Ehescheidungen nach DDR-Bezirken

Zusammenfassung

Eine Aufschlüsselung der Ehescheidungen nach den einzelnen Bezirken der DDR bot ein überaus interessantes Bild: Mit 40,6 Scheidungen je 10.000 Einwohner lag die Scheidungsneigung in Ost-Berlin doppelt so hoch wie im Mittel der übrigen Republik (20,4). Während in der DDR im Zeitraum 1953–1972 ein Anstieg der Scheidungsrate urn 20 % zu verzeichnen war, lag die Zunahme in Ost-Berlin bei 35 %. Hohe Zuwachsraten wiesen auch die Bezirke Halle/S. und Frankfurt/O. auf, die schon 1953 auf einem überproportionalen Niveau lagen. Eine kongruente Entwicklung läßt sich dabei für die Entwicklung der Kriminalitätsrate in Ost-Berlin und Frankfurt/O. konstatieren.¹⁰² Für die höhere Scheidungsquote im Bezirk Frankfurt/O. waren - ebenso wie für die dortige exorbitant hohe Kriminalitätsrate - die in diesem Gebiet liegenden neugeschaffenen Industriestandorte Eisenhlittenstadt und Schwedt mit ihrem überproportionalen Anteil junger Menschen, die unter schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen wohnten, maßgeblich verantwortlich. Trotz der ideologisch „guten Voraussetzungen“ für die „Herausbildung und Festigung der neuen zwischenmenschlichen Beziehungen und für die Erziehung der Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten“¹⁰³ in diesen neugeschaffenen Aufbauzentren kam es dort in der Realitat des sozialistischen Alltags zu „einer höheren Anzahl von Ehescheidungen als in anderen Gebieten“ der DDR.¹⁰⁴ Die im Bezirk Halle/S. liegenden Kombinate der Schwerindustrie wie Buna, Leuna bedingten eine ahnliche Negativentwicklung für den ganzen Bezirk. Auch die Ghettoisierung der Arbeiterschaft¹⁰⁵ in den infrastrukturell weitgehend unerschlossenen Plattenbausiedlungen verstärkten diesen Trend.¹⁰⁶