Zusammenfassung
Anfang Februar 1993 erschien im Kulturteil des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ein Essay von Botho Strauß, dessen Titel, Anschwellender Bocksgesang, in kürzester Zeit zu einer stehenden Redewendung der bundesdeutschen Feuilletons avancierte. Und dies nicht nur als Gegenstand einer lebhaften ideologischen Debatte, die sich dem Essay vor allem in den Printmedien unweigerlich und über mehrere Monate hinweg anschloß, sondern auch als die derzeit wohl präziseste Bezeichnung für die Stimmungslage der westdeutschen Intelligenz in der Folgezeit der deutschen Wiedervereinigung. Man wußte, was gemeint war, wenn etwa Benjamin Henrichs anläßlich einer Kritik der Talk-Show von einem „anschwellenden Ziegengemecker“ sprach, das in „kulturbürgerlicher Hochnäsigkeit“294 die allabendlichen Fernsehdiskussionen begleite. Oder wenn Gustav Seibt in einer zur Leipziger Buchmesse erschienenen Rezension von Heiner Müllers Gedicht Mommsens Block im Sinne gebotener Trennschärfe darauf hinwies, daß es „westlicher Bocksgesang“ sei, der etwa „’das Bild des Soldaten’ zu resümieren“ trachte. Denn immerhin: „gewaltiger und gewaltsamer“ als in Müllers Theaterstück Wolokolamsker Chaussee seien „seit Jüngers’stahlgewittern’ Krieg und Solda-tentum nicht mehr zur Sprache“ gekommen.295
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© 1998 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Damm, S. (1998). Auf Sendung. Anschwellender Bocksgesang: Anmerkungen zum Verhältnis von Ästhetik und Politik. In: Die Archäologie der Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83303-7_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83303-7_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13165-8
Online ISBN: 978-3-322-83303-7
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