Zusammenfassung
Das Wort „Zivilgesellschaft“hat im Deutschen große Popularität erlangt. Der Begriff ist eindeutig positiv besetzt, er lebt von der Gegenüberstellung zum Staat und transportiert darin die alte Frontstellung zwischen Obrigkeit und sich selbst regulierender Gesellschaft. Dass zivil einmal als Gegenbegriff zu militärisch in Gebrauch war, verstärkt diese antietatistische Komponente. Als Übersetzung des englischen civil society scheint der Begriff zudem auch von der anglo-amerikanischen Demokratietradition zu zehren. Inzwischen findet sogar eine Rückübersetzung des Sprachimports statt, indem zunehmend der Begriff Bürgergesellschaft Verwendung findet. Dass damit nicht unbedingt eine Präzisierung verbunden ist, zeigen Verlautbarungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“. Dort wird die Bürgergesellschaft als „Gemeinwesen, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der politischen Demokratie selbst organisieren und auf die Geschicke des Gemeinwesens einwirken können“definiert. In dieser Definition schimmert im Grunde ein Begriff von Demokratie light durch, in dem es nicht um die Herrschaft des Volkes geht, sondern um die Einwirkung der Bürger auf die Geschicke des Gemeinwesens. Man kann das durchaus so übersetzen, dass die Bürger nicht herrschen sollen, sondern nur einwirken, nur mitreden sollen, ohne dass ihnen wirklich voile Gestaltungskompetenz zugebilligt würde.
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Hettling, M. (2004). „Bürgerlichkeit“und Zivilgesellschaft. Die Aktualität einer Tradition. In: Jessen, R., Reichardt, S., Klein, A. (eds) Zivilgesellschaft als Geschichte. Bürgergesellschaft und Demokratie, vol 13. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80962-9_3
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