Zusammenfassung
Das Wettbewerbsprinzip gilt in marktorientierten Gesellschaften1 gemeinhin als Motor für wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritt. Wettbewerb findet nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch auf der individuellen Ebene statt. Konkurrenzsituationen ergeben sich im Alltagsleben des einzelnen Individuums vor allem in Bezug auf den Arbeits-, Bildungs- und Wohnungsmarkt. Die wesentlichen Maximen, die ein Bestehen der Wettbewerbssituationen auf den verschiedenen Märkten ermöglichen sollen, erwirbt bzw. internalisiert der Einzelne im Zuge seiner lebenslangen Sozialisation. Eine besondere Rolle für den Grad der Internalisierung solcher Maximen spielen dabei nicht nur die familiale und schulische Sozialisation, sondern auch die persönliche Erfahrung und Verarbeitung von Wettbewerbs- oder Konkurrenzsituationen. Zu diesen Maximen der marktorientierten Gesellschaft zählen Dominanzideologien, die vom Einzelnen als Werthaltungen des ‘Hierarchischen Selbstinteresses’ internalisiert werden. Das hinter diesen Werthaltungen liegende Bestreben, Leistung zu zeigen, um jeden Preis besser als andere zu sein und alleine bestehen zu können, lässt sich unter Rückgriff auf Vorstellungen des ‘common sense’ auch als Ellenbogenmentalität kennzeichnen. Dominanzideologien müssen dabei im historischen Kontext gesehen werden: Sie rekurrieren zwar auf klassische Marktlogiken, stellen aber eine verabsolutierte Form dar, die unter dem Eindruck von erreichten Grenzen des Wachstums, knapper Ressourcen und zunehmender ‘Unvollkommenheit’ der Märkte auftritt.
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Literatur
Da der Kapitalismusbegriff in den Sozialwissenschaften umstritten ist und eher unspezifisch auf eine ganze Reihe verschiedener Gesellschaftsmodelle angewendet wird (z.B. meritokratische und wohlfahrtsstaatliche Marktwirtschaften; vgl. Liebig/Wegener 1995) wird er im weiteren Verlauf der Arbeit an vielen Stellen durch den Begriff ‘marktorientiert’ oder ‘marktwirtschaftlich’ ersetzt. Eine marktorientierte Ordnung bzw. Marktwirtschaft, d.h. ein idealtypisches Modell der Wirtschaftsordnung, dessen Produktion durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, ist Hauptmerkmal kapitalistischer Gesellschaften (vgl. Hillmann 1994). Im Rahmen der Besprechung von Thesen von Autoren, die sich ausdrücklich auf den Terminus ‘Kapitalismus’ beziehen, wird der Begriff aber beibehalten.
Der Ausgang der Hessischen Landtagswahl 1999 — ein Sieg für die CDU — wurde u.a. durch eine Kampagne gegen die ‘Doppelte Staatsbürgerschaft’ seitens der Christlich-Demokratischen Union (CDU) „außergewöhnlich stark“ beeinflusst (Forschungsgruppe Wahlen 1999: 73).
Nach Ganter (1998: 34) sehen sich „nicht nur Teile der fremdenfeindlichen Straf- und Gewalttäter als tatkräftige Vollstrecker eines vermeintlichen ‘Volkswillens’“.
Der Autor zitiert in diesem Zusammenhang Rathgeber/Wahl (1993: 5): „Jugendliehe gestalten noch kaum selbst die Gesellschaft, sie finden die Gesellschaft vor, werden von ihr geprägt.“
Winkler/Haupt (1998) belegen empirisch, dass in Ostdeutschland die ältere Generation intoleranter gegenüber Ausländern ist als Jugendliche. In Westdeutschland treten fremdenfeindliche Einstellungen in höchsten Ausmaßen in den Geburtskohorten zwischen 1926 und 1940 auf; dann sinkt der Anteil des Ethnozentrismus bis zu den in den 1960ern Geborenen kontinuierlich ab, um dann wieder auf ein mittleres Niveau anzusteigen (Bromba/Edelstein 2001).
Dabei sind Ost-West-Unterschiede zu konstatieren: Sehröder/Melzer (1994) berichten, dass — je nach ausgewertetem Indikator — im Osten Deutschlands zwischen 20 und 40% der Jugendlichen und im Westen Deutschlands zwischen 10 und 30% als ausländerablehnend zu klassifizieren sind. Heitmeyer (1994) geht von einem relativ konstanten Kernbestand der Ausländerfeindlichkeit von 40% in Ost- und 20% in Westdeutschland aus. Nach dem DJI-Jugendsurvey 1997 sind in den Neuen Bundesländern 36% und in den Alten Bundesländern 18% der Jugendlichen zwischen 16 und 29 Jahren ausländerfeindlich (Kleinert et al. 1998; vgl. auch Kleinert/de Rijke 2000).
Mayer (1995) lehnt den Begriff der ‘Institutionalisierung’ wie auch den Begriff der ‘Individualisierung’ als Trendbegriffe ab, da sie gesehichtsphilosophische Entwicklungsmechanismen suggerierten. „Den kausalen Mechanismen des Wandels von Lebensverläufen kommt man erst dann auf die Spur, wenn man sie als ‘emerging structures’ sieht, die an der Schnittstelle von quantitativen Gelegenheitsstrukturen als Angebots- und Nachfragefaktoren, institutionellen Rahmenbedingungen, individuellem und familiärem Handeln sowie den immanenten Beschränkungen von Lebenszeitbudgets und der inneren Kontingenz von Biographien entstehen“ (Mayer 1995: 44).
Die im zeitlichen Vergleich unterschiedlichen Sichtweisen auf die Jugend als Problem lassen sich mit Hondrich (1999: 79) zusammenfassen: „Die Jugend ist der modernen Gesellschaft liebstes Kind — deshalb immer für Schreckensmeldungen gut: Mal folgt sie, in ihrem Idealismus, staatlich verordneten Irrlehren wie Nationalismus oder Sozialismus; mal rebelliert sie, wie die 68er, gegen staatliche Autoritäten. Dazwischen gilt sie als ‘skeptische’, danach als ‘Null-Bock’-Generation. Gestern wollte sie aussteigen, heute erstrebt sie nichts mehr als Ausbildungsplätze, Markenartikel und Statussymbole.“
Solcherart Werthaltungen sind auch für nicht-fremdenfeindliche Kriminalität relevant. Hermann (2001; 2002) zeigt, dass Delinquenz durch materialistische Werte gefördert und durch traditionelle Werte (z.B. religiöse Orientierung, normorientierte Leistungsethik) gehemmt wird.
Damit wird der Auffassung von Baacke et al. (1990) gefolgt, dass ‘face-to-face’-Interaktionen einen größeren Einfluss auf Jugendliche haben als massenmediale Sozialisationsmechanismen.
Die in dieser Arbeit empirisch betrachteten Zusammenhänge sind ‘fett’ hervorgehoben.
Der Wettbewerb ist vor allem ein ‘Kampf um soziale Anerkennung, (Endrikat et al. 2002) und soziale Positionen (Hirsch (1980 [1976]).
Diese Argumentation stützt sich auf eine Synthese der Annahmen von Weber (1988a [1920]) und Marx (1974b [1859]). Auch Parsons (1971, 1976) geht von einer wechselseitigen Durchdringung gesellschaftlicher Subsysteme (wie Kultur und Wirtschaft) aus.
Diese umfasst die „im Rahmen einer Handlungstheorie gesetzartig formulierbare Reaktionen auf situative Vorgaben bzw. Randbedingungen“ (Büschges et al. 1996: 101).
Diese Annahme ähnelt der individualisierungstheoretischen These von Heitmeyer et al. (1992), die postulieren, dass die Erfahrungen von sozialem Wandel bzw. insbesondere von Deprivation unter bestimmten Bedingungen durch eine Überbetonung kapitalistischer Werte (Instrumentalisierung) und letztlich Rechtsextremismus, kompensiert werden.
So zeigen Feldexperimente, dass ‘ausländisch’ anmutenden Personen weniger geholfen wird (Wegauskühfte, Service in Gaststätten, Wohnungsbesichtigungen, etc.) als Deutschen (Klink/Wagner 1999) sowie 10jährige Schülerinnen deutsche Sitznachbam bevorzugen (Wagner et al. 2001).
Die Wichtigkeit (Salience) einer Einstellung tritt dabei als Moderatorvariable auf: Ein hoher Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten ist dann zu erwarten, wenn die Einstellung zentral und wichtig für die Person ist (vgl. auch Cialdini et al. 1981; Eagly/Himmelfarb 1978).
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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Hadjar, A. (2004). Einleitung. In: Ellenbogenmentalität und Fremdenfeindlichkeit bei Jugendlichen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80537-9_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80537-9_1
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-14174-9
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