Zusammenfassung
Wie wollen Menschen im Alter leben? Und welches Leben führen sie dann tatsächlich, wenn sie einmal alt sind? Dies sind zwei scheinbar harmlose Fragen, auf welche die Gerontologie scheinbar zufrieden stellende Antworten geben kann. Wünschen nicht alle Menschen ein selbständiges und unabhängiges Leben im Alter führen zu können? Wollen nicht alle älteren Menschen in ein privates und familiäres Beziehungsnetz eingebettet sein und über genügend finanzielle Spielräume zur Verwirklichung ihrer Wünsche verfügen? Und existieren mit den bislang vier publizierten Altenberichten, der Berliner Altersstudie und dem ersten Alters-Survey nicht auch genügend Informationen darüber, in welchem Ausmaß diese Absichten verwirklicht werden und welche sozialen Unterschiede hier nach Alter, Geschlecht und sozialem Status zu beobachten sind?1 Aber reichen diese Antworten wirklich aus? Sozialwissenschaftler wollen soziale Tatbestände ja nicht nur beschreiben, sondern auch erklären, wie und warum diese entstanden sind. Und praxisorientierte Gerontologen möchten auch wissen, welche psychosozialen und politischen Maßnahmen geeignet sein können, um die Lebenssituation im Alter positiv zu beeinflussen. Kurzum: Es werden aussagekräftige Theorien benötigt, um empirische Beobachtungen genetisch erklären und Interventionen prognostisch begründen zu können. Aber gibt es diese? Was es gibt, sind hinsichtlich des erwünschten Lebens im Alter zunächst einige Konzepte, die sich semantisch als erklärende Theorien ausgeben, tatsächlich aber oft nur empirische Generalisierungen oder normative Vorstellungen formulieren. Dies gilt vor allem für die verschiedenen „Theorien des erfolgreichen Alterns“, welche wahlweise gesellschaftlichen Rückzug, biographische Kontinuität oder körperlich-geistige Aktivität und soziales Engagement propagieren.2 Für die Erklärung des tatsächlichen Lebens im Alter sieht die Situation nicht viel besser aus. Hier mangelt es zwar nicht an anspruchsvollen Theorieangeboten, dafür aber umso mehr an einer Integration ihrer heterogen erscheinenden Schlüsselbegriffe. Lebenslagen-, Lebensführungs-, Lebensstilund Lebenslaufkonzepte, Sozialökologie und Austauschtheorie, Altersgruppen-, Kohorten- und Generationenansätze, Modernisierungs- und Individualisierungstheorien, konstruktivistische, politökonomische und figurationssoziologische Ansätze — alle diese Modelle treffen wichtige Aussagen zur Dialektik von Alter(n) und Gesellschaft, das heißt darüber, wie Alter(n) gesellschaftlich strukturiert wird und selbst strukturbildend ist.3 Aber oft ist nicht klar, ob man es hier mit konkurrierenden Modellen zu tun hat (wie dies ihre Urheber oft suggerieren) oder ob diese sich ergänzen und theoretisch aufeinander beziehen lassen (wie hier vermutet werden soll).
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Amrhein, L. (2004). Die Bedeutung von Situations- und Handlungsmodellen für das Leben im Alter. In: Blüher, S., Stosberg, M. (eds) Neue Vergesellschaftungsformen des Alter(n)s. Alter(n) und Gesellschaft, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80902-5_3
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