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Die doppelte Rahmung des ‚Selbst‘: Handlungsfeld Unterricht und Deutungsmuster im Spiegel von allgemeiner Didaktik und pädagogischer Professionalität

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Das unterrichtliche Selbstverständnis von LehrerInnen

Part of the book series: Studien zur Schul- und Bildungsforschung ((SZSBF,volume 21))

  • 711 Accesses

Zusammenfassung

Das Aufgabenspektrum und mithin das berufliche Selbstverständnis von Lehrerinnen wird maßgeblich durch das Unterrichten geprägt, nimmt der Unterricht — mit Vor- und Nachbereitung — doch insgesamt gesehen mehr als drei Viertel ihrer Arbeitszeit ein. Die Herausbildung und Entwicklung des beruflichen Selbstverständnisses der Lehrerinnen bleibt damit im Kern bezogen auf die Vermittlung kultureller Wissensbestände und Normen. Damit sind Strukturmomente des Unterrichtens angesprochen, die in unterschiedlichen Formen und Konzepten des „didaktischen Dreiecks“ des Verhältnisses von Schüler, Sache und Lehrer (z.B. Prange 1983) bzw. des didaktischen Vierecks (Klingberg 1986), in dem die Methode, das ‚ Wie’26 der Vermittlung, hinzutritt, ausformuliert worden.

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Literatur

  1. Anschlussfähig ist hier m.E. auch die Komponente des „Arrangierens von Lernsituationen in sachlicher, zeitlicher, sozialer und organisatorischer Hinsicht“ (Koring 1992, 63).

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  2. Nicht nur aus der kritischen Einschätzung kultureller Entwicklungen, sondern auch aus der schulkritischen Perspektive werden dabei vor allem lern-, entwicklungs- oder sozialisationsthe-oretische Argumente herangezogen (z.B. Krüger/Lersch 1982, Gudjons 1986, Aebli 1987, Wenzel 1987, Meyer 1987).

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  3. Die Frage der Medienwahl bezieht sich nicht nur auf die Form, in der der Unterrichtsgegenstand dargestellt wird (z.B. Videofilm, wissenschaftliche Abhandlung, Datei etc.), sondern auch auf die Formen der Verständigung zwischen Lehrer und Schülerinnen über die Intentionen, Themen und Verfahren des Unterrichts.

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  4. Dies ist ein Anliegen, das Heimann mit dem Begriff der Faktorenanalyse beschrieben hat. Die Faktorenanalyse bezieht sich dabei auf die Hintergrundeinflüsse (z.B. die Auffassung des Lehrers über Erziehung und Unterricht), die das konkrete Handeln der Lehrerinnen beeinflussen (vgl. Heimann 1962).

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  5. In Bezug auf Ergebnisse der Wissensverwendungsforschung kritisiert Kolbe, dass die bislang vorliegenden didaktischen Modelle offensichtlich nicht in der Lage sind, präzise darzustellen, auf welcher Basis Lehrerinnen eingrenzende Rahmungen für die Unterrichtsinteraktion setzen und diese zu beeinflussen suchen (vgl. Kolbe 2001, 203). Auch der Begriff der ‚Feiertagsdidaktik‘(Meyer 1987) signalisiert grundsätzlich Zweifel an ihrer Relevanz für den unterrichtspraktischen Alltag.

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  6. Demgegenüber vertritt Wolfgang Klafki die These vom „Primat der Zielentscheidung“im Verhältnis zu allen anderen, den Unterricht konstituierenden Faktoren, ohne damit jedoch die Interdependenzthese gänzlich zu negieren: „Primat der Zielentscheidungen im Verhältnis zu allen anderen Entscheidungsdimensionen des Unterrichts besagt: Sowohl die Entscheidungen darüber, daß jeweils und in welcher Perspektive etwas Gegenstand, Thema des Unterrichts sein soll oder besser: was sich im Prozeß des Unterrichts als perspektivisch erörterte Thematik aufbaut, als auch Entscheidungen über Methoden und Medien des Unterrichts, weiterhin die Beurteilung der Bedeutung der jeweiligen soziokulturell vermittelten „anthropogenen“sowie der institutionellen Bedingungen für Unterricht sind nur von den Zielstetzungen des Unterrichts her begründet möglich. (…) Die These vom Primat der Zielentscheidungen ist solange verträglich mit der These von der Interdependenz, der wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung aller für den Unterricht konstitutiven Faktoren, ja sie bedarf geradezu der Ergänzung durch diese Interdependenzthese, solange und sofern „Interdependenz“nicht als gleichartige Abhängigkeitsbeziehung missverstanden wird: Die verschiedenen Entscheidungsdimensionen bzw. Faktoren hängen zwar wechselseitig voneinander ab, aber im Sinne qualitativ unterschiedlicher Beziehungen“(Klafki 1991, 259). In Bezug auf Letzteres ist auf Wolfgang Schulz selbst zu verweisen, der bereits 1964 einräumte, dass mit der Formel von der wechselseitigen Abhängigkeit der Unterricht konstituierenden Momente über die Art dieser Abhängigkeit noch nichts ausgesagt sei.

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  7. Kritikbereitschaft und -fähigkeit, Argumentationsbereitschaft und -fähigkeit, Empathie sowie die Fähigkeit des vernetzenden Denkens als notwendige Fähigkeiten, die sich zwingend aus den neueren Zeit- und Gesellschaftsanalysen ergeben, „sind zwar nicht an spezielle Themen gebun-den, jedoch können sie nicht als rein formale Funktionen betrachtet werden. Sie sind vielmehr auf bereichsspezifische Strukturen bezogen und setzen daher bestimmte inhaltliche Einsichten voraus bzw. implizieren sie“(Klafki 1991, 65).

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  8. Aus der Orientierung an kritisch-emanzipatorischen Zielen wird Klafki zu einer Unterscheidung von zwei Typen von Unterrichtsthemen geführt. Die eine Gruppe bezeichnet er als „potentiell emanzipatorische Themen“— Themen, die direkt auf kritisch-emanzipatorische Zielsetzungen bezogen sind (z.B. Politische Konfliktanalysen, Sexualkunde etc.). Die andere Gruppe bezeichnet er als „instrumentelle Themen“— Themen, die zwar „ziel- oder wertambivalent“, aber „instrumentell notwendig“sind für die Entwicklung der Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungsund Solidaritätsfähigkeit (z.B. Lese- und Rechenfähigkeit, Mindestbestand an historischen oder naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, Antragformulierung etc.) (vgl. Klafki 2001, 123).

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  9. Eine implizite Anthropologie wird hier sichtbar: Die Schülerinnen werden in einem positiven Sinne als geschichtlich-gesellschaftliche Wesen angesehen, denen die Fähigkeit zum Vernunftgebrauch (Kant) zugesprochen wird und die lernen sollen, die Vernunft verantwortungsbewusst im Sinne der Vermehrung von Freiheit in Verantwortung zu gebrauchen.

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  10. An dieser Stelle sei auch ein Verweis auf den russischen Psychologen Vygotski (1978) erlaubt, der bereits in den 1930er Jahren das Prinzip formuliert hat, wonach jede geistige Funktion in der Entwicklung des Kindes zweimal auftritt, zuerst auf der sozialen Bühne als interindividuelle Tätigkeit und sodann auf der individuellen Bühne als intraindividuelle, internalisierte Fertigkeit.

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  11. „Damit ist deutlich, warum Unterrichtsmethoden nicht aus Zielsetzungen oder thematischen bzw. sozialerzieherischen Entscheidungen deduziert werden können“(Klafki 1991, 132).

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  12. Hier ist in meinen Augen ein entscheidender Schwachpunkt bei Bauer (2000), der sein Modell professioneller (unterrichtsbezogener!) Kompetenzen ohne jeglichen Bezug zu (fach-)inhalt-lichen Fragen entwickelt.

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  13. ‚,Unterrichtsplanung im hier vertretenen Sinn kann nie mehr als ein offener Entwurf sein, der den Lehrer zu reflektierter Organisation, Anregung, Unterstützung und Bewertung von Lernprozessen und Interaktionsprozessen, also zu flexiblem Unterrichtshandeln befähigen soll. Der Maßstab für die didaktische Qualität einer Unterrichtsplanung ist nicht, ob der tatsächlich abgelaufene Unterricht dem Plan möglichst genau entsprach, sondern ob die Planung dem Lehrer didaktisch begründbares, flexibles Handeln im Unterricht und den Schülern produktive Lernprozesse, die einen — wie auch immer begrenzten — Beitrag zur Entwicklung ihrer Selbstbestim-mungs- und Solidaritätsfähigkeit darstellen, ermöglichte“(Klafki 1991, 269).

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  14. Fend bezeichnet Schulen auch als Instanzen, in denen eine „systematische Resubjektivierung kultureller Objektivationen“erfolgt (vgl. Fend 1977, 64ff). Mit anderen Worten: Lehrerinnen müssen sich als Repräsentantinnen der staatlichen Ordnung aneignen, welche ‚kulturellen Ob-jektivationen‘für eine Gesellschaft relevant sind, um den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule nachzukommen.

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  15. Klafki sieht sehr wohl, dass Leistungsbewertung und Verteilung der Schülerinnen auf unterschiedliche Leistungsränge als zentraler schulischer Operationsmodus derzeit und wohl auch in naher Zukunft nicht aufhebbar ist und als sozial bzw. gesellschaftlich konstituierte Struktur begriffen werden muss, die auch weiterhin für das Handeln der schulisch Beteiligten konstitutiv ist: „Die Wahrnehmung gesellschaftlich bedeutsamer Aufgaben erfordert in erheblichem Maße generalisierbare Maßstäbe, und wo immer es berufliche und gesellschaftliche Funktionen gibt, bei denen das Angebot vorhandener Möglichkeiten geringer ist als die Zahl der Interessenten, ist es eine gesellschaftliche Notwendigkeit, daß der einzelne sich dem Leistungsvergleich mit anderen stellt. Insofern ist es auch für den Aufwachsenden — mindestens im Hinblick auf seine spätere Erwachsenenexistenz — eine Notwendigkeit, bisweilen die Erfahrung des Leistungsvergleichs mit anderen und die Einschätzung der eigenen Leistung angesichts generalisierter Leistungsnormen zu machen.“(Klafki 1991, 235f). Klafki betont zum anderen, dass eine so verstandene Leistungsbeurteilung jedoch nicht in Vergessenheit geraten lassen darf, „dass das Leistungsprinzip nicht den ganzen Sinn der in einer Schule zu ermöglichenden Bildung zu umschreiben und zu begründen vermag. Der Sinn der Leistung kann nie vollständig in ihr selbst liegen. Leistung muß als ein dialektischer Begriff verstanden und praktiziert werden. Leistung erfährt ihren Sinn von den dialektischen Gegenpolen her — von ihrem Beitrag zur Erhöhung der Qualität des Lebens, von der Erfahrung des Glücks, der Freude des Könnens, der erfüllten Gegenwart und vom Spiel her.“Gleichzeitig reflektiert er m.E. auch die Unsicherheit der Erfahrung so verstandener Leistungserfolge und damit auch die Ungewissheitsproblematik und Unsicherheit eines in diesem Sinne praktizierten Unterrichts, in dem er weiter fortführt: „Häufiger werden solche Erfahrungen erst jenseits des Leistungsvollzuges zugänglich werden“(Klafki 1991, 246f).

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  16. „Die Förderung einer unterrichtlichen Interaktion, in der Schüler lernen, eine Balance zwischen Sachansprüchen, Personansprüchen, Gruppenansprüchen zu finden, und die Kritik an den Bedingungen des Unterrichts, die dies hindern, werden als einander ergänzende, nicht als sich ausschließende Ebenen didaktischen Handelns aufgefasst“(Schulz 1980, 44).

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  17. In kritischer Auseinandersetzung mit einem politökonomischen Determinismus, der Lehrerinnen „als eine Art Kalfaktoren des Anpassungsprozesses der Heranwachsenden an die Arbeits-, Herrschafts- und Kulturbedingungen des Lebens in dieser Gesellschaft interpretiert“sowie mit einem idealistischen Indeterminismus, „der einem überhöhten Anspruch der Lehrer an sich selbst Vorschub leistet, der sich an der Realität schnell bis hin zur Resignation abarbeitet“, sieht Schulz das Handlungsfeld in der Haltung eines skeptischen Reformismus. Er führt aus: „Durchaus skeptisch gegenüber den Möglichkeiten einer Schulerziehung, allein etwa Emanzipation zu bewirken, unterstelle ich nach Selbstverständnis und Widersprüchlichkeit des schultragenden Systems einen mehr oder weniger ausnutzbaren Handlungsspielraum für die Beschäftigung mit dem Gegebenen als Aufgabe.“(Schulz 1980, 33).

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  18. Eine Ausnahme würde ich hier allerdings in einem frühen Ansatz von K. Mollenhauer (1962) sehen: Dem Konzept der pädagogischen Selbstrolle, die sich in seinen Augen aus der Rollendistanz und einer auf sie bezogenen pädagogischen Theorie konstituiert Dies bedeutet nichts anderes, als dass aufgrund der ‚,soziale(n) Tatsache, dass in einer bestimmten gesellschaftlichen Lage der Lehrer sich einer Konstellation von Erwartungen gegenüber sieht, denen er nicht mehr konfliktlos entsprechen kann“(ebenda, 102), er versucht zu einer eigenen Distanz zu diesen Erwartungen zu kommen und dafür seine eigene pädagogische Rollenkonzeption ausbildet, die er aus seiner erziehungswissenschaftlichen Reflexion bezieht und die dann seinen beruflichen Motivationszusammenhang maßgeblich speist. Die pädagogische Theorie zur Stützung dieser Selbstrolle sah er im Paradigma der Allgemeinbildung verfügbar. Hier lassen sich nun deutliche Prallelen zur Professionalisierungsdiskussion wie auch zur Allgemeinen Didaktik — speziell Klafki — schlagen. Wolfgang Klafki bietet in m.E. mit der kritisch-konstruktiven Didaktik und der Kategorie der Allgemeinen Bildung genau eine solche erziehungswissenschaftliche Theorie an, die an einer kritischen, auf das gesellschaftliche Ganze bezogene Reflexion des Rollenensembles ansetzt. Auch innerhalb der Professionalisierungsdiskussion wird der Fähigkeit zur Rollendistanz, der Grenzziehung zwischen Person und Rolle sowie der Bearbeitung dieser Differenz zentralen Stellenwert für oben genannte ‚Balancierungskompetenz‘und die Aufrechterhaltung einer authentischen sinnstiftenden Perspektive auf den Beruf eingeräumt.

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  19. Eine so verstandene Professionalisierung sei auch an den westdeutschen Schulen noch nicht völlig durchgesetzt, jedoch deutlich weiter entwickelt, als dies in der DDR der Fall war (ebenda).

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  20. Ein zusammenfassender Überblick hierzu findet sich in: Helsper/Krüger/Rabe-Kleberg 2000, 6–8.

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  21. Diese Analyse erfolgt anhand der idealtypischen Rekonstruktion des psychoanalytisch-therapeutischen Settings. Hier rekonstruiert er auf verschiedenen Ebenen professionalisierter Praxis widersprüchliche Momente des Professionellen Handelns, die jeweils als ‚widersprüchliche Einheit‘auftreten: auf der Handlungsebene als für die menschliche Lebenspraxis konstitutiv „widersprüchliche Einheit von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung“(Oever-mann 1996, 77), auf der Wissensebene als widersprüchliche Einheit von universalisierter Regelanwendung auf wissenschaftlicher Ebene einerseits und hermeneutischem Fallbezug und -verstehen andererseits (vgl. ebenda, 125–128), infolgedessen der professionalisierte Modus der Wissensanwendung durch die Nicht-Standardisierbarkeit der professionellen Dienstleistung gekennzeichnet ist, sowie auf der Beziehungsebene als ‚widersprüchliche Einheit von Rollenhandeln und Handeln als ganzer Person’ und die widersprüchliche Einheit von Autonomie und Abhängigkeit des Klienten im Arbeitsbündnis’ (vgl. ebenda, 109ff.).

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  22. Oevermann geht davon aus, dass die therapeutische Dimension als prophylaktisches Handeln zu verstehen ist, dass die psychosoziale Gesundheit der Schülerinnen befördern soll. Mögliche pathogene Entwicklungen sollen durch die prophylaktische Funktion vermieden werden (ebenda, 149).

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  23. Koring (1996) fasst diese beiden Orientierungen wie folgt: „Mäeutik bezieht sich nicht wie in traditionellen pädagogischen Konzepten auf das „Ideal“eines Adressaten (wie etwa bei Nohl), sondern darauf, was er hier und jetzt bei der Auseinandersetzung mit Problemen und Themen der pädagogischen Situation an Bedeutung artikuliert. Die therapeutische Orientierung ist auf den bewussten und vorbewussten Bereich des Lernprozesses beschränkt. Sie ist darauf zentriert, diejenigen personalen und sozialen Probleme, die beim Lernen entstehen, gemeinsam mit dem Adressaten deutend zu bearbeiten. Lernen entwertet immer auch Teile der Persönlichkeit, die Entstehung von Neuem ist mit Schmerzen verbunden und berührt die persönliche Integrität des Adressaten“(Koring 1996, 335).

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  24. Deren Motto ‚Hilf mir, es selbst zu tun‘zitiert Oevermann an anderer Stelle als treffend für die Arbeitsbündnislogik zwischen Professionellem und Klient (Oevermann 1999, 11).

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  25. Oevermann stellt heraus, dass die professionalisierte Tätigkeit selbst konzeptionell an dem Typus der diffusen Sozialbeziehung notwendig teilhat und insofern immer mehr ist als eine bloß rollenförmige Tätigkeit (vgl. Oevermann 1996, 122).

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  26. Oevermann verweist des Weiteren auf eine dritte Ebene, das strukturell religiöse Handeln, geht darauf jedoch nicht weiter ein.

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  27. Nach Oevermann (1976) hat die soziologische Theoriebildung im Gegenstandsbereich der Bildungsprozesse stets zwei grundsätzliche Bezüge zu berücksichtigen: „Die Bildung bzw. Sozialisation des Subjekts bezeichnet ein universelles Problem der Gattung und ein allgemeines Systemproblem der Gesellschaft. Jede Form der gesellschaftlichen Organisation muß, da die Ausformung des erwachsenen Exemplars der Gattung auf der Ebene humaner Verhaltenssysteme nicht oder nur teilweise biologisch vorprogrammiert ist, in irgendeiner Weise auf dieses Problem antworten und für diese Antworten institutionalisierte Organisationsformen finden. Das Problem der Sozialisation stellt sich immer in zwei grundsätzlichen Bezügen: Im Hinblick auf die Reproduktion der Gattung und im Hinblick auf die Überlebensfähigkeit des einzelnen Exemplars (in diesem Fall der einzelnen Person); sozialisationstheoretisch enger gesehen: Im Hinblick auf die Ausbildung der Handlungsfähigkeit des Subjekts als vollwertigem Mitglied der Gesellschaft und im Hinblick auf die Sicherung der Autonomie und Identität des einzelnen“(Oevermann 1976, 35).

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  28. Die diffusen Anteile müssten hier jenseits der Lehrer-Schüler-Beziehung auch auf die anderen Ebenen didaktischen Handelns übertragen werden, insofern sie biographisch konnotiert sind: etwa ein diffuses Verhältnis zu bestimmten Inhalten bzw. Themen, Zielen etc. Innerhalb der psychologischen Literatur wird in diesem Zusammenhang der Begriff der ‚Selbstkompetenz‘gebraucht — verstanden als die Fähigkeit, eigene Ziele und Bedürfnisse autonom zu verfolgen.

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  29. Der Problematik, dass sich über das dyadische Arbeitsbündnis die Notwendigkeit wölbt, mit der Klasse ein pädagogisches Arbeitsbündnis einzugehen, sieht Oevermann durchaus und abstrahiert hiervon, dass dies die Anforderungen für den Lehrer schwieriger und komplexer mache. Ausgangspunkt bildet jedoch nach wie vor das individuelle pädagogische Arbeitsbündnis, für dessen Ausgestaltung es nunmehr die Stellung des einzelnen Schülers in der Binnenstruktur der kollektiven Praxis zu registrieren und in Rechnung zu stellen gilt. Weiterhin gelte es für das kollektive Arbeitsbündnis in Anrechnung dessen Binnenstruktur und relativer Autonomie ein System tutoraler Unterstützung einzurichten, „in dem die jeweils Leistungsfähigeren wie von selbst Funktionen der mäeutischen Pädagogik ihren Mitschülern gegenüber übernehmen“(Koring 1989, 98).

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  30. Als eine weitere Begründung für die Betonung des Sachbezugs führen sie auch die Tatsache an, dass gegenwärtig in zahlreichen Erörterungen um Schule das Problem der Wiedergewinnung der Bildungsmaterie des „Schulstoffs“allzu weit in den Hintergrund rückt (vgl. Combe/Buchen 1996, 271). Diese Wahrnehmung lässt sich wie bereits ausgeführt auch auf die transformations-bezogene Lehrer- und Schulforschung übertragen.

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  31. Als eine „Lücke didaktischer Planungsmodelle“kritisieren Combe/Buchen „die meist nur kursorisch vorgenommene handlungstheoretische Durchdringung der Praxisform ‚Lehre‘hinsichtlich der ihr strukturell innewohnenden Ungewissheit“(ebenda, 272).

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  32. Hinsichtlich der diffusen Komponenten der Sozialbeziehung im Arbeitsbündnis beschreibt Oevermann als einzig glaubwürdige Voraussetzung die Anerkennung des Kindes bezüglich seines Nicht-Wissens und damit die schon vorliegende Einsicht des Kindes in das, was aus ihm werden soll. Einzig glaubwürdige Realisierung dieser Haltung ist nach ihm das Kind im Vollzug des Lernens immer wieder bewusst auf Problematisierungen zu stoßen und diese aus der Sache des Entwicklungsproblems selbst permanent zu begründen — nach dem Motto: „Wenn du es nicht auf dich nimmst, die Anstrengungen zur Lösung dieses Problems ernsthaft zu übernehmen, dann weigerst du dich, das Problem realistisch ins Auge zu fassen, und/ oder du weigerst dich, der Notwendigkeit dieser Problemstellung folgend, Schritte zur möglichen Lösung, die nicht von vorneherein als unsinnig erkennbar sind, sondern eine unabweisbare Plausibilität haben, auch konsequent auszuprobieren. Wenn du dich aber in dieser Weise weigerst, dann weigerst du dich auch, erwachsen zu werden, deine Neugierde zu stillen und deinen Wunsch, die Voraussetzungen für die Anerkenntnis als autonomes, vernünftiges Wesen zu implementieren, zu erfüllen. Dann weigerst du dich, im Rahmen des dir Möglichen vernünftig zu sein“(Oevermann 1996, 154). So wenig, wie in dieser Beziehung überhaupt die Evidenz von Aushandlungsprozessen thematisiert wird, stattdessen quasi tautologisch eine unumgehbare entwicklungspsychologische Begründung erfahren — die als solche nur dem Lehrer transparent ist, so wenig gelangen Aushandlungsprozesse bezüglich der „Sache von Erkenntnis“in den Horizont. So gehen hinsichtlich der Spezifität des Arbeitsbündnisses nach Oevermann „Lehrer wie Schüler in der Allgemeinheit der Sache auf, der sie sich unterweisend bzw. lernend unterwerfen“(e-benda, 154).

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  33. Die (Pseudo-)Co-Konstruktion würde sich hier letztlich auf eine verbale, auf eine bereits feststehende Erkenntnis gerichtete, Nachvollzugshermeneutik beschränken — die an bestimmten Lerninhalten durchaus fruchtbar sein kann, an Inhalten, die Problematisierungen, nicht eindeutig festgelegte Problemlösungsstrategien, eigene Stellungsnahmen und deren Transformation etc. erfordern, ist diese Methode jedoch eher fehl am Platz. An dieser Stelle sei ein vermessener Vergleich erlaubt: Innerhalb des Schemas von Kunze würde Oevermann lediglich dem Typ B zuzuordnen sein, also innerhalb schulischer Bedingungen nicht dem anspruchsvollen Ziel der Identitätsbildung gerecht werden. Dabei gibt seine Theorie der Bildungsprozesse (Oevermann 1976) selbst — die er hier jedoch nicht weiter ausführt, zwar implizit zugrunde legt aber wiederum mit dem therapeutischen Fokus an dieser Stelle seiner Potenzialität beraubt — weitaus mehr Spielraum her.

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  34. Er greift dabei auch die Überlegungen von Schütze u.a. (vgl. 1996) zu Paradoxien des Lehrerhandelns im Kontext von Schulreformprozessen auf, die sich an jene anlehnen, die Schütze für den Bereich der Sozialarbeit ermittelt hat. Auf die hier herausgestellten Paradoxien der Verlaufskurve, Routine, Organisation, Arbeitsteilung und Hoheitsstaatlichkeit werde ich an gegebener Stelle im Verlauf der weiteren Darstellung eingehen.

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  35. Dieser diffusen Grundlage bedarf es nicht nur „im Sinne der Initiierung, Förderung oder Behinderung umfassender Bildungsprozesse hinsichtlich der Etablierung psychischer Strukturen als konstitutive Grundlage lebenspraktischer Autonomie, sondern vor allem bei Lernproblemen, Lernschwierigkeiten und manifesten krisenhaften Eskalationen“(Helsper u.a. 2001, 51).

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  36. Helsper greift an dieser Stelle auf das didaktische Dreieck zurück. Betrachtet man das Dreieck denn auch als Dreieck, dann erfährt diese Antinomie ebenso wie die Autonomie-Antinomie eine doppelte Situierung: Auch der Lehrer hat bereits aufgrund der Fachsozialisation, biographischer Bezüge gegenüber dem Inhalt etc. eine Gegenstandskonstitution vollzogen bzw. vollzieht eine solche selber noch (im Sinne einer Transformation) weiterhin auch im Unterricht. Hier würde ich als zusätzliches Problem das von notwendiger Authentizität (gegenüber der zu vermittelnden Sache) und notwendiger Distanz gegenüber der Sache sehen.

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  37. Eine Entschärfung, nicht aber eine prinzipielle Lösung dieser Problematik sieht Helsper (Helsper u.a. 2001, 53) darin, dass die „kooperativen Potenziale in der gegenseitigen Stützung von Schülern ausgebaut und gefördert werden“. Wenn man dieser Strategie einen didaktischen Stellenwert zumisst, dann würde das bedeuten, dass Helsper gerade hier einen potenziellen Stellenwert der Didaktik verortet.

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  38. Vgl. die Organisations- und Routineparadoxien bei Schütze (Schütze u.a. 1996, 354ff).

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  39. Vgl. dazu auch Oevermann zur Autonomieproblematik (siehe oben).

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  40. Helsper (2001, 55) verweist auf die Gefahr, dass gerade durch das stützende und stellvertretende professionelle Eingreifen die Adressatinnen in eine heteronome Position gezwungen werden können und fuhrt hierbei das von Schütze herausgearbeitete Grunddilemma des exemplarischen Vormachens und der damit einhergehenden Gefahr, den Adressaten, der dadurch in die Lage versetzt werden soll, es selbständig zu machen, unselbständig zu halten (Schütze 1992, 160ff), an. Die Kehrseite sieht Helsper in der delegierenden Zuschreibung von Selbständigkeit, die auf Seiten der Schülerinnen noch nicht gesichert ist, „wodurch die Gefahr einer krisenhaften, reg-ressiven Destabilisierung entsteht und der Professionelle sich zugleich in dieser „entlastenden Autonomiezuschreibung“aus der eigenen Verantwortlichkeit ‚entlässt‘“(Helsper u.a. 2001, 55).

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  41. Zum Verhältnis von Zwang und Freiheit im Kontext kultureller Modernisierung siehe Keuffer (1997, 128ff).

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  42. Helsper (2001, 58f.) weist an dieser Stelle den von Schütze als Herrschafts- und Hoheitsstaat-lichkeitsparadoxien bezeichneten Widerspruchsverhältnissen ihren systematischen Ort zu, die in dem von ihm vertreten Verständnis keine konstitutiven Antinomien darstellen, sondern lediglich deren Zuspitzung implizieren.

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  43. Diese Differenzierung verweist auf die mehrmalige interaktive Brechung der konstitutiven Antinomien, die für sich jedoch nochmals quasi den strukturellen Rahmen (etwa die Setzung von Dilemmata aufgrund von Schulprogrammen etc.) für die handelnde Auseinandersetzung des einzelnen Lehrers bilden.

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  44. Da die Differenzierungsantinomie im Unterricht in besonderer Weise manifest wird und insbesondere die Ebene der Vermittlung sowie der Inhalte betrifft, werde ich auf diese genauer eingehen. Helsper (2001, 63f.) geht bei der Erörterung dieser Antinomie von einer ständigen Erweiterung pluraler Selbst- und Weltdeutungen im kulturellen Kontext sowie einer immer stärkeren Ausdifferenzierung sozialer Ausgangslagen (Milieus, Lebenslagen) aus. Angesichts dieser Differenzierung von Ausgangs- und Individuallagen sind die Voraussetzungen aus einer vor-und außerschulischen ‚Normalsozialisation‘heute immer weniger gegeben, der Anspruch, die Welt in einem einheitlichen Entwurf fassen zu können, müsse aufgegeben und ersetzt werden durch vielfältige, gleichzeitig gültige, also plurale Entwürfe für das Selbst und die Welt, die Sinnintegration gerät damit immer mehr zu einer voraussetzungsreichen und prekären Arbeit. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Menge des Wissens sowie (wissenschaftlicher) Deutungsmöglichkeiten rasant zunimmt und die Lehrerinnen zugleich in Konkurrenz „zur massenmedialen Vermittlung von Wissen und moralischen Standards“(Kade/Lüders 1996, 909f.) stehen. Folgt man diesen Szenarien, so leuchtet es ein, wenn Helsper konstatiert, dass die konstitutiven Antinomien des Lehrerhandelns hierdurch gesteigert werden: Die Differenzierungsantinomie im Lehrerhandeln wird zugespitzt, die Sachantinomie erfährt aufgrund der Pluralisie-rung lebensweltlicher und biographischer Hintergründe eine ansprüchlichere Ausformung, die Ungewissheit über den Erfolg der angestrebten Vermittlungen wächst an, und schließlich wird die Praxis- und Begründungsantinomie angesichts pluraler Deutungsmöglichkeiten prekärer: „Für den. Lehrer wachsen Entscheidungszwänge an bei gleichzeitiger Erhöhung von Begründungsverpflichtung“(Helsper 1996, 542). Gemeinsam mit der Tatsache, dass entlastende Traditionen zunehmend brüchig geworden sind, sind diese Legitimationsleistungen sowie des Herstellen von Lernsituationen über Beziehungsarbeit neue Aufgaben, die den Lehrerinnen zuwachsen und zugleich die Bedeutsamkeit des pädagogischen Arbeitsbündnisses bzw. des ‚Ar-beitsinterims‘(Krummheuer 1994) steigern und ungemein störanfälliger-gestalten.

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  45. Nach seinem Erachten sind für eine Professionalisierung des Lehrerhandelns zumindest fünf Wissensformen bedeutsam: „kasuistisches, fallrekonstruktives Wissen; biographisches, selbst-bezügliches und -reflexives Wissen; das Wissen um organisatorisch-institutionelle Ent-wicklungs- und Gestaltungsprozesse; ein reflexiv vermitteltes und rekonstruktiv untermauertes theoretisches Reflexionswissen über Lern-, Bildungs- und Sozialisationsprozesse, also ein Wissen um die Generierung des Wissens; sowie ein transversales Wissen zur Verbindung des Fachwissens mit anderen Wissensformen“(Helsper 2002, 96).

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  46. Vgl. etwa Schütze u.a. 1996, Combe/Buchen 1996, Dirks 1997, Helsper u.a. 2001, Fabel 2002. Schütze etwa nennt zwei fehlerhafte Bearbeitungsstrategien: zu versuchen, die Antinomien einseitig aufzulösen und die Existenz der Antinomien zu ignorieren oder die Konfrontation mit ihnen zu umgehen (1996, 255).

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  47. Den Einwand von Kunze (2001, 123), Bauer vernachlässige dabei die Fachkompetenz des Lehrers, kann ich nicht mittragen, da er ausdrücklich betont, Diplomdidaktiker seien „zugleich Experten für mindestens ein schulrelevantes Wissensgebiet, auf dem sie deutlich kompetenter sind als Laien“(Bauer/Kopka/Brindt 1996, 237).

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  48. Für Dirks sind dies Handlungs- und Deutungsmuster in Form „professioneller Balanceakte“, die routiniert und selbstreflexiv gehandhabt werden und den Prozess des Unterrichts organisierbar machen (Dirks 1999, 38).

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  49. Dirks verweist insbesondere auf ihre Fähigkeiten selbstbestimmten, kreativen Handelns, der empathischen Perspektivenübernahme und des sinnstiftenden Kommunizierens, die bereits in frühen Sozialisationsphasen entwickelt und aufgrund entsprechender Modifikationen für ihre beruflichen Handlungsfelder nutzbar gemacht wurden und bezeichnet diese als berufsbiographische Transfermuster (ebenda, 242).

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Meister, G. (2005). Die doppelte Rahmung des ‚Selbst‘: Handlungsfeld Unterricht und Deutungsmuster im Spiegel von allgemeiner Didaktik und pädagogischer Professionalität. In: Das unterrichtliche Selbstverständnis von LehrerInnen. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, vol 21. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80622-2_2

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  • Print ISBN: 978-3-531-14365-1

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