Die Mythen der Nation und der Modernität in der ‚klassischen‘ Epoche von Nationalstaat und Moderne

Zusammenfassung

Die Analysen zum ersten Untersuchungszeitraum zeigten, dass es unter dem Eindruck der revolutionären Durchsetzung des bürgerlichen Nationalstaats und der zunehmenden Geltung der Werte der Modernität zu Reformulierungen von Einheits- bzw. Sinnstiftungsmythen gekommen war, die ihre Attraktivität vor allem auf die bürgerlichen Eliten nicht verfehlten. Da die Moderne ihre eigene Identität in Dynamik, Fortschritt und Entwicklung hat, gewissermaßen im Prinzip der immerwährenden Modernisierung, soll im Folgenden bevorzugt interessieren, wie sich die Modernisierungstrends in Wirtschaft und Gesellschaft, in Politik und den Denkbewegungen auf jene Mythen der Nation und der Modernität auswirkten, die im Zeitalter der Revolution erst für Teile der Bevölkerung Einheit legitimierten bzw. Sinn verbürgten. Zur Beantwortung dieser Frage ist nun näher auf die Zeit der klassischen Moderne einzugehen, jenen Zeitraum, in dem Frankreich am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Belle époque¹ hatte und die Konzepte der Nation und der Modernität unter dem Titel der ‚republikanischen Synthese ‘in den Grundkonsens der französischen Gesellschaft übernommen wurden. Zumal die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich seit der Revolutionsepoche erheblich gewandelt hatten, bleibt zu analysieren, inwieweit es unter dem Eindruck der allgemeinen Modernisierung im fraglichen Zeitraum² zu einer Verlagerung von Akzenten bzw. zu Neuakzentuierungen im Bereich der um Nation und Modernität sich rankenden Mythen kam und welche Konsequenzen sich daraus für die in Frankreich dominanten Formen der Politikformulierung und Identitätsausbildung ergaben.