Zusammenfassung
Wissenschaftler haben in den neunziger Jahren entdeckt, dass zu ihren interessierten Bezugsgruppen nicht nur die Kollegen und einige Produktanwender gehören, sondern auch die allgemeine Öffentlichkeit. Und die Institutionen der Wissenschaft glauben nun, auch das Massenpublikum unter Einsatz der Medien mehr als bisher pflegen zu müssen. Dies drückt sich in einer enormen Aufwertung von „Öffentlichkeitsarbeit“ aus. In den Wissenschaftsorganisationen, Universitäten und Forschungsinstituten wurden Pressestellen eingerichtet oder erweitert. Die Zahl von Pressereferenten wuchs ständig und mit ihnen die Zahl von Presseinformationen und Pressekonferenzen. Die Sponsoren der Wissenschaft, vor allem die einschlägigen Landes- und Bundesministerien, haben diese Entwicklung gefördert, auch gefordert. Das Bonner Forschungsministerium hat teure PR-Programme angestoßen und finanziert. Inzwischen gehört es zu den Leistungsbilanzen ehrgeiziger Wissenschaftseinrichtungen, in ihren Rechenschaftsberichten die Zahl öffentlicher Veranstaltungen, Medienauftritte, Internetdarbietungen und Zeitungsnotizen auszuweisen, mit denen sie sich dem Publikum offenbart haben. Peter Weingart (2001: 247) vermerkt zu Recht: „Schon die bloße Spiegelung in den Medien gilt als Erfolg.“ Öffentlichkeitsarbeit ist also zum Pflichtprogramm der Wissenschaft geworden.
Überarbeitete und gekürzte Fassung meines Vortrags „Wissenschaft als öffentliche Angelegenheit“, der als Heft 3 in der Reihe der WZB-Vorlesungen veröffentlicht wurde (Berlin, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, 2002).
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Neidhardt, F. (2004). Wissenschaft als Politikum — Öffentlichkeitsbedürfnisse der Forschung auf dem Prüfstand. In: Die Stimme der Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80557-7_12
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