Zusammenfassung
Als jemand, der die Rechte studiert hat, stehe ich vor der Aufgabe, vor allem bei denjenigen unter Ihnen, die nicht Juristen sind, Verständnis zu wecken für das, was die Justiz im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips und des Legalitätsprinzips zu versuchen hat. Am Anfang soll ein Zitat aus dem dtv-Dokumente-Band: „Wann bricht schon einmal ein Staat zusammen?“1 (übrigens ein Ausruf von Jürgen Fuchs auf dem 39. Historikertag 1992 in Hannover) stehen. In der von der Abteilung Bildung und Forschung der Gauck-Behörde veranstalteten Abschlußdiskussion im Audimax der Universität Hannover hat Wolf Krötke, Dekan der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin, folgendes gesagt: „Die Akten des Geheimdienstes MfS, das waren die Akten des Geheimdienstes, der keine ethischen Grenzen kannte. Das Eindringen in die Privatsphäre einer ganzen Bevölkerung war sein Sinn. Die Nötigung von Menschen des Alltags zu Denunziation und Vertrauensbruch war seine Praxis. Der Versuch, Oasen der Moralität in der diktatorisch funktionalisierten Gesellschaft wie die freie Kunst, die Bürgerbewegungen und nicht zuletzt die Kirche in Zwielicht zu ziehen und zu ‘zersetzen’, war seine besondere Spezialität (die bis heute Erfolge zeitigt). In letzter Konsequenz schreckte man vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht zurück. Wie viele menschliche Schicksale in dem allem stecken, kann man heute im Grunde ja nur ahnen. Aber es ist deutlich, daß es vor allem Schicksale sind, die von der Verletzung des Menschen im Innersten, in dem was ihre Person ausmacht, reden. Es war das Wesen des Psychoterrors, mit dem der Staatssicherheitsdienst vor allem arbeitete, Menschen auf ein kümmerliches nacktes Etwas zu reduzieren, sie mit ihrer Schwachheit, ihren Fehlern und verborgenen Schwächen zu demütigen und gefügig zu machen. Die Opfer von dergleichen werden in den wenigsten Fällen strahlende Gestalten sein. Selbst wenn man die Übertreibungen abzieht, mit denen die beflissenen Mitarbeiter ihre Erfolge im Zerbrechen von Menschen registrierten, so bleiben hier doch Menschen zurück, deren Trauer und auch deren Scham über sich selbst ihre ureigenste Angelegenheit ist.“
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Literaturhinweise
Hans-Jürgen Grasemann, Fluchtgeschichten aus der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter, in: Grenzland, Beiträge zur Geschichte der deutsch-deutschen Grenze. Hrsg. Bernd Weisbrod, Hannover 1993, S. 28 ff.
ders., Die justitielle Aufarbeitung des Stasi-Erbes, Grenzen und Probleme, in: Wann bricht schon mal ein Staat zusammen! Die Debatte über die Stasi-Akten auf dem 39. Historikertag 1992. Hrsg. Klaus-Dietmar Henke, dtv dokumente München 1993
ders., Der „Schießbefehl“ — kein Verbrechen ohne Schuld. Vom gesetzlichen Unrecht zum Legalitätsprinzip, in: Politische Studien Heft 324/Juli/August 1992
ders., Der Beitrag der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter zur Strafverfolgung, in: Politische Justiz in der DDR. Die kriminelle Herrschaftssicherung des kommunistischen Regimes der DDR und die Aufarbeitung der Vergangenheit. Hrsg. Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg 1993
ders., Rechtsstaat und Gerechtigkeit, in: Die Akten der kommunistischen Gewaltherrschaft — Schlußstrich oder Aufarbeitung? Reihe Bautzen-Forum Nr. 5, Hrsg. Friedrich-Ebert-Stiftung Leipzig 1994
ders., „Wenn die Partei Weisung gibt, folgen die Richter“. Die Politische Strafjustiz als Instrument von SED und Staatssicherheit, in: Der SED-Staat. Neues über eine vergangene Diktatur. Hrsg. Jürgen Weber, München 1994
ders., „Grenzverletzer sind zu vernichten!“ Tötungsdelikte an der innerdeutschen Grenze, in: Eine Diktatur vor Gericht. Aufarbeitung von SED-Unrecht durch die Justiz. Hrsg. Jürgen Weber u. Michael Piazolo, München 1995.
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Grasemann, HJ. (1996). 42.000 Vorermittlungsverfahren der Erfassungsstelle Salzgitter leisten ihren Beitrag dazu, daß die Unrechtstaten des SED-Regimes nicht ungesühnt bleiben. In: Hollitzer, T. (eds) Einblick in das Herrschaftswissen einer Diktatur — Chance oder Fluch?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83263-4_5
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