Zusammenfassung
Eine Gesellschaft, die mehrere Lebensstile nebeneinander duldet, ist eine multikulturelle Gesellschaft. Eine solche Gesellschaft scheint darauf zu verzichten, das Leben ihres Personals mit Hilfe eines einheitlichen Weltbildes oder eines mehr oder weniger verbindlichen Kanons von Formen verbindlicher Lebenspraxen zu konditionieren. Freilich stellt auch eine solche Gesellschaft Lebensstile nicht frei zur Wahl. Genausowenig wie das Leben des einzelnen durch ein unbeeinflußbares Klassenschicksal prädeterminiert ist, mutieren moderne Lebenslagen zu bloßen Bastelexistenzen. Und wie die soziale Vergangenheit eines Menschen dessen biographische Zukunft nicht mehr ungebrochen trägt, sind biographische Verläufe alles andere als Ergebnisse rationaler Wahl und geplanten Kalküls, selbst wenn wir stets genötigt werden, uns unsere biographische Zeit als Kette subjektiver Entscheidungen zuzurechnen. Hier trifft sich die Logik des pfäffischen Beichtvaters mit der des Personalbüros, die Logik der Liebeserklärung mit der der Selbstpräsentation auf Arbeits- und Bildungsmärkten, letztlich die Logik individueller Freisetzungsprozesse mit dem stummen, manchmal auch ziemlich lauten Zwang der gesellschaftlichen Verhältnisse.
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Nassehi, A. (1998). Multikulturalität und Knappheit. In: Hillebrandt, F., Kneer, G., Kraemer, K. (eds) Verlust der Sicherheit?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83316-7_4
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