Zusammenfassung
Bevölkerungspolitik im Sinne eines geplanten, methodischen Eingriffs in das generative Verhalten von Bevölkerungen wird heute sowohl von einzelnen Staaten gegenüber der eigenen Bevölkerung als auch gegenüber der Bevölkerung anderer Staaten praktiziert. Sie ist nicht nur fester Bestandteil internationaler und nationaler Politik, sondern hat in Folge des Konsenses von Kairo auch eine neue öffentliche Legitimation erlangt. Wie alle anderen Politikfelder wird auch Bevölkerungspolitik maßgeblich von den Interessen der Hauptakteure bestimmt. Im Bereich der Bevölkerungspolitik gehören dazu sowohl einflussreiche private Organisationen, die häufig von Industriellen unterstützt werden, internationale Organisationen wie die UNO oder die Weltbank und nationale Regierungen als auch zahlreiche reformerische Bewegungen und religiöse Gruppen (vgl. Mertens 1998: 156f.). Zu den von ihnen verfolgten Interessen zählen vor allem die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems und die Ausdehnung des eigenen Einflussbereiches, die Sicherung von Ressourcen, die Entwicklung neuer Technologien, die „Optimierung“ der Bevölkerung, die Kontrolle der Gebärfähigkeit von Frauen und der Erhalt der natürlichen Umwelt (vgl. Schneider 2000: 10). Nach Aufnahme der zentralen Forderungen der Frauengesundheitsbewegung in das Abschlussdokument der jüngsten Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo verbleibt nur noch ein kleiner Teil von Kritikerinnen, die Bevölkerungspolitik und das ihr zugrundeliegende Dogma der „Überbevölkerung“ noch immer als eine Strategie zur Aufrechterhaltung eines auf westlichen Werten basierenden, männlich dominierten kapitalistischen Weltsystems grundsätzlich ablehnen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Asmah, Gladys 1999: Bevölkerungspolitik in Afrika. In: ders. (Hrsg.): Kairo+5. Chancen und Hindernisse einer erfolgreichen Bevölkerungspolitik. Sankt Augustin, S. 52–55
Aufhauser, Elisabeth 2001: Diskursfeld Bevölkerungspolitik. Zwischen “Menschenökonomie” und “Menschenrechten”. In: Journal für Entwicklungspolitik XVII Jahrgang (2001)1, S. 7–28
Fleischer, Hans/Hinz Catherina 2002: Dynamik und Divergenz. Bevölkerungspolitik in Entwicklungsländern. In: Internationale Politik 57. Jahrgang (2002) Nr.11, S. 31–36
Foucault, Michel 1992: Leben machen und sterben lassen: Die Geburt des Rassismus. In: Schwarz, Richard (Hrsg.): Bio-Macht. Duisburg, S.27–52
Gesetz zum Schutz von Embryonen. Unter: www.juris.de (14.03.03)
Girard, Francoise 1999: Cairo+Five: Reviewing progress for women five years after the international conference on population and development. In: Journal of Women’s Health and Law vol 1(1999) no 1. Unter: http: //www.unfpa.org/gender/pubs.htm (10.3.03)
Hahn, Daphne 2000: Modernisierung der Biopolitik. Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach 1945. Frankfurt am Main
Heim, Susanne/Schaz, Ulrike 1994: “Das Revolutionärste, was die Vereinigten Staaten je gemacht haben”. Vom Aufstieg des Überbevölkerungsdogmas. In: Wichterich, Christa (Hrsg.): Menschen nach Maß. Göttingen, S. 129–150
Hoffmann, Monika 1999: Mehr Geld für weniger Menschen. In: Blätter des Informationszentrums 3. Welt (1999) 237. Ausgabe, S. 16
Hofmann, Heidi 1999: Die feministischen Diskurse über Reproduktionstechnologien. Positionen und Kontroversen in der BRD und den USA. Frankfurt am Main
Hummel, Diana 2000: Feministische Debatten über Bevölkerungspolitik und reproduktive Rechte: Einmischung und Abgrenzung. In: Klingebiel, Ruth/Randeria, Shalini (Hrsg.): Globalisierung aus Frauensicht. Bilanzen und Visionen. Bonn. 2. Aufl., S.186–213
Kayser, Gundula 1986: Aktionswoche: Frauengruppen gegen Gen und Fortpflanzungs-techniken. In: Die Grünen im Bundestag/AK Frauenpolitik &Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V.(Hrsg.): Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik, Dokumentation zum Kongreß vom 19.-21.4. 1985 in Bonn. Köln, S. 198f.
Klinkhammer, Gisela 1999: Pränatale Diagnostik: “Ein für Ärzte bedrückendes Dilemma.” In: Deutsches Ärzteblatt 96. Jahrgang (1999) Heft 20, S. A-1332-A-1335
Klinkhammer, Gisela 2003: Pränatale Diagnostik: Engere Grenzen für Spätabtreibung. In: Deutsches Ärzteblatt 100. Jahrgang (2003) Heft 28–29, S. A–1913
Köbsell, Swantje 1994: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten...? Alte und neue Eugenik in Deutschland. In: Wichterich, Christa (Hrsg.): Menschen nach Maß. Göttingen, S. 85–106
Kollek, Regine 1998: Jenseits der guten Hoffnung. Vom Schwangerschaftskonflikt zur Embryonenselektion. In: Arbeitskreis Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Frauen und Gesundheiten) in Wissenschaft, Praxis, Politik. Bern/Göttingen etc., S. 220–235
Kozuch, Karin 1999: Zwischen Gebärzwang und Zwangssterilisation. Die bevölkerungspolitische Debatte in der internationalen Frauenbewegung. Münster
Mertens, Heide 1998: Frauen und internationale Bevölkerungspolitik. Was heißt hier Selbstbestimmung? In: Ruppert, Uta (Hrsg.): Lokal bewegen global verhandeln: internationale Politik uns Geschlecht. Frankfurt am Main/New York, S. 156–182
Mies, Maria 1986: Reproduktionstechnik als sexistische und rassistische Bevölkerungspolitik. In: DDE GRÜNEN im Bundestag/AK Frauenpolitik &Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V. (Hrsg.): Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik. Dokumentation zum Kongreß vom 19.-21.4.1985 in Bonn. Köln, S. 44–47
Presse und Informationsamt der Bundesregierung 1995: Die Bundesregierung informiert. §218 StGB-Was ist neu ? Bonn
Richter, Judith 1994: Außer Kontrolle: Anti-Schwangerschafts-“Impfstoffe”, “Schwangerschaftsepidemien” und Mißbrauch. In: Wichterich, Christa (Hrsg.): Menschen nach Maß. Göttingen, S. 163–180
Schlehbusch, Cornelia 1994: Bevölkerungspolitik als Entwicklungsstrategie. Frankfurt am Main
Schneider, Ingrid 1994: Befruchtungs-Märkte Frauen als Lieferantinnen und Konsumentinnen der Fortpflanzungsindustrie. In: Wichterich, Christa (Hrsg.): Menschen nach Maß. Göttingen, S. 39–66
Schneider, Sonya 2000: Bevölkerungspolitik Vom Zwang zum Konsens. Eine Analyse des bevölkerungsökonomischen und bevölkerungspolitischen Diskurses sowie des Diskurses der Frauen(gesundheits)bewegung. Bremen
Schultz, Dagmar 1998: Die Gesundheitsversorgung von Frauen im Spannungsfeld von Globalisierungsprozessen ein internationaler Vergleich. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 21. Jahrgang (1998) Heft 49/50, S. 165–192
Schultz, Susanne 1995: Feministische Bevölkerungspolitik? Zur internationalen Debatte um Selbstbestimmung. In: Eichhorn, Cornelia/Grimm, Sabine (Hrsg.): Gender Killer. Texte zu Feminismus und Politik. Berlin. 2. Auflage, S. 11–23
Schultz, Susanne/Tamayo, Giulia 1998: Kairo in Peru: Die bittere Realität der “Reproductive Rights”. In: ak-analyse + kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr.421 (1998). Unter: www.akweb.de/ak_s/ak421/13.htm (14.03.03)
Schwarz, Ingrid 2001: Bevölkerungspolitik, reproduktive Rechte und Empowerment von Frauen. Durch globale Perspektiven zu lokalen Veränderungen. In: Journal für Entwicklungspolitik XVII (2001)1, S. 69 86
Smyth, Ines 1995: Bevölkerungspolitik: Offizielle Antworten auf feministische Einsprüche. In: Feministische Studien Band 13 (1995) 2, S. 92–106
Spiller Ingrid 1994: Objekt “Frau” in Familienplanungsprogrammen. In: Wichterich, Christa (Hrsg.): Menschen nach Maß. Göttingen, S.151–162
Strobl, Ingrid 1993: Strange Fruit. Bevölkerungspolitik: Ideologien Ziele Methoden -Widerstand. Berlin; Amsterdam, 3. Aufl.
Többe, Bianca 2001: Wie Malthus nach Kairo (+5) kam. Der Überbevölkerungsdiskurs wechselt seine Vorzeichen. In: Blätter des Informationszentrums 3. Welt (2001) 250. Ausgabe, S. 10–12
UNFPA 2002: State of the world population: people, poverty and possibilities. Press summary. www.unfpa.org/swp/2002/pdf/english/swp2002summary_eng.pdf (10.03.03)
United Nations 5 October 1999: Twenty-first special session of the General Assembly for an overall review and appraisal of the implementation of the Programme of Action of the International Conference on Population and development. Report of the Secretary-General. http: //www.un.org/popin.unpopcom/32endsess/gass/54442e.pdf. (10.03.03)
Weikert, Aurelia 2001: Zu viel oder zu wenig? Alte Ideen vom “besseren” Menschen und neue Reproduktionstechnologien. In: Journal für Entwicklungspolitik XVII (2001)1, S. 29–46
Wichterich, Christa 1994: Frei und verantwortlich. Geburtenkontrolle, Reproduktionstechnologie und Bevölkerungspolitik zwischen Zwang und Freiwilligkeit. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 17. Jahrgang (1994) Heft 37, S. 111–126
Wichterich Christa 1995: Frauen der Welt. Vom Fortschritt der Ungleichheit. Göttingen
Will, Annette 1999: Angst vor der entscheidungsfähigen Frau. In: Freitag. Die Ost-West Wochenzeitung 23. Juli 1999. Unter: www.freitag.de/1999/30/99301802.htm (17.03.03)
Zimmermann, Susan 1988: Weibliches Selbstbestimmungsrecht und auf “Qualität” abzielende Bevölkerungspolitik. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 11. Jahrgang (1988) Heft 21/22, S. 53–71
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Schulz, A. (2004). Leistungsfähig, männlich, weiß Bevölkerungspolitik im Zeitalter der Reproduktionsmedizin. In: Roß, B. (eds) Migration, Geschlecht und Staatsbürgerschaft. Politik und Geschlecht, vol 16. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80978-0_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80978-0_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-4078-7
Online ISBN: 978-3-322-80978-0
eBook Packages: Springer Book Archive