Die Mode im realen Sozialismus

Zusammenfassung

Angesichts des oben Gesagten ist es ein durchaus neuer Ton, wenn Erika Thiel, die eine vorzügliche »Geschichte des Kostüms« (1982 in Berlin-Ost in 2. Auflage erschienen) verfaßt hat, das Thema Mode nun plötzlich ganz offen anpackt: »In den sozialistischen Ländern gehen die Bestrebungen dahin, auch in der Mode die Widersprüche zwischen den individuellen und den gesamtgesellschaftlichen Interessen aufzuheben. Da die Mode in die Volkswirtschaft integriert ist, soll sie sich planmäßig und proportional zur Produktionsweise entwickeln. Um der sich ändernden Lebensweise und den kulturellen Ansprüchen gerecht zu werden, muß sie neue ideelle Funktionen übernehmen und anstelle vorgefertigter Leitbilder die allseitig entwickelte sozialistische Persönlichkeit, die ihrem Geschmack ohne Konsumzwang Ausdruck verleiht, als Leitbild der Mode anerkennen.« Dies Buch setzt klare Definitionen, von denen wir auch schon mehrfach Gebrauch gemacht haben, da sie nicht dogmatisch sind und der Verfasserin erlauben, eine sehr nützliche Kostümgeschichte zu entwickeln, ohne billigen Stereotypen zu erliegen. Es gibt im übrigen in dem obigen Zitat zwei wichtige Begriffe, nämlich einerseits den von den »sich verändernden Lebensweisen« im Gegensatz zu den »vorgefertigten Leitbildern« andererseits; der erstere wird heute in der DDR (Anmerkung des Herausgebers: 1985, vier Jahre vor dem Ende der DDR) viel diskutiert und das allein beweist, daß sich auch die sozialistischen Länder den Wandelimpulsen der Mode öffnen, was sehr handgreifliche wirtschaftliche Konsequenzen hat und ganz eindeutig heißt, die Idealfaktoren über die Realfaktoren zu stellen.