi mit Hilfe einer Soziologie des Gesellschaftssystems deutlicher herausarbeiten kann, auf was diese Intention sich bezieht und woher sie ihre Qualität als Rechtsquelle gewinnt.

    Google Scholar 

  32. Auch hier lassen sich Parallelen zum Bereich kognitiver Erwartungen herstellen. Edmund Husserl, Formale und transzendentale Logik, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 10 (1929), S. 1–298 (140) formuliert: »Selbst eine sich als apodiktisch ausgebende Evidenz kann sich als Täuschung enthüllen und setzt doch dafür eine ähnliche Evidenz voraus, an der sie › zerschellt ‹ «.

    Google Scholar 

  33. Hierzu grundsätzlich: Niklas Luhmann, Status quo als Argument, in: Horst Baier, Hrsg., Studenten in Opposition: Beiträge zur Soziologie der deutschen Hochschule, Bielefeld 1968, S. 74–82.

    Google Scholar 

  34. Siehe zuletzt: Josef Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, a. a. O.

    Google Scholar 

  35. Vgl. Niklas Luhmann, Systemtheoretisdie Beiträge zur Rechtstheorie, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 2 (1972), im Druck.

    Google Scholar 

  36. Als einen solchen Versuch siehe Niklas Luhmann, Reform des öffentlichen Dienstes: Zum Problem ihrer Probleme, in: dersPolitische Planung, Opladen 1971, S. 203–256.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1973 Westdeutscher Verlag GmbH Opladen

About this chapter

Cite this chapter

Luhmann, N. (1973). Die juristische Rechtsquellenlehre aus soziologischer Sicht. In: Albrecht, G., Daheim, H., Sack, F. (eds) Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83511-6_23

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83511-6_23

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-11111-7

  • Online ISBN: 978-3-322-83511-6

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics