Die Banalität der späten Zahl: Der Jahreswechsel 1998/99 als Anlaß zu apokalyptischer Spekulation

Zusammenfassung

Die Vorgabe stammt aus der Bibel: Der Engel, der vom Himmel herabgestiegen ist, “überwältigte den Drachen, die alte Schlange — das ist der Teufel oder der Satan -, und er fesselte ihn für tausend Jahre. Er warf ihn in den Abgrund, verschloß diesen und drückte ein Siegel darauf, damit der Drache die Völker nicht mehr verführen konnte, bis die tausend Jahre vollendet sind. Danach muß er für kurze Zeit freigelassen werden.”⁶⁰⁰ Die Rede vom Tausendjährigen Reich macht aus der Jahrtausendwende ein kritisches Datum. Die Vollendung von tausend Jahren könnte die Freilassung des Drachen, der alten Schlange, des Teufels, des Satans, kurz: vermutlich großes Unheil bedeuten. Vor der zweiten Jahrtausendwende nach Christus trifft die alte Vorstellung von der schicksalhaften Zahl auf eine mediale Lust an runden Zahlen. Es ist ein Gesetz der Medien, das aus dem runden Geburtstag eines bedeutenden Menschen oder der runden Wiederkehr eines Ereignisses ein aktuelles Thema macht, über das berichtet werden muß. Der besondere Tag ist kein Grund, aber ein Anlaß zu Rückschau und Vorschau zugleich. Die Jahreswende 1998/99 ist die letzte Jahreswende im alten Jahrtausend, und damit nach populärer Lesart ein besonderer Tag am Beginn eines schicksalhaften Jahres. Wie wurde in Tageszeitungen und Zeitschriften darüber geschrieben?