Skip to main content

Paris: Auf dem Wege zu einer eigenen Konzeption

  • Chapter
Autobiographische Schriften

Part of the book series: René König · Schriften · Ausgabe letzter Hand ((RKSALH,volume 18))

  • 67 Accesses

Zusammenfassung

Als ich im März 1977 das Centre Georges Pompidou bis zum letzten Stockwerk erklommen hatte und — vom Plateau Beaubourg aus gesehen — von der rechten oberen Ecke aus über Paris schaute, erhielt ich zu meiner großen Überraschung zum ersten Male in meinem Leben einen Gesamtüberblick über jenen Teil von Paris, in dem ich als Kind aufgewachsen war. Es war ein für Paris so typischer stürmischer Vorfrühlingstag mit Kanal-Wetter. Die Wolken hingen in langen Schleppen tief über der Stadt. Als plötzlich, für wenige Augenblicke nur, die Sonne durchbrach, stand die Kirche von Sacré-Coeur mit ihren klaren Konturen grellweiß über dem Häusergewimmel, das von den äußeren Boulevards zur Butte de Montmartre aufsteigt. In kurzer Distanz von dort nach links, wo sich heute große fünf- bis sechsstöckige Wohnhäuser erheben, die erst Anfang der zwanziger Jahre gebaut worden sind, hatte das Haus meines französischen Großvaters gestanden, ziemlich am Ende der Impasse Girardon, einer Sackgasse, die vor dem Ersten Weltkrieg an einer Art von Tor endete, durch das man auf dem jenseitigen Hang die Schafe weiden sah. Darüber hinaus war der Blick damals frei gewesen bis zum Friedhof von Colaincourt. Von der Place Blanche führt in großem Schwunge die Rue Lepic auf die Höhe, links unten an der scharfen Kurve stand der Moulin de la Galette, eine alte Windmühle, die schon lange verschwunden ist. An eine andere Mühle der gleichen Art erinnert heute am Boulevard der Name des Moulin Rouge, der nach dem Ersten Weltkrieg zu einer weltberühmten Varieté- und Revue-Bühne wurde, wo ich als Student Mistinguette, Josephine Baker und Maurice Chevalier erlebte. Damals war Montmartre das Zentrum der Pariser Bohème, die spätestens zu Beginn der Zwanziger Jahre nach Montparnasse auf die andere Seite von Paris verzog und in Montmartre ein trauriges Hurenquartier für den billigeren Tourismus hinterließ, wahrscheinlich als Folge der letzten Kriegsmonate. Auch hier war der soziale Wandel über ein Stadtquartier dahingefegt, in seinen Anfängen vielleicht schon vor dem Ersten Weltkrieg, wodurch eine Art Slum entstanden war, in dem halbverfallene und verwanzte Häuser einander abwechselten mit Restaurants, Nachtklubs, Bordells, Stunden-Hotels, großen Uraufführungskinos am Place Pigalle und billigen Wohnungen für Heimarbeiterinnen, die ihren kümmerlichen Lohn durch ihre Tätigkeit auf der Straße aufbesserten.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 89.00
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Authors

Editor information

Mario König Oliver König

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1999 Leske + Budrich, Opladen

About this chapter

Cite this chapter

König, R., König, M., König, O. (1999). Paris: Auf dem Wege zu einer eigenen Konzeption. In: König, M., König, O. (eds) Autobiographische Schriften. René König · Schriften · Ausgabe letzter Hand, vol 18. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80859-2_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80859-2_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-322-89966-8

  • Online ISBN: 978-3-322-80859-2

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics