Zusammenfassung
Knapp fünfzehn Jahre nach dem Fall der Mauer und dem nachfolgenden Beitritt der DDR zur BRD sind die Lebensverhältnisse in Ost und West unverändert auf komplizierte Weise verschieden. Spuren und Formen dieser Differenz zeigen sich sowohl markant und deutlich als auch verdeckt und subtil. Sie werden überlagert von Annäherungen und der Herausbildung von Formen der Lebensführung, die eben nicht der bloßen Übernahme entspringen, sondern der Verbindung neuer Möglichkeiten mit altem Wissen und den Erfahrungen eines unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen gelebten Lebens. Diese, der Bricolage bzw. dem Patchwork ähnliche Neugestaltung von gesellschaftlichen und individuellen Lebensformen war vor allem Notwendigkeit für die in der DDR aufgewachsenen Menschen, die bereits im Spätherbst des Jahres 1989 den Namen und den Status des „Ossi“ mit nunmehr erweitertem Bedeutungsgehalt zugewiesen bekamen. Die „Wessis“ hatten, abgesehen von der kleinen Minderheit, die nach 1990 aus beruflichen oder sonstigen privaten Gründen in die neuen Bundesländer übergesiedelt ist, nach dem rauschhaften Vereinigungserleben der Jahre 1989 und 1990 nur wenig Bereitschaft verspürt, sich in einem neuen Deutschland neu zu verorten. Der Habitus des Westdeutschen war meist der des Voyeurs, der zwar zu gelegentlichen, manchmal sogar heftigen Gefühlsregungen fähig, dennoch nicht in besonderer Weise beteiligt war.
„Wenn man einen Schäferhundwerwolf aus Zerbst und einen Xoloizcuintle (mexikanischer Nackthund) aus Charlottenburg nebeneinander setzt, sieht man auf einen Blick die ganzen Vereinigungsprobleme.“
(Harald Martenstein in „Die Zeit“ vom 4. Dezember 2003)
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Simon, T. (2004). Von Divergenzen und Dissonanzen. In: Hufnagel, R., Simon, T. (eds) Problemfall Deutsche Einheit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80603-1_2
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