Zusammenfassung
Die Diskussion über die Errichtung eines staatlichen Aufsichtsamts für den Kapitalmarkt in Deutschland bzw. Europa reicht lange zurück. Bereits im Jahr 1873 wurde die Gründung einer Behörde zur Kontrolle von Aktiengesellschaften in Deutschland erörtert.1 Seitdem wurden im deutschen Schrifttum bei der Forderung nach einer Staatsbehörde wiederholt als potenzielle Aufgaben die Kontrolle der Publizität einschließlich der Überwachung der Rechnungslegung bzw. seit Einführung der gesetzlichen Abschlussprüfung die Wahrung der Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer genannt.2 Der Gesetzgeber erkannte die Notwendigkeit des verstärkten Schutzes der Aktionäre und anderer Interessengruppen, insbesondere vor betrügerischen und manipulativen Praktiken von Aktiengesellschaften. Seine Maßnahmen zur Umsetzung dieses Ziels beschränkten sich jedoch lange Zeit im Wesentlichen auf die Ausweitung der Aktionärsrechte sowie die Verbesserung der Unternehmenspublizität.3 Die Vorschläge zur Einrichtung eines Börsenaufsichtsamts4 fanden erst Mitte der 90er Jahre Resonanz beim Gesetzgeber, indem mit dem Wertpapierhandelsgesetz5 die rechtlichen Voraussetzungen für die Gründung einer Kapitalmarktaufsicht in Deutschland geschaffen wurden. Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurde das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) in Frankfurt am Main errichtet, das am 1. Januar 1995 seine Tätigkeit aufnahm. Inzwischen wurde das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel mit den ehemaligen Bundesaufsichtsbehörden für das Kreditwesen (BAKred) und das Versicherungswesen (BAV) unter dem Dach der neuen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zusammengeführt, jedoch ohne dass mit der Neuorganisation der Aufsicht materielle Änderungen der Rechtsgrundlagen der Aufsicht verbunden waren.6
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Notes
So wurde auf Veranlassung der „Eisenacher Versammlung zur Besprechung der Socialen Frage“ von Wiener/Goldschmidt/Behrend (1873), S. 1–90, unter anderem die Frage begutachtet: „Soll außer der Controle des Publicums (Actionäre, Gläubiger) eine weitere Controle durch den Staat und welcher Art (Controlämter, oder im einzelnen Fall beauftragte Behörden) eingeführt werden?“ (vor S. 1, Inhalt, B. Einzelne Punkte).
Vgl. Richter (1975), S. 245–254 m. w. N., der eine chronologische Abfolge der Diskussion in der Literatur über die Schaffung eines „Aktienamts“ vermittelt.
Zur Stärkung der Stellung des Aktionärs verabschiedete die Legislative verschiedene Gesetzesvorschriften, so z. B. die Regelungen im Zusammenhang mit der Aktienrechtsreform 1965 und der Börsenreform 1968 sowie das Publizitätsgesetz 1969. Die wesentlichen Grundlagen des deutschen Kapitalmarktrechts sind das Börsengesetz, das am 1.01.1897 in Kraft trat, und das Wertpapierhandelsgesetz, das seit 1.01.1995 anzuwenden ist. Vgl. Kümpel (2000), S. 1209–1210, 1765, 1954. Zum Begriff des Kapitalmarktrechts vgl. Deckert/von Rüden (1998), S. 46–48 mit einer Darstellung verschiedener Definitionsmöglichkeiten.
Vgl. z. B. Engler (1967), S. 289, der sich dafür ausspricht, eine Behörde zur Kontrolle von Geschäftsberichten und von Auskunftserteilungen auf Hauptversammlungen zu gründen; als suboptimale Lösung wertend Bremer (1970), S. 1.
Das Wertpapierhandelsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung ist Bestandteil des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes (FFG) vom 26. Juli 1994. Vgl. BGBl I, 1994, S. 1749–1760. Durch das 2. FFG wurden unter anderem die EU-Insiderrichtlinie und die EU-Transparenzrichtlinie in nationales Recht umgesetzt.
Die rechtliche Grundlage ist das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. April 2002, vgl. BGBl. I 2002, S. 1310–1337.
Gemäß § 1 Abs. 1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) ist die BaFin eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Bundesanstalt untersteht der Rechts-und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (§ 2 FinDAG). Der Präsident der BaFin wird nach § 9 Abs. 2 FinDAG auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten ernannt. Die Behörde beschäftigt etwa 140 Mitarbeiter.
Die Bestimmungsfaktoren eines funktionsfähigen Kapitalmarkts sind die Marktfunktion, die Bewertungsfunktion sowie die Allokationsfunktion. Vgl. Kress (1996), S. 33. Die Marktfunktion des Kapitalmarkts besteht darin, das Kapital derart von den Sparern zu den Investoren zu leiten, dass Angebot und Nachfrage nach längerfristigen Finanzierungsobjekten in Übereinstimmung gebracht werden. Die Bewertungsfunktion kommt an der Börse durch die Feststellung aktueller Marktpreise zur Bewertung von Wertpapieren zum Ausdruck. Die Allokationsfunktion ist erfüllt, wenn das angebotene Kapital der Anleger bei gleichen Risiken (Renditen) alternativer Kapitalanlagen in die Anlage mit der höchsten Rendite (dem geringsten Risiko) fließt. Vgl. Assmann (1997), S. 14, Tz. 24.
Anlegerschutz ist in diesem Zusammenhang der „Schutz von Privaten, die Ansprüche gegen ein oder Beteiligungen an einem Unternehmen erwerben, zu dessen Finanzierung sie beitragen …“. Schwark (1979), S. 6.
Voraussetzung für eine hohe Markttransparenz ist die Veröffentlichung von Unternehmensinformationen. Vgl. Schimmöller (1974), S. 183.
Ein börsennotiertes Unternehmen hat noch nicht öffentlich bekannte Tatsachen, die den Börsenkurs erheblich beeinflussen können, schnellstmöglich der Öffentlichkeit mitzuteilen (§ 15 WpHG). Zur Ausgestaltung der Regelungen der Ad-hoc-Publizität in Deutschland nach Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21. Juni 2002 vgl. Großmann/Nikoleyczik (2002), S. 2032–2033.
Vgl. §§ 20a und 20b WpHG. Zum darüber hinausgehenden Geltungsbereich der Regelung siehe §§ 20a Abs. 1 und Abs. 2 WpHG. Die Vorschrift trat an die Stelle von § 88 BörsG a. F., deren Einhaltung von der Staatsanwaltschaft überwacht wurde. Vgl. Lenzen (2002), S. 3.
Zu weiteren Aufgaben siehe ausführlicher Gliederungspunkt 5.1.1.
Daneben dient die „Informationsproduktion“ den Kreditmärkten. Hax trifft somit — anders als in dieser Arbeit — eine generelle Unterscheidung in Eigen-und Fremdkapital. Des Weiteren soll die Rechnungslegung Informationen vermitteln, an die „gesetzliche oder vertragliche Rechtsfolgen“ anschließen und für eine „nicht genauer umrissene allgemeine Öffentlichkeit“. Hax (1988), S. 190–191.
Hax (1988), S. 200.
Vgl. Kress (1996), S. 30; Häuser (1995), Sp. 1123. Kurzfristige Finanzierungsmittel werden auf dem Geldmarkt gehandelt.
Für Zwecke dieser Arbeit soll von diesem Verständnis ausgegangen werden. Vgl. auch Gehrmann (1978), S. 24—25. Bestimmte Bereiche des Finanzmarkts (z. B. Bausparwesen, Versicherungen) werden dadurch ausgeklammert. Vgl. Häuser (1995), S. 1123.
Vgl. Büschgen (1998), S. 199; Häuser (1995), S. 1127.
Vgl. Schacht (1980), S. 11–15; Schneider (1981), S. 20. Als Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 WpHG gelten im Wesentlichen Aktien, Aktien vertretende Zertifikate, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine und mit Aktien oder Schuldverschreibungen vergleichbare Wertpapiere sowie Anteilsscheine an Investmentfonds, wenn sie an einem Markt gehandelt werden können. Für Böcking verliert vor dem Hintergrund der genannten, anerkannten Kapitalmarktdefinition die Trennung von Gläubigerschutz und Investororientierung der Rechnungslegung an Relevanz, weil in Effekten verbriefte Schuldtitel von Individuen erworben werden, die aus ökonomischer Perspektive Anleger (Investoren) und aus juristischer Sicht Gläubiger sind. Vgl. Böcking (1998), S. 21.
Vgl. Kress (1996), S. 1.
Vgl. Engels (1992), S. 15; Hopt (1985), S. 108.
Vgl. BT-Drucksache 12/6679, S. 33–34.
Zur Einteilung der Publizitätsinstrumente börsennotierter Unternehmen vgl. Alvarez/Wotschofsky (2000), S. 3–10.
Rechnungslegungsdaten können ferner in den Publizitätsinstrumenten Hauptversammlung, Bilanzpressekonferenz, DVFA-Meetings, Road-Shows etc. veröffentlicht werden. Vgl. zu den Kommunikationsinstrumenten Diehl/Loistl/Rehkugler (1998), S. 11–13.
Vgl. Baetge/Armeloh/Schulze (1997), S. 176; grundlegend zum Stellenwert von Informationen im ökonomischen Verhaltensmodell Blankart (1994), S. 12. Informationen ergänzen das unvollständige Wissen eines Individuums, das sich in einem Prozess der Entscheidung befindet. Vgl. Wessling (1991), S. 26.
Vgl. Nowak (2000), S. 12. Mit der Kommunikationsfunktion der Preise und der Anpassungsgeschwindigkeit der Preise auf Informationen beschäftigt sich das gleichgewichtstheoretische Konzept der Informationseffizienz, ein Begriff, dessen klassische Definition auf Fama zurückgeht. Nach Fama ist ein Markt in diesem Zusammenhang effizient, wenn die Kurse der Finanztitel immer sämtliche öffentlich zugänglichen Informationen über ein Unternehmen (z. B. in Jahresabschlüssen, Zwischenberichten und sonstigen Bekanntmachungen) vollständig widerspiegeln (halbstrenge Informationseffizienz). Vgl. Fama (1970), S. 388; Fama (1991), S. 1607. Sein modelltheoretischer Ansatz hat in der wissenschaftlichen Diskussion in signifikantem Maße Verwendung gefunden. Vgl. Lorie/Hamilton (1973), S. 70–71; Müller (1992), S. 30–33; Sapusek (1998), S. 263. Eine einführende Erklärung des Kriteriums „Effizienz“ liefert Posner (1993), S. 86–88. Auch der oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court) traf in einem einschlägigen Urteil die Annahme, dass „the price of a company’s stock is determined by the available material information regarding the company and its business.“ Basic Inc. vs. Levinson, 485 U.S. 224, 241 (1988). Auch wenn die praktische Gültigkeit der These von der halbstrengen Informationseffizienz nicht zuletzt wegen der Annahme streng rationaler Individuen fragwürdig ist, so verdeutlicht das Modell Famas zumindest das Verhältnis zwischen Informationen und Preisen. Vgl. Beaver (1998), S. 125–158.
Vgl. Weber (1994), S. 32; Sapusek (1998), S. 5.
Vgl. Feldhoff (1992), S. 6.
Der Begriff Jahresabschluss bezieht sich im Kontext dieser Arbeit sowohl auf rechtlich abgegrenzte Unternehmenseinheiten als auch auf wirtschaftlich verbundene (Konzern-)Unternehmen, sofern nicht explizit ausschließlich auf einen Konzernabschluss Bezug genommen wird.
Zur Schaffung dieser eigenständigen Anspruchsgrundlagen vgl. BMF (2001), S. 3–4.
Vgl. Wüstemann (2002), S. 723.
Ein Aufsichtsrat kann jederzeit einen Ausschuss bilden und ihm Einzelaufgaben gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG übertragen, wobei ein solches Gremium nach dem Negativkatalog des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG unter anderem bei der Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Gewinnverwendung nur vorbereitend tätig sein darf. Auch im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCG-Kodex) wird die Bildung eines Prüfungsausschusses empfohlen. Vgl. Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (2003), Tz. 5.3.2. Zur Delegation von Aufgaben an einen Aufsichtsratsausschuss vgl. Ziemons (2000), S. 77–81.
Vgl. Girnghuber (1998), S. 215.
Vgl. NYSE (2003a), Sec. 303.01 Listed Company Manual; Blue Ribbon Committee (1999), S. 29–33, 43.
Vgl. Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rn. 277.
Unter dem Begriff Regulierung wird in diesem Kontext allgemein die Festlegung und Durchsetzung von Vorschriften zur Beeinflussung von Märkten verstanden. Das US-amerikanische System der Regulierung zeichnet sich durch Kommissionen mit eigener Rechtspersönlichkeit aus, die einen gesetzlichen Auftrag durchführen; vgl. sinngemäß die drei Definitionsansätze der staatlichen Regulierung von Müller/Vogelsang (1979a), S. 342. Die Regulierung ist demnach ein „Instrument zur Erreichung von Zielen.“ Feldhoff (1992), S. 9. Die Regulierung macht sich durch den Eingriff in die „individuelle Handlungs-und Vertragsfreiheit“ bemerkbar. Cassel (1989), S. 37, 48.
Zur Notwendigkeit der institutionellen Neuerung des deutschen Kapitalmarkts vgl. umfassend Böckem (2000) und Tielmann (2001), die eine marktergänzende Instanz zur Kontrolle und zur Durchsetzung von Rechnungslegungsstandards für erforderlich halten.
Vgl. Baltensperger (1988), S. 165.
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Kiefer, M. (2003). Einleitung und Problemstellung. In: Kritische Analyse der Kapitalmarktregulierung der U.S. Securities and Exchange Commission. Rechnungswesen und Unternehmensüberwachung. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-81631-3_1
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