Zusammenfassung
Nicht nur in der Antike wurde die Welt in einer Vielzahl symbolischer Erzählungen erklärt, die menschliche Bindung an diese mythologischen Narrationssysteme blieb in der gesamten Kulturgeschichte erhalten. Mythologien bieten im Gegensatz zur Religion “irdische Erklärungen” für Welt an. Hans Blumenberg beschreibt den homo pictor “als das mit der Projektion von Bildern den Verläßlichkeitsmangel seiner Welt überspielende Wesen.”1 In unseren Tagen haben die technischen Bilder der Massenmedien diese Funktion übernommen. Es bleibt zu fragen, warum eine nicht mythologische Gesellschaft dennoch in ihrer massenmedialen Kommunikation auf mythologische Strukturen zurückgreift. Die Antwort ist in der gleichbleibenden Faszination der Menschen an Weltvermittlung durch Erzählungen zu suchen. Hans Jürgen Heinrichs hat diese Faszination untersucht und betont, daß es nicht das Wirkliche, sondern nur “Lesarten des Wirklichen”2 gebe. “Wirklichkeit ist selbst nur ein konstruiertes und eingespieltes System von Vorstellungen, Bildern und Ideen; wir verfehlen sie, wollen wir sie auf eine einzige, in sich abgeschlossene, verschlossene Weise erörtern und begreifen.”3 Die symbolhaften Geschichten des Mythos, die Welt erklären, haben nie an Aktualität verloren.4 Im historischen Prozeß blieb neben der Welterklärung durch die Wissenschaft, die sich mit zunehmender Spezialisierung auf die Vermittlung durch Experten begrenzte, das Gegenmodell der Welterklärung durch Erzählungen erhalten. Heinrichs hat diesen Bereich auch als das “Unbewußte der Gesellschaft”5 bezeichnet. Wissenschaft und Literatur bilden nur verschiedene Zugangsweisen zur Wirklichkeit. In der medialen Vermittlung werden beide Zugangsweisen kombiniert und damit beide Denkansätze genutzt. Experten sind als wissenschaftliche Welterklärer in die narrative Struktur der Weltvermittlung eingebunden.6
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Literaturs
Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurt am Main 1996. S.14. Die Hervorhebung stammt von Hans Blumenberg.
Hans Jürgen Heinrichs: Erzählte Welt. Lesarten der Wirklichkeit in Geschichte, Kunst und Wissenschaft. Reinbek 1996. S.13
Hans Jürgen Heinrichs: Erzählte Welt. Lesarten der Wirklichkeit in Geschichte, Kunst und Wissenschaft. Reinbek 1996. S.16.
Dirk Matejovski: Von der Sinnstiftung zum Informationsdesign? Die Kulturwissenschaften in den neuen Medienwelten. In: Ders.; Friedrich Kittler Hrsg.): Literatur im Medienzeitalter. München 1996. S.252.
Thomas Kuchenbuch: Bild und Erzählung. Geschichten in Bildern. Vom frühen Comic Strip zum Fernsehfeature. Münster 1992.
Gerard Genette: Die Erzählung. München 1994. S.15.
Tzvetan Todorov: Poetik. In: Ders.: Einführung in den Strukturalismus. Frankfurt am Main 1973.
Gerhart von Graevenitz: Mythos. Zur Geschichte einer Denkgewohnheit. Stuttgart 1987.
Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurfeiner Symboltheorie. Frankfurt am Main 1997.
Vergleiche hierzu auch: Manfred Schmitz: Fernsehen zwischen Apokalypse und Integration. Baden- Baden 1985.S.l17.
Zitiert nach: Gerard Genette: Die Erzählung. München 1994.S.19.
Vergleiche hierzu: Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurtam Main 1996. S.148.
Rolf Vollmann: Die wunderbaren Falschmünzer. FrankfurtamMain 1996.S.56.
Friedrich Knilli, Erwin Reiss: Einführungin die Film-und Fernsehanalyse. Steinbach 1971.
Friedrich Knilli (Hrsg.): Die Unterhaltung der deutschenFernsehfamilie. Ideologiekritische Kurzanalysenvon Serien.München 1971.
Knut Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens. Stuttgart 1998.
Seymour Chatman: Story and Discourse. Narrative Structure in Fiction and Film. London 1978.
Len Masterman (Hrsg.): TVMythologies: Stars,Shows& Signs.London 1984.
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Bleicher, J.K. (1999). Einleitung. In: Fernsehen als Mythos. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83337-2_2
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