Zusammenfassung
Heinrich Roth, dessen Entwurf einer Entwicklungspädagogik im folgenden vorgestellt werden soll, wurde am 1. März 1906 im württembergischen Gerstetten geboren. Nach einer Dozententätigkeit am Pädagogischen Institut in Esslingen war er von 1956 bis 1961 Professor an der Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main, daran anschließend bis zu seiner Emeritierung Professor für Pädagogik an der Universität in Göttingen. 1965 wurde er Mitglied des ‚Deutschen Bildungsrats‘; in diesem Zusammenhang entstanden die Arbeiten zu ‚Begabung und Lernen‘sowie der Strukturplan für das Bildungswesen. Heinrich Roth starb am 7. Juli 1983.
„Der Mensch versteht sich nicht richtig, wenn er sich nicht als in der Entwicklung befindlich begreift“
Heinrich Roth
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Literatur
An dieser Stelle trifft sich Lenzen mit Roth, der davon ausging, daß die von ihm konzipierte mehrperspektivisch verstandene Pädagogische Anthropologie „das Wissen der Wissenschaft“krönt, wenn auch „nicht vertikal, sondern horizontal“(Roth 1966, S. 23).
In diesem Zusammenhang behauptet Rawls, daß die Menschen im Urzustand zwei Grundsätze wählen würden: nämlich „einmal die Gleichheit der Grundrechte und — pflichten; zum anderen den Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, etwa verschiedener Reichtum und verschiedene Macht, nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft“(Rawls 1975, S. 31f.).
Fukuyama skizziert den neuen Menschen, den er als das »typische Produkt der liberalen Gesellschaft betrachtet*, sehr ähnlich. Es ist der neue „Menschentypus, der später herabsetzend Bourgeois genannt wurde. Der Begriff bezeichnet eine menschliche Existenz, die sich nahezu ausschließlich ihrer eigenen, unmittelbaren Selbsterhaltung und materiellen Wohlfahrt widmet und nur insoweit an der sie umgebenden Gemeinschaft interessiert ist, als die Gemeinschaft ihr privates Wohl fördert oder ihr als Mittel zu diesem Zweck dient“(Fukuyama 1992, S. 226).
Wobei hiermit die Vorstellung verbunden ist, daß dadurch „das gesellschaftliche Wohl sich automatisch ergäbe“(Bellah et al. 1987, S. 58).
Im Rahmen der von osteuropäischen Intellektuellen (erneut) angestoßenen Debatte um die Zivilgesellschaft kommt der Vorstellung des zivilen bzw. bürgerlichen Ungehorsams eine hervorragende Bedeutung zu. In dieser generell antietatistisch orientierten Strömung bildet er das ‚obere Ende einer Stufenleiter‘— „das letzte Mittel, um oppositionellen Argumenten stärkeres Gehör und publizistisch-politischen Einfluß zu verschaffen“(Habermas 1992, S. 462). Weniger geklärt ist sein Stellenwert in der Debatte zwischen einer Vertrags- bzw. diskurstheoretischen (liberalen) Auffassung der demokratischen Willensbildung und dem gemeinsinnbezogenen Kommunitarismus (vgl. z.B. Brumlik/Brunkhorst 1993, Honneth 1993).
Empirisch wurde die Vorstellung der Auszeichnung stufentransformierender Sprach-Handlungen von Marvin Berkowitz (1986) und vor allem von Max Miller (1986) verfolgt.
Eine einfühlsame Beschreibung des ‚naturwüchsigen Umgangs‘am Beispiel,der Hausbesorgerin Kienesberger‘verdanken wir dem Schriftsteller Thomas Bernhard: „Sie hat drei Kinder und erzählt manchmal, im Vorhaus stehend, deren Lebensgeschichte, wie sich ihre Nachkommen entwickeln, was für Krankheiten sie haben, welche Torturen sie auszustehen haben in der Schule, was sie beim Schlittenfahren angezogen haben und wann sie einschlafen und wieder aufwachen und was sie am Dienstag und was sie am Samstag zu essen bekommen und wie sie auf alles und jedes reagieren, die Mütter, muß ich mir bei dieser Gelegenheit jedesmal sagen, beobachten ihre Kinder eindringlich, wenn sie solche Mütter sind, wie die Kienesberger und sie verhätscheln sie nicht zuviel und nicht zu wenig, sie erzieht ihre Kinder, indem sie überhaupt nicht über diese Erziehung ihrer Kinder nachdenkt, sie praktiziert auf die ideale Weise, was andere sich erst ausdenken müssen in ihrem Spekulationsfanatismus und scheitert nicht, wo die andern scheitern müssen“(Bernhard 1982, S. 126).
In dieser Diskussion wird ebenfalls immer deutlicher, daß das Konzept der Entwicklung sowie die darauf bezogenen entwicklungsbestimmenden Mechanismen mit normativen Ansprüchen einhergehen. Damit ist die Frage nach dem Ziel der Erziehung erneut gestellt: Eine jede höhere Entwicklungsstufe — so die These — ist der bzw. den vorausliegenden deshalb überlegen und daher vorzuziehen, da sie die Problemlösefahigkeit, generell: die Fähigkeit der Subjekte,,mit Welt umzugehen‘, je erweitert; wobei zu bedenken bleibt, daß erziehungswissenschaftliche Theorien, die bestimmte Ziele anderen vorziehen und dafür wissenschaftliche Gründe geltend machen, sich immer im Grenzbereich dessen bewegen, was Philosophen einen ‚naturalistischen Fehlschluß‘nennen, also der (vermeintlich) unzulässigen Ableitung eines Sollens aus einem Sein. Inwieweit dies auf die hier vertretene Konzeption zutreffen mag, kann an dieser Stelle nicht gewürdigt werden. Über „den Wertbezug, der mit jeder Erziehung gesetzt ist“, vergleiche Roth (1966a), S. 254. Zum normativen Status erziehungswissenschaftlicher Entwicklungs- und Bildungstheorien vgl. Oevermann (1976) und Bruner (1986). Zur entsprechenden These für die Phylogenese vgl. Habermas (1978), S. 224f.
Dieser Abschnitt basiert auf einem Beitrag,Von der Mäeutik der Schule zur Mäeutik des Lebens‘. In: von Brachel, H.-U./Mette, N. (Hg.): Kommunikation und Solidarität. Beiträge zur Diskussion des handlungstheoretischen Ansatzes von Helmut Peukert in Theologie und Sozialwissenschaften. Freiburg/Schweiz: edition exodus 1985, S. 272–283.
Jennings, Kilkenny und Kohlberg (1983) führen noch zwei weitere Förderungsmöglichkeiten an, die ihre Bedeutung vorwiegend in ‚just communities‘besitzen: a) ‚fairness forum‘— eine diskursähnliche Veranstaltung zur Diskussion gerechter Entscheidungen — sowie b),mutual decision making‘— die gleichberechtigte Übernahme von Verantwortung durch alle Personen (vgl. S. 324 ff.).
Diese,Ungeschütztheit‘des Lehrers ist ein Grund für die zahlreichen Klagen, die in jüngster Zeit erneut von der Lehrerschaft vorgebracht wurden. Vereinfacht gesprochen läßt sich feststellen, daß der Übergang vom ‚Lehrer als Berufung‘zum,Lehrerjob‘notwendigerweise einen Verlust an Wahrhaftigkeit mit sich bringen mußte. Das Problem wird verstärkt, wenn nicht sogar erzeugt, dadurch, daß eine Absicherung des Lehrerhandelns durch Professionalisierung nicht erfolgte (vgl. Oevermann 1981 sowie vor allem 1996).
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Garz, D. (2000). Entwicklung und Erziehung. In: Biographische Erziehungswissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83410-2_4
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