Zusammenfassung
Dieses Kapitel — ursprünglich erschienen in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 40/1988, 619-639 — rekonstruiert mit akteurtheoretischen Mitteln das zentrale Konzept der systemtheoretischen Perspektive auf die funktionale Differenzierung der modernen Gesellschaß. Gesellschaftliche Teilsysteme werden als Fiktionen begriffen, derer sich Akteure bedienen, um für ihr handelndes Zusammenwirken Erwartungssicherheit zu gewinnen.
Für zahlreiche hilfreiche Hinweise möchte ich mich bei Hartmut Esser, Wilfried Gotsch, Andreas Ryll, Fritz Scharpf, Volker Schneider und Rudolf Stichweh bedanken.
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Literatur
Zur sozialphilosophischen Tradition der “two sociologies“siehe insbesondere die anregenden Thesen bei Dawe (1970; 1978).
So das Resümee von Reinhard Bendix (1971), der die “two sociological traditions“an den Protagonisten Max Weber und Emile Dürkheim diskutiert hat.
Um nur die Formulierung Alain Touraines (1984) zu zitieren.
Einen vorzüglichen Überblick über wichtige Diskussionsschwerpunkte von Akteurtheorien gibt Helmut Wiesenthal (1987).
Volker Schneider (1988) hat beispielsweise die Formulierung eines Chemikalienkontrollgesetzes in der Bundesrepublik in diesem Sinne akteurtheoretisch untersucht und dabei ein komplexes Politiknetzwerk identifiziert.
In die gleiche Richtung zielt die programmatische Formulierung von Renate Mayntz und Fritz Scharpf: „…we eventually hope to move beyond the ad hoc introduction of institutional and cultural factors in actor-centered explanations“. (Mayntz/Scharpf 1988: 5)
Allerdings vermengt er das fundamentale „desire for coordinated action“mit dem spezielleren Wert der „fair-mindedness”. Handlungskoordination auf der einen und die Leistung gleicher Beiträge zu einem kollektiven Gut auf der anderen Seite sind zwei ganz verschiedene Probleme.
Kontingenz soll hier bedeuten, dass etwas weder notwendig noch unmöglich ist (Luhmann 1971b: 32/33).
Genau diese Unterstellung machen im übrigen auch alle Versuche, im Rahmen des akteurtheoretischen Paradigmas die Entstehung sozialer Normen aus den Interdependenzen strikt egoistisch orientierter rationaler Akteure zu deduzieren (Ullmann-Margalit 1977; Opp 1983; Axelrod 1984; Raub/Voss 1986). Die Interessenlagen der einzelnen Akteure sind in diesen Modellen stets von vornherein klar spezifiziert. Diese Problemsimplifikation ist in Hobbes‘paradigmatischer Problemformulierung angelegt und spiegelt frühmoderne Vorurteile über die gleichsam natürliche Interessenausstattung jedes Menschen wider.
Traditionell war lange Zeit mit der Leitdifferenz Teil/Ganzes gearbeitet worden. Ein System wurde als ein Ganzes begriffen, das aus mehreren miteinander zusammenhängenden Teilen besteht. Entsprechend wäre ein soziales System eine Gesamtheit von Akteuren, die miteinander in bestimmten sozialen Beziehungen stehen — also nichts anderes als das, was hier als Akteurkonstellation bezeichnet wird. So liegt auch den gelegentlichen Verwendungen des Systembegriffs in akteurtheoretischen Konzeptualisierungen dieses traditionelle Verständnis zugrunde — siehe etwa Coleman (1977), Crozier/Friedberg (1977) oder Baumgartner et al. (1978). Zweifellos lässt sich der Systembegriff als semantische Konvention so verwenden. Man sollte sich dann allerdings darüber im Klaren sein, dass man die entscheidenden Erkenntnisgewinne der Systemtheorien von Parsons und Luhmann so nicht einzufangen vermag.
Melvin Pollner (1976) gibt aufschlussreiche Analysen solcher Reparaturen von Bruchstellen systemischer Ordnung.
Um eine treffende Formulierung von Alfred Schütz (1945) aufzugreifen, mit der dieser allerdings etwas anderes meint.
Eine ähnliche Unterscheidung findet sich bereits bei Parsons (1951: 45–51), bleibt jedoch fur dessen weitere Theoriekonstruktion bedeutungslos. Tom Burns und Helena Flam nutzen die Klassifikation hingegen, ähnlich wie hier, zur Charakterisierung von “social rule systems“(Burns/Flam 1987). Am Beispiel des Sportsystems habe ich die Anwendung dieser Klassifikation bei der Analyse gesellschaftlicher Teilsysteme illustriert — siehe Kapitel 7.
Näheres zu den im Folgenden aufgeführten Konzepten findet sich vor allem in zahlreichen Arbeiten Luhmanns (1977a; 1980c; 1981c; 1984b; 1986c).
Jürgen Habermas (1985: 426–445) deutet entsprechend Luhmanns Systemtheorie als Radikalisierung der klassischen Subjektphilosophie.
Siehe dazu ausfuhrlicher Kapitel 4.
Hierzu Näheres in Kapitel 6.
Der Begriff schließt, wie schon aufgefallen sein dürfte, an das zentrale Konzept der Typisierung bei Schütz (1971) an, will jedoch einen dort nicht deutlich genug herauskommenden Sachverhalt betonen: dass gesellschaftliche Akteure Typisierungen als Als-ob-Konstrukte handhaben. Jede Typisierung wird, gewissermaßen augenzwinkernd, so benutzt, als ob sie die soziale Wirklichkeit abbildet, obwohl jedem aus Erfahrung klar ist, dass jede soziale Situation einen weit darüber hinausreichenden Überschuss an Kontingenzen bereithält.
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Schimank, U. (2005). Gesellschaftliche Teilsysteme als Akteurfiktionen. In: Differenzierung und Integration der modernen Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80766-3_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80766-3_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-14683-6
Online ISBN: 978-3-322-80766-3
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