Zusammenfassung
„Sind des Kanzlers Haare gefärbt oder sind sie es nicht?“ Die Emphase, mit der sich im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 2002 vor allem der Boulevardjournalismus diesem Thema widmete, schien einmal mehr die Tendenz zur Personalisierung der Medienberichterstattung zu unterstreichen. Nicht allein der triviale Gegenstand dieser Debatte, sondern auch die von Gerhard Schröder selbst vorgenommene Zuspitzung der Wahlentscheidung auf die simple Formel „Ich oder er“ oder Edmund Stoibers Positionierung als kompetenter Problemlöser unter dem Slogan „Handeln statt Reden“ ließen den Wahlkampf als medial inszenierten Wettstreit zwischen dem amtierenden Bundeskanzler und seinem Herausforderer erscheinen. Die Wähler wurden Zeugen eines Schauspiels, in dem öffentlich über die Ähnlichkeit von Krawattenmustern diskutiert wurde und neben den Kandidaten auch Ehefrauen und — im Falle Stoibers — selbst Kinder und Enkelkinder zum Wahlkampfeinsatz antraten, um das Kandidatenimage möglichst positiv zu gestalten. Ihren Höhepunkt fanden die von den Parteien gewählten Wahlkampfstrategien und die während des gesamten Wahlkampfes auf die Spitzenkandidaten der beiden großen Volksparteien zentrierte Berichterstattung der Massenmedien in den so genannten „TV-Duellen“ Schröder gegen Stoiber (vgl. z.B. Maurer und Reinemann 2003). Parteien und Medien wirkten bei der Fokussierung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf die Spitzenkandidaten offenbar nahtlos zusammen.
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Gabriel, O.W., Neller, K. (2005). Kandidatenorientierungen und Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 1994–2002. In: Falter, J.W., Gabriel, O.W., Weßels, B. (eds) Wahlen und Wähler. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80516-4_9
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