Situated Cognition und Instruktion

Zusammenfassung

Die in Abschnitt 6.2 diskutierten theoretischen Annahmen der Situated Cognition haben weit reichende Implikationen für die Instruktionspsychologie, da sie die bisherigen Leitlinien zur effektiven Gestaltung von systemvermittelnden Lernumgebungen in einem hohen Maß in Frage stellen (vgl. Abschnitt 2.3). Aufgrund der Annahme der individuellen Wissenskonstruktion lehnen radikale Vertreter dieser Bewegung die Instruktion als Vermittlung von Wissen ab und stehen dem Instructional Design daher kritisch gegenüber. Innerhalb des Konstruktivismus gibt es jedoch eine relativ große Bandbreite von Vorstellungen über die Bedeutung von Instruktion für den individuellen Lernprozess. So wurden Ende der 1980er Jahre innerhalb der Instruktionspsychologie Ansätze entworfen, die sich auf die Situated Cognition beziehen, jedoch keine konsequente Ableitung ihrer theoretischen Annahmen vornehmen. Diese Ansätze versuchen Aspekte der Situiertheit und der sozialen Interaktion mit den Ergebnissen der empirischen Kognitionsforschung zu verbinden und sollen im Folgenden als Situated Learning-Ansätze bezeichnet werden.¹ Das Konzept dieser Ansätze kann daher als eine Kombination kognitionstheoretischer und konstruktivistischer Ansätze angesehen werden, wobei die grundsätzliche erkenntnistheoretische Ausrichtung konstruktivistisch geprägt ist (vgl. Mandl, Gruber & Renkl, 1997, S. 168). Diese Ansätze erachten es als notwendig, trotz der primären Ausrichtung auf den aktiven Prozess der Wissenskonstruktion Lernprozesse durch instruktionale Maßnahmen zu initiieren und zu unterstützen. Des Weiteren verneinen sie auch nicht — wie radikale Vertreter der Situated Cognition (z. B. Lave, 1988) — die Möglichkeit der Abstraktion und Dekontextualisierung von Wissen, sondern sehen darin vielmehr eine notwendige Voraussetzung zur flexiblen Anwendung von Wissen (vgl. Collins, Brown & Newman, 1989, S. 487).