Zusammenfassung
ART ist ein schillernder Begriff, der sich einer allgemeingültigen Definition entzieht. Die meisten ART-Lösungen zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie für spezifische Kundenbedürfnisse maßgeschneidert sind. Ferner bieten sie mehrjährige integrierte Deckungen über verschiedene Risikoklassen.
ART-Lösungen zielen darauf ab, erstens die Effizienz des Risikotransfers zu erhöhen, zweitens die Grenzen der Versicherbarkeit zu erweitern und drittens über den Kapitalmarkt zusätzliche Deckungskapazität zu erschließen. Damit werden weitere Risiken, bei deren Bewältigung ein Unternehmen keine komparativen Vorteile hat, effizient beherrschbar gemacht. Letztlich ermöglicht dies den Unternehmen, ihre Ressourcen gezielter für Kernkompetenzen einzusetzen und damit eine höhere Rendite zu erzielen.
Das Spektrum der ART-Lösungen hat sich im Verlauf der Jahrzehnte stark ausgedehnt. Zunächst wurden über Captives Frequenzschäden kosteneffizienter als durch eine traditionelle Industrieversicherung bewältigt. Seit den 80er Jahren werden Captives zunehmend auch als Finanzierungsinstrument für gewisse „Low-Frequency/High Severity“-Risiken eingesetzt, die auf traditionellem Wege nicht platziert werden können. Trotz der kontinuierlichen Erosion von steuerlichen Vorteilen und ungeachtet anhaltend niedriger Prämiensätze im traditionellen Markt dürften sie sich als Instrument eines holistischen Risikomanagements behaupten.
Neben Captives gehören Finite-Konzepte zu den bereits etablierten ART-Lösungen. Finite-(Rück-)Versicherung beruht primär auf einem Risikoausgleich über die Zeit — individuell für jeden Versicherungsnehmer. Die wichtigsten Vorteile aus der Sicht des Kunden bestehen darin, die Risikokosten stabilisieren sowie — durch die Eindämmung von Altlasten — den Unternehmenswert steigern und Unternehmensübernahmen und -Zusammenschlüsse erleichtern zu können. Zu den neueren ART-Varianten zählen integrierte Mehrjahres-Mehrsparten-Produkte. Die wesentlichen Vorteile für den Käufer sind: Die Bündelung negativ korrelierter oder unkorrelierter Risiken setzt unternehmenseigene Diversifikationspotenziale fur eine Erhöhung des Selbstbehalts frei und verringert somit das Problem der Überversicherung. Eine weitere Innovation stellen Multi-Trigger-Produkte dar, bei denen die Schadenzahlung durch das Eintreten mindestens zweier Versicherungsereignisse innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgelöst wird. Ebenfalls zu den Produktinnovationen zählen Contingent-Capital-Lösungen. Hierbei wird ein Versicherungsschaden erst nach dessen Eintritt durch die Aufnahme von Eigen- oder Fremdkapital finanziert — zu ex ante festgelegten Bedingungen.
Besondere Aufmerksamkeit haben während der letzten Jahre Versuche gewonnen, Versicherungsrisiken direkt an Kapitalmarktinvestoren zu transferieren. Dies kann zum einen durch die Verbriefung von Risiken in Form von Versicherungsanleihen geschehen, zum anderen aber auch durch Derivat-Transaktionen. Der Versicherungsnehmer erlangt auf diese Weise zusätzliche, kreditrisikofreie Kapazität (insbesondere für Katastrophenschäden), während Investoren ihre Anlageportefeuilles weiter diversifizieren können.
Das Potenzial für einen anhaltenden Aufschwung von ART-Lösungen ist beträchtlich: Die fortschreitende Globalisierung, die Deregulierung weiterer Industrie- und Dienstleistungsbranchen, die wachsende Orientierung am Shareholder Value sowie der rasche Wandel der Risikolandschaft lassen die Ineffizienzen traditioneller Versicherungslösungen immer stärker hervortreten.
Dieser Beitrag ist eine leicht modifizierte Fassung einer Studie, die im Mai 1999 von Swiss Re im Rahmen der internen sigma-Publikationsreihe veröffentlicht wurde.
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Baur, E., Schanz, KU. (2000). Alternativer Risikotransfer (ART) für Unternehmen: Modeerscheinung oder Risikomanagement des 21. Jahrhunderts?. In: Hehn, E. (eds) Innovative Kapitalanlagekonzepte. Gabler Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-82278-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-82278-9_4
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