Zusammenfassung
Multimedia wird inzwischen umjubelt und als neue Kultur verklärt, wie auch schon das Basismedium Computer, Apotheose der Technik, als Terminator der Gutenberg- Galaxis in den Himmel gehoben wurde: “Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt; der Mensch ist auch nur ein Tier; das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus - es ist uns einigermaßen gelungen, mit diesen narzißtischen Kränkungen umzugehen. Nun schicken sich künstliche Intelligenzen an, uns auch noch die letzte stolze Domäne streitig zu machen: das Denken. (…) Die freien Gedanken sind zerebrale Software, Geist ist der Inbegriff aller möglichen Datenkombinationen, und Kultur heißt das Spiel auf der Tastatur des Gehirns. Es kommt heute darauf an, die elektronischen Extensionen des Menschen nicht als dem Menschen äußerliche Apparaturen zu begreifen” (Bolz 1994, S 9). Schlagworte wie Cyberspace und Interface, neue Theorieansprüche gegenüber alten Medien wie Grammophon, Film, Schreibmaschine (Kittler 1986), oder Fernsehen,1 immer wieder das Ende der guten alten Gutenberg-Galaxis (Bolz 1993, 1990), neuerdings futuristische Konzepte von”Telepolis“ (Rötzer 1995) und “Kommunikologie” (Flusser 1996) signalisieren einen Quantensprung der Menschheit, der trotz aller historiographischen Ansprüche eigentümlich unhistorisch erscheint. Die Brisanz von Computer und neuen Medien für unser Kulturverständnis, für unsere Kultur selbst ist ja unbestritten. Aber auch Multimedia steht nicht am Nullpunkt der Entwicklung, und es könnte sich als hilfreich für eine Bewertung - des neuen Mediums ebenso wie seiner emphatisch-enthusiastischen Propaganda - erweisen, jene diachrone Linie zu rekonstruieren, als deren momentanen Höhepunkt man Multimedia heute feiert.
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Faulstich, W. (1997). “Jetzt geht die Welt zugrunde…” “Kulturschocks” und Medien-Geschichte: Vom antiken Theater bis zu Multimedia. In: Ludes, P., Werner, A. (eds) Multimedia-Kommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83279-5_1
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