Advent, Advent, die Sonne brennt ...

Zusammenfassung

Ich freue mich auf Weihnachten, auf Fondanteier und Schokohasen, Waffeleier und lustiges Eierpicken. Wie, Sie meinen, ich hätte mich im Fest geirrt? I wo, Sie sind von gestern! Moderne Leute wie ich sind der Zeit einfach voraus. Sie träumen vielleicht noch von Lebkuchen und Schoko-Nikoläusen! Igitt, dieses olle Zeug. Das habe ich schon Anfang September genossen, kurz nach dem Sommerurlaub. Ich musste nur immer aufpassen, dass das ganze Zeugs nicht in der Sonne schmolz, als ich bei 33 Grad am Starnberger See auf der Luftmatratze die ersten Lebkuchenherzen vernaschte. Ich gebe es ja zu, noch vor einigen Jahren hat es auch mich schier umgehauen, wenn ich am Ende der Sommerferien im Tengelmann die ersten Dominosteine erblickte. Mit offenem Mund stand ich damals vor dem Wühltisch in der Ladenmitte mit den verschiedensten Weihnachtskeksen: Lebkuchen mit heller Schokolade, mit dunkler, mit Kirschfüllung, Spekulatius mit und ohne Mandeln. „Sind die irre?“, war das Einzige, was ich herausbrachte. Doch man gewöhnt sich an alles, und wie heißt es so schön: „Future is in.“ Die Zeiten ändern sich und die Zeit verrinnt immer schneller. Haben Sie schon einmal Anfang Dezember versucht, einen Skianzug zu kaufen? Also dann, wenn tatsächlich mit dem ersten Schnee zu rechnen ist und Sie Ihren Winterurlaub im Februar planen? Die Verkäuferinnen starren Sie an wie den letzten Steinzeitmenschen: „Also, da hätten Sie im August kommen müssen, da hatten wir noch die breite Auswahl. Hä, im August? Na klar! Ich Dummerchen, ich. Während ich auf Balkonien die Füße ins kalte Wasser gesteckt habe, um bei 36 Grad nicht ohnmächtig zu werden, sind die schlauen Füchse schon unterwegs gewesen: Skianzüge probieren, am liebsten die aus Goretex, atmungsaktiv, und mit lustigem Webpelzbesatz an der Kapuze. Diese Zeitverschiebung zieht sich inzwischen durch das ganze Jahr: Bikinis kauft man am besten im Januar, denn schon im Mai werden die Regale für die Herbstmode geräumt. Ist Ihnen schon mal aufgefallen: Sogar Frauenzeitschriften erscheinen immer früher: Die Dezembernummer bekommen Sie schon Mitte November und die Januarausgabe rechtzeitig vor Weihnachten. Irgendwann werden die sich um ein Jahr überholt haben. Dann erscheint die Juliausgabe 2002 schon im Juli 2001. Na, wär’ ja eigentlich auch egal. Langfristiges Planen ist also angesagt. Ich finde das okay, wenn‘s ums Geschäft geht, auch wenn ich mir schon komisch vorkomme, wenn ich am Telefon sagen muss: „Also der Oktober nächstes Jahr ist schon ziemlich voll, ich weiß nicht, ob wir da noch einen Termin reinbekommen.“ Natürlich müssen Veranstalter und Unternehmen langfristig planen. Das macht Sinn. Aber manchmal nimmt das schon komische Formen an. Ich erinnere mich, wie ich Mitte September die ersten Geschenkservice-Kataloge mit den Weihnachtspräsent-Angeboten auf den Schreibtisch bekam. Süße Engelein posaunten auf allem, was sich bedrucken lässt und nicht schreit. Teelichter flackerten in allem, was rund, silbern oder gold war. Das Fest drohte, während ich es in dieser Zeit gerade mal schaffte, endlich die Urlaubsbilder zum Entwickeln zu bringen. Aber das ist ja gar nichts, wenn man die Weihnachtsläden sieht, die gleich ganzjährig Rauschgoldengel und Weihnachtskrippen anbieten. Ich kannte so einen Laden in Rothenburg ob der Tauber, in dem Hundertschaften von japanischen und amerikanischen Touristen „how nice“ deutsche Weihnachtskultur erobern. Aber neulich entdeckte ich so einen Ganzjahreskitschladen sogar in einer kühlen Hamburger Einkaufspassage, im Levantehaus.