Zusammenfassung
Im Folgenden wird die Diskussion hinsichtlich Form und Funktion sozialer Netzwerke vorbereitet. Hierzu soll die These der weltgesellschaftlich ausdifferenzierten Kommunikationsverhältnisse, aus dem zweiten Kapitel, wieder aufgenommen werden. Betont wurde, dass in jeder Kommunikation Weltgesellschaft impliziert ist, und zwar ganz unabhängig von der jeweils gewählten Thematik und der räumlichen Distanz zwischen den Teilnehmern (Luhmann 1997: 150). Es kommt nicht unbedingt darauf an, ob es zu einer faktischen Vermehrung globaler Kommunikationsereignisse kommt. Vielmehr wird die Weltgesellschaft156 dadurch konstituiert, dass in jeder Interaktion oder genauer in jeder Kommunikation ein „Und so weiter“ anderer Kontakte eingebaut ist (Luhmann 1991d: 54).
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Literatur
Gesellschaft als das umfassendste Sozialsystem bildet sich auf der Basis „aller kommunikativ füreinander erreichbaren Handlungen“ (Luhmann 1991d: 11). Jede Kommunikation ist somit Vollzug von Gesellschaft; auch die der Wirtschaft, der Politik, der Verwaltung, der Universität oder der Familie. Selbst Vorgänge des Streites, der Gewaltanwendung, persönlicher und auch zwischenstaatlicher Konfliktauseinandersetzung sind dem Bereich sozialen Handelns zuzurechnen.
Die Relevanz gesellschaftlicher Differenzierung wird nicht nur von der einschlägigen Netzwerkforschung übersehen. Die Debatte um neue Möglichkeiten und Risiken internetbasierter Kommunikation übersieht diese ebenfalls, in dem sie sich auf charmante Weise von der Überhöhung technischer Parameter beeindrucken lässt (ausführlich hierzu Stegbauer 2001).
Die Systemstrukturen der Teilsysteme sind durch die Unterscheidung zweier Ebenen geprägt: die Ebene der Codierung, also die Anwendung eines binären Schemas, und die Ebene der Bedingungen der Richtigkeit der Operationen, das heißt die Festlegung der Kriterien für die Benutzung des Codes. Diese selbst sind im Prinzip inhaltsleer. Sie geben nicht an, wie vorzugehen ist. Denn allein die Unterscheidung von Recht und Unrecht hilft wenig darüber zu entscheiden, wie diese zu behandeln sind. Erst die Kopplung der Codes an Kriterien bzw. Programme (zum Beispiel im Rechtssystem an Gesetze) schafft die Möglichkeit, diese kriteriengeleitet einzusetzen.
Die Anwendung der Zweier-Codes ist nicht selbsterklärend. Codes können ihre eigene Anwendung nicht selbst festlegen. Hierfür werden Programme benötigt, die Kriterien definieren, nach denen in bestimmten Situationen angemessen zu verfahren ist.
Zu erwähnen ist, dass nicht alle Funktionssysteme über symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien verfugen. Die Kommunikation orientiert sich hier an einem institutionalisierten Zweier-Code.
Systembildung, verstanden als Ermöglichung durch Einschränkung folgt Prozessen der Selbstselektion, dass heißt Grenzziehung läuft über sinnhafte Verkettung bestimmter Operationsmodi (grundlegend Luhmann 1991d: 9ff.). Je nach Selektionskriterien bzw. Grenzbildungsmechanismen formen sich unterschiedliche Systemtypen, wobei neben Gesellschaft, Interaktion und Organisation zu erwähnen sind (ebenda: 10ff.; 1993b: 16ff.).
Ausführlich mit dem Thema Interaktion beschäftigen sich Goffman (1967); Markowitz (1986). Luhmann (1991d: 9ff.) und Kieserling (1999).
Im Abschnitt 5.5 — wenn es um die Unterschiede von Netzwerk und Organisation geht — ist auf die Besonderheit organisierter Kommunikationsverhältnisse näher einzugehen.
Erste zaghafte Bemühungen sind mittlerweile in der sich empirisch beschreibenden Netzwerkforschung zu finden (unter anderem Wimmer 2002: 21).
Dieser wichtige Aspekt wird im Abschnitt 6.1 aufgegriffen und eingehend diskutiert.
„Die von Netzwerken definierte Typologie bringt es mit sich, dass die Distanz (oder die Intensität und Häufigkeit der Interaktion) zwischen zwei Punkten (oder sozialen Positionen) geringer (oder häufiger oder intensiver) ist, wenn beide Punkte Knoten in einem Netzwerk sind, als wenn sie nicht zum selben Netzwerk gehören. Andererseits haben Ströme innerhalb eines gegebenen Netzwerkes keine Distanz — oder dieselbe Distanz — zwischen den Knoten. So variiert die (physische, soziale, wirtschaftliche, politische, kulturelle) Distanz für einen gegebenen Punkt oder eine gegebene Position zwischen Null — für jeden Knoten in demselben Netzwerk — und unendlich — für jeden Punkt außerhalb des Netzwerkes. Die Inklusion in und Exklusion aus Netzwerken und die Architektur der Beziehungen zwischen Netzwerken, die durch Informationstechnologie in Lichtgeschwindigkeit in Gang gesetzt werden, konfigurieren die herrschenden Prozesse und Funktionen in unseren Gesellschaften.“ (Castells 2000: 528)
In diesem Sinne argumentieren Bühl (1997) und Castells (unter anderem 2000; 2001). In kritischer Hinsicht äußern sich hierzu Stegbauer (2001) und Wolf (2000).
Für das Funktionieren von Geselligkeit ist nicht nur der Aufbau von individueller Kompetenz erforderlich. Darüber hinaus müssen Interaktionen, „die im Zustande der Gesellung zwischen den Menschen stattfinden (…) sich zu einer loseren oder festeren Gebildeform“ kristallisieren (von Wiese 1966: 205). Gebilde haben die Fähigkeit, die durchaus wechselnden geselligen Zustände zu überdauern. Eine gelegentliche Begegnung und die Wahrnehmung von Symbolen reichen aus, um die Existenz des Gebildes am Leben zu halten. „Je abstrakter das Gebilde, desto weniger bedarf es einer Geselligkeit, die alle zu ihm gehörigen Menschen umfaßt. Ein Tanzkränzchen verlangt häufige Gesellung seiner Mitglieder; ein Weltreich wirkt durch seine Symbole und seine Kraftäußerungen.“ (ebenda: 205)
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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Aderhold, J. (2004). Variation der gesellschaftlichen Konstruktion des „Und so weiter“. In: Form und Funktion sozialer Netzwerke in Wirtschaft und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83386-0_4
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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