Zusammenfassung
Man könnte sich, auf den ersten Blick jedenfalls, kaum größere Gegensätze denken als die zwischen der soziologischen Systemtheorie von Niklas Luhmann und dem Modell der soziologischen Erklärung.1 Die Unterschiede kondensieren nahezu alle Dimensionen der diversen Methoden- und Theoriestreitigkeiten der Sozialwissenschaften in eine Grenzziehung. Die Differenz besteht aus zwei grundlegenden Vorgaben. Das Modell der soziologischen Erklärung stellt — erstens — die Orientierung an einer den Regeln der Analytischen Wissenschaftstheorie verpflichteten nomologischen (Hempel-Oppenheim-) Erklärung sozialer Sachverhalte in den Vordergrund seiner Wertbasis, und alle Einzelheiten der methodologischen Regeln sind aus dieser Orientierung ableitbar. Begriffe, die Arbeit an „Leitdifferenzen“ und typisierende „Beobachtungen“ werden dabei zwar als notwendige Ausgangpunkte angesehen, aber sie markieren allenfalls einen Anfang, nie jedoch schon das gesuchte Ergebnis. Diese Erklärung wird zweitens, als unmittelbare Folge der Orientierung an adäquaten Erklärungen, nach den Prinzipien des methodologischen Individualismus und der verstehend-erklärenden Soziologie vorgenommen, wie sie etwa Max Weber oder Karl R. Popper schon früh verdeutlicht haben: Erklärungen sozialer Prozesse allein auf der Makroebene sind unvermeidlicherweise unvollständig, und sie sind insofern „sinnlos“, als die Vorgänge nicht als (unintendierte) Ergebnisse des verstehbaren Handelns menschlicher Akteure rekonstruiert werden.
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Literatur
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Esser, H. (2005). Was die erklärende Soziologie von Niklas Luhmann hat lernen können. In: Runkel, G., Burkart, G. (eds) Funktionssysteme der Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80782-3_11
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