Zusammenfassung
Der bilanzrechtliche Begriff der Verbindlichkeit (einschließlich der Ungewissen Verbindlichkeiten) wird im deutschen Bilanzrecht in einem ersten Schritt durch das Vermögensermittlungsprinzip, ergänzt durch das Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, konkretisiert: Entsprechend dem primären Sinn und Zweck der Bilanz im Rechtssinne, das kaufmännische Vermögen im wirtschaftlichen Sinne zu erfassen, mithin wirtschaftlich sinnvolle Informationen über die Ausschüttungsrichtgröße bereitzustellen, ist der bilanzrechtliche Verbindlichkeitsbegriff in wohlverstandener wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß seinem wirtschaftlichen Normzweck zu interpretieren. Dieser gebietet, bilanzrechtliche Schulden grundsätzlich als negative wirtschaftliche Vermögenswerte, also wirtschaftliche Vermögensbelastungen,321 im Sinne von Ausgabenpotenzialen zu verstehen. Analog hierzu formuliert der BFH, die Bilanz habe „den Bestand an Schulden, die den Kaufmann wirtschaftlich belasten”,322 darzustellen. Zwingende Konsequenz ist, dass die bilanzielle Schuld nicht einer Rechtsverpflichtung gleichgesetzt werden darf,323 sondern im Gegenteil das Bestehen einer solchen Rechtsverpflichtung weder eine notwendige noch eine hinreichende Passivierungs-Voraussetzung darstellt;324 bereits DÖLLERER betonte, dass es „die wirtschaftliche Betrachtungsweise, deren Unentbehrlichkeit für das Bilanzrecht allgemein anerkannt wird, gebietet (…), eine tatsächliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten bilanzrechtlich einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten gleichzusetzen.”325 In diesem Sinne „nicht notwendig” ist eine Rechtsverpflichtung aus dem Grunde, da auch rein wirtschaftliche bzw. rein faktische Leistungsverpflichtungen326 passivierungspflichtig sind, soweit diese hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Vermögensbelastungen verkörpern.327
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© 2004 Deutscher Universitäts-Verlag/GVW Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Pisoke, M. (2004). Die Zweck(in)adäquanz der Passivierungsnormen von ungewissen Verbindlichkeiten liabilities gemäß dem deutschen Bilanzrechtssystem und der angelsächsischen Referenzsysteme IAS und US-GAAP. In: Ungewisse Verbindlichkeiten in der internationalen Rechnungslegung. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-81697-9_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-81697-9_3
Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag
Print ISBN: 978-3-8244-8038-8
Online ISBN: 978-3-322-81697-9
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