Zusammenfassung
Im Kaiserreich war der SonderwegbegrifF meist positiv besetzt. Rechtsextremistische, zum Teil aber auch liberalkonservative Denker betonten die deutsche Einzigartigkeit und die Besonderheit des deutschen Schicksals. Als negativer Bezugspunkt galten die wesdichen Demokratien. Sozialdemokraten gingen bereits damals in Opposition zur vorherrschenden Ansicht von einer deutschen Fehlentwicklung aus. Eine Zuspitzung der Argumentation der Befürworter eines deutschen Sonderwegs brachte der von vielen als ein Kampf der Kulturen angesehene Erste Weltkrieg. Die Anhänger der „Ideen von 1914“ glaubten vor allem im politischen Bereich unüberbrückbare Unterschiede zwischen Deutschland und Großbritannien zu erkennen.1 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Pluszeichen vor dem Sonderwegbegriff durch ein Minuszeichen ersetzt. Das Vorbild waren nun die westlichen Demokratien, das Schreckbild das Dritte Reich als düsteres Ende eines deutschen Irrwegs. Die Impulse für die Deutung deutscher Geschichte als Sonderweg gingen von Werken der amerikanischen Sozialwissenschaft aus, in denen von einer Abweichung Deutschlands von den westlichen Normen die Rede war.2
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980
Fritz Ringer, The Decline of the German Mandarins: The German Academic Community 1890–1933, Cambridge 1969;
Fritz Stern, The Politics of Cultural Despair, Berkeley 1961.
Hans-Ulrich Wehler, Das deutsche Kaiserreich 1871–1918, Göttingen 1973.
Ders, Der deutsche Sonderweg: Eine Nachlese, in: Merkur 35 (1981), S. 802.
Jürgen Kocka, Angestellte zwischen Faschismus und Demokrade, Götdngen 1977.
Jürgen Habermas, Vom öffentlichen Gebrauch der Historie. Das offizielle Selbstverständnis der Bundesrepublik bricht auf (Erstabdruck: Zeit vom 7. November 1986), in: „Historikerstreit“. Die Dokumentadon der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialisdschen Judenvernichtung, München 1987, S. 249.
Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980, S. 298.
Imanuel Geiss, Die Habermas-Kontroverse. Ein deutscher Streit, Berlin 1988, S. 163
Eberhard Jäckel, Hiders Herrschaft in der deutschen Geschichte (1987), in: Ders., Umgang mit Vergangenheit Beiträge zur Geschichte, Stuttgart 1989, S. 216.
Wolfgang Mommsen, Gegenwärtige Tendenzen in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik, in: GG 7 (1981), S. 151.
Hans-Ulrich Wehler, Entsorgung der deutschen Vergangenheit? Ein polemischer Essay zum „Historikerstreit“, München 1988, S. 189
Jürgen Kocka, Ende des deutschen Sonderwegs?, in: Wolfgang Ruppert (Hrsg.), „Deutschland bleiche Mutter“ oder eine neue Lust an der nationalen Identität? Texte des Karl-Hofer-Symposiums, Berlin 1992, S. 23–26.
Eberhard Jäckel, Das deutsche Jahrhundert. Eine historische Bilanz, Stuttgart 1996, S. 154
Wolfgang Mommsen, Welche Vergangenheit hat unsere Zukunft? Anmerkungen zum Historikerstreit (1987), in: Ders., Nation und Geschichte. Über die Deutschen und die deutsche Frage, München 1990, S. 158.
Imanuel Geiss, Die Habermas-Kontroverse. Ein deutscher Streit, Berlin 1988, S. 107.
Peter Schneider, Das Ende der Befangenheit?, Paderborn 1987, S. 10
Claus Leggewie, Der Geist steht rechts. Ausflüge in die Denkfabriken der Wende, Berlin 1987, S. 220.
Gina Thomas (Hrsg.), The Unresolved Fast. A Debate in German History. A Conference Sponsored by the Wheatland Foundation, London 1990, S. 61.
Horst Möller, (Hrsg.), Der rote Holocaust und die Deutschen. Die Debatte um das „Schwarzbuch des Kommunismus“, München 1999, S. 11
Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955), München 1986, S. 704.
Hans-Ulrich Wehler, Soziologie des Totaütarismus, in: KZSS 16 (1964), S. 160.
Gerd Koenen, Der verfehlte Nexus. Nationalsozialismus und Bolschewismus, in: Kommune 7 (1988), S. 57.
Niels Kadritzke, Zweieriei Untergang in düsterer Verflechtung. Zur politischen Dimension der „Historiker-Debatte“, in: Prokla 66 (1987), S. 174.
Jürgen Habermas, Eine Diskussionsbemerkung, in: Hilmar HofFmann (Hrsg.), Gegen den Versuch, Vergangenheit zu verbiegen, Frankfurt 1987, S. 142
Wolfgang Schieder, Der Nationalsozialismus im Fehlurteil philosophischer Geschichtsschreibung. Zur Methode von Ernst Noltes „Europäischem Bürgerkrieg“, in: GG 15 (1989), S. 96.
Götz Aly, Wider das Bewältigungs-Kleinklein, in: Hanno Loewy (Hrsg.), Holocaust. Die Grenzen des Verstehens. Die Debatte über die Besetzung der Geschichte, Reinbek 1992, S. 49.
Imanuel Geiss, Die Totalitarismen unseres Jahrhunderts. Kommunismus und Nationalsozialismus im Vergleich, in: Eckhard Jesse (Hrsg.), Politischer Extremismus in Deutschland und Europa, München 1993, S. 37.
Carl Joachim Friedrich, Man and His Government. An Empirical Theory of Polidcs, New York 1963, S. 377
Carl Joachim Friedrich/Zbigniew Brzezinski, Totalitarian Dictatorship and Autocracy, Cambridge, Mass. 1956, S. 297
Calvin Hoover, Dictators and Democracies, New York 1937, S. 12
Ernst Niekisch, Das Reich der niederen Dämonen. Eine Abrechnung mit dem Nationalsozialismus (1953), Berlin 1980, S. 43.
Karl Dietrich Bracher, Die deutsche Diktatur. Entstehung — Struktur und Folgen des Nadonalsozialismus, Berlin 1976
Rights and permissions
Copyright information
© 2001 Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Kailitz, S. (2001). Geschichtsdeutungen bei linken und rechten Demokraten. In: Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83371-6_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83371-6_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13701-8
Online ISBN: 978-3-322-83371-6
eBook Packages: Springer Book Archive