Zusammenfassung
Orientiert man sich an den Fortschrittskonzepten von Kuhn und Lakatos und den darin eingebetteten zentralen Kategorien, so lassen sich für die Politikwissenschaft folgende Feststellungen treffen: Zum einen hat die Politikwissenschaft den Zustand der an einem vorherrschenden Paradigma — oder besser Forschungsprogramm — orientierten Normalwissenschaft nie erreicht. Politikwissenschaft erscheint vielmehr als institutionalisierte außerordentliche Wissenschaft, wobei diese Einschätzung für die gesamte Entwicklung dieses „jungen Faches mit alter Tradition“ gelten kann.28 In der deutschen Politikwissenschaft bildet allenfalls die Aufbauphase nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Ausnahme, in der das Fach vor allem als Demokratiewissenschaft verstanden wurde. Forschungsinhalte und Vorgehensweisen wurden durch das übergeordnete Ziel der Vermittlung demokratischer Werte geprägt.29 Als zweite zentrale Feststellung karm gelten, daß Politikwissenschaft nur in Ausnahmefällen im Bewußtsein der Existenz zentraler Forschungsprogramme mit Kernbeständen negativer Heuristik betrieben wird.30 An der Tagesordnung ist vielmehr ein gegenstandsorientierter Eklektizismus, der Theorien und Modelle ohne Sensibilität für die zugrundeliegenden Denktraditionen und Kernannahmen einsetzt. Für die kritische Auseinandersetzung mit den spezifischen Fähigkeiten und Leistungsgrenzen einzelner theoriegestützter Vorgehensweisen bleibt wenig Raum. Wolf-Dieter Narr spricht in diesem Zusammenhang sehr treffend von der „akademischen Theorie im Zeitalter postmoderner Beliebtheiten und Beliebigkeiten“.31
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© 1998 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Ehrhart, C. (1998). Fortschritt in der Politikwissenschaft — Konzept und Realität. In: Transformation in Ungarn und der DDR. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83310-5_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83310-5_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13175-7
Online ISBN: 978-3-322-83310-5
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