Zusammenfassung
Der Begriff „Demokratie“ gehört zu den sozialwissenschaftlichen Kategorien, die zwei Aufgaben erfüllen sollen. Einmal ist er mit der Erwartung konfrontiert, einen sozio-politischen Sachverhalt unter empirisch-analytischen Gesichtspunkten möglichst eindeutig zu benennen. Zum anderen ist er aber auch jenen politischen Kampfbegriffen zuzuordnen, die gegen andere Interpretationen der Legitimation politischer Herrschaft gerichtet sind, um desto entschiedener die eigene Position rechtfertigen zu können. Unter dem Gesichtspunkt einer solchen Herrschaftslegitimation fällt auf, dass sich im 20. Jahrhundert so gut wie jedes Regime als „demokratisch“ bezeichnet hat. Der scheinbare Siegeszug der Demokratie trug freilich erheblich dazu bei, dass ihre Konzeptualisierung zu einer kaum noch zu überbietenden Verschwommenheit führte. Daher besteht ein wesentliches Ziel der vorliegenden Abhandlung darin, zur Klärung dieser Kategorie beizutragen.
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Literatur
Vgl. zum folgenden Saage 2003, S. 3–9.
Vgl. exemplarisch Euehner 1973, S. 9–43.
Vgl. Macpherson 1977.
Vgl. Euchner 1977, S. 18f.
So musste die Stasi trotz aller ideologischen Indoktrination der DDR-Bürger seit 1949 in einem Bericht vom 9. September 1989 feststellen, dass die Motive der massenhaften Ausreise von Bürgern aus der DDR verknüpft seien mit „illusionären“ Vorstellungen über die ‚westliche‘ Lebensweise, insbesondere der Erwartung eines Lebens mit ‚besserer‘ materieller Sicherstellung und ‚besseren‘ beruflichen Verdienstmöglichkeiten, von mehr ‚Freizügigkeit‘ zur Verwirklichung eines eigenen Lebensstils auf der Grundlage eines egoistischen Konsum- und Besitzstrebens“ sowie mit „Einstellungen, Auffassungen und Charaktereigenschaften wie Egoismus, Habsucht, Karrierismus, Unmoral, Selbstüberschätzung usw.“ (in: Gransow/Jarausch 1991, S. 59).
„Im Mittelalter gehörte ‘Demokratie’ nicht zu den Begriffen, mit denen die politischen und sozialen Verhältnisse beschrieben wurden. In Urkunden, Akten, Weistümern und Rechtsaufzeichnungen des Mittelalters begegnet man diesem Begriff nicht. Erst im Zuge der Aristotelesrezeption findet er als rechtsphilosophisch-literarischer Topos Eingang in den Wortschatz der mittelalterlichen Gelehrten. Die von Aristoteles in seiner ‘Politik’ gegebene Darstellung der Verfassungsformen und ihrer verderblichen Abarten hat die Wortbedeutung von ‘Demokratie’ im Mittelalter überwiegend geprägt“ (Reimann 1972, S. 835).
Vgl. Reimann 1972, S. 838f.
So berichtet Iring Fetscher: „Als ich mich vor vielen Jahren mit dem 1969 verstorbenen Volkskammerpräsidenten Dieckmann über die Rolle dieser sogenannten ‘bürgerlichen Parteien’ (also LDPD, NDPD und Ost-CDU) unterhielt, meinte er, deren Aufgabe sei es, den Übergang vom bürgerlichen zum sozialistischen Gemeinwesen zu erleichtern, diejenigen Bevölkerungsschichten, die nicht schon heute für den Sozialismus eintreten, allmählich zu erziehen und einstweilen — im Namen der von der Staatspartei, der SED, festgelegten Politik — die Interessen dieser kleinbürgerlichen, bäuerlichen und anderer nichtproletarischer Schichten zu vertreten. Auf meine Frage, in welchen konkreten Punkten seine Partei von der Auffassung der SED abweiche, wußte Dieckmann freilich keine Antwort. Ein solche Abweichung ist — wenigstens in wichtigen Programmpunkten — nicht zulässig“ (Fetscher 1970, S. 69f).
Vgl. Sartori 1992, S. 455.
Vgl. Brunner/Conze/Koselleck 1972ff.
Vgl. Meier 1972, S. 821–835.
Vgl. Reimann 1972, S. 835–839.
Vgl. Maier 1972, S. 839–848, 854–873.
Vgl. Koselleck 1972, S. 848–853.
Vgl. Conze 1972, S. 873–898.
Vgl. hierzu Pohl/Buchstein 1999, S. 70–92.
Vgl. hierzu Narr/Naschold 1973, S. 22–31; Grube/Richter 1975, S. 9–28; Lenk 1991, S. 938–940 sowie Schmidt 2000, S. 175–550.
Sartori formuliert diesen Sachverhalt wie folgt: „Kurz gesagt, wenn Demokratie einmal gegeben ist, kann man eine ‘empirische Theorie’ der Demokratie haben; vorher aber, und ich würde sagen, als Vorbedingung dafür, braucht man einfach eine Theorie. Das Kunstprodukt Demokratie muß konzipiert und konstruiert werden, ehe man es beobachten kann. Demokratien gibt es, weil wir sie erfunden haben, weil sie in unserem Bewußtsein vorhanden sind und sofern wir begreifen, wie sie gesund und lebendig erhalten werden können“ (Sartori 1992, S. 28). Einschränkend ist aber hinzuzufügen, dass die attische Demokratie erst zur Theorie wurde, als sie geschichtlich vollendet war.
Schmidt 2000, S. 548.
Fetscher 1973, S. 11. Fetscher fährt fort: „Wenn Demokratie ein ‘Zustand’ wäre, dann könnte man sagen, daß sie überall da besteht, wo das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht für die Gesamtheit der erwachsenen Bevölkerung gewährleistet wird. In einem solchen Land könnte — wenn nur die Haltung der Bevölkerungsmehrheit entsprechend ist — Sklaverei eingeführt werden, jedenfalls könnten ‘Fremde’ dort Sklaven sein, verbrecherische Angriffskriege wären denkbar und extreme Ungerechtigkeit — wenn sie zum Beispiel als ‘gottgewollt’ hingenommen würde — könnte herrschen. So gesehen wäre auch Hitlers Deutschland 1936 ein durchaus demokratisches Land gewesen. Nimmt man Demokratie als ‘Prozeß’, so versteht man sie als eine Entwicklung, die im 17. Jahrhundert in England, im 18. in Frankreich und den USA begann und zu immer größerer und realerer Gleichheit der Chancen für alle führte. Dann wird das allgemeine Wahlrecht nur als eine Stufe oder eine Erscheinungsform von Demokratie aufgefaßt“ (ebd.).
Vgl. Sartori 1992.
A.a.O., S. 4.
Ebd.
A.a.O., S. 6.
A.a.O., S. XIII: „Das Geflecht der Politik und Demokratie beruht auf Ideen und Idealen, die durch eine theoretische Diskussion gestaltet und aussortiert (aufrechterhalten und fallengelassen) werden, die bei Piaton und Aristoteles angefangen hat und von Generation zu Generation selektiv vermittels Wörtern (Begriffen) weitergegeben wurde, die geronnene Erfahrung sind. Ohne eine solche historische Wissensakkumulation hätten wir heute nichts an der Hand und nicht einmal die Umrisse der liberalen Demokratie vor uns, die wir aufbauen konnten“.
Vgl. Schmidt 2000.
A.a.O., S. 20.
A.a.O., S. 195.
Vgl. Frevel 2004.
Vgl. insbesondere die Teile II, III und IV bei Schmidt 2000, S. 175–550.
Frevel 2004, S. 19.
Vgl. Waschkuhn 1998.
A.a.O., S. 6. Träfe diese Aussage zu, so bliebe unklar, warum es die Leveller in der großen Englischen Revolution von 1642 bis 1649 vermieden, sich Demokraten zu nennen. Umgekehrt hat Bodin in politisch-polemischer Absicht die Wiedertäufer von Münster dem demokratischen Spektrum zugeordnet.
Vgl. Vorländer 2003.
Vorländer 2003, S. 12.
Ebd.
Vgl. Massing 1999.
Vgl. Roth 1999, S. 11–30.
Vgl. Speth 1999, S. 31–45.
Vgl. Pesch 1999, S. 46–69.
Vgl. Pohl/Buchstein 1999, S. 70–92.
Vgl. Lenk 1991, S. 933–989.
A.a.O., S. 933.
A.a.O., S. 934.
A.a.O., S. 949.
Vgl. Mittermaier/Mair 1995.
A.a.O., S. 171.
Vgl. a.a.O., S. 1.
Vgl. a.a.O., S. 58–65.
Vgl. a.a.O., S. 196–199.
Vgl. a.a.O., S. 1–19.
Vgl. Maier 1971, S. 870–872.
Hegel 1999, S. 162.
A. a. O., S. 163.
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Saage, R. (2005). Einleitung. In: Demokratietheorien. Grundwissen Politik, vol 37. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80774-8_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80774-8_3
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