„Religionssoziologie“

Zusammenfassung

Auf der Grundlage einer christentumssoziologischen Perspektive und eines historisch gebundenen Religionsbegriffs wird in dem Referat die Entwicklung von Religion und Religiosität in der Geschichte der Bundesrepublik beschrieben und zu erklären versucht. Dem vorgestellten Erklärungsansatz religiösen Wandels in der Bundesrepublik liegen zwei Theoreme zu Grunde:

• 1. Religiöser Wandel läßt sich begreifen als Ebenendifferenzierung von Religion. Die Ebenendifferenzierung von Religion als Kulturmuster, Institution und individuelle Religiositätsstile (vgl. Matthes 1967) enthält ein theoretisches Potential zur Erklärung religiöser Wandlungsphänomene. Religion verändert ihre Sozialform nach dem Grad der Nähe und Übereinstimmung bzw. der Ferne und Differenz der drei Ebenen. Wie gesellschaftliche Modernisierung insgesamt nicht nur eine Dimension der Funktions-, sondern auch der Ebenendifferenzierung besitzt, so läßt sich auch die Transformation von Religion im Modernisierungsprozeß neben der funktionalen Spezialisierung als Ebenendifferenzierung begreifen.

• 2. Der religiöse Wandel wird als in die Prozesse der Modernisierung moderner Gesellschaften eingebunden betrachtet (Beck 1986). Dabei wird davon ausgegangen, daß das Reflexivwerden des Modernisierungsprozesses sich in unterscheidbaren Stufen vollzieht. Auf einer ersten Stufe werden Bestände vormoderner Traditionalität als Teil moderner Gesellschaften aufgelöst und die Menschen aus persistierenden traditionalen Lebensformen freigesetzt. Auf einer zweiten Stufe reflexiver Modernisierung trifft der Freisetzungsprozeß auf jene Lebensformen, die als kulturelles Produkt der konflikthaften Auseinandersetzung und bewegungsmäßigen Reaktion auf den Modernisierungsprozeß entstanden sind. Auch auf dieser zweiten Stufe löst sich ein historisch spezifisches Amalgam von neu entstandener Traditionalität und Modernität auf.