Zusammenfassung
„Ich bin nicht gleich, ich bin anders!“ - mit diesem bemerkenswerten Slogan wirbt ein Afroamerikaner für die hoch preisige Kollektion eines exklusiven Herrenausstatters. Der Slogan selbst verweist unmittelbar auf eine Kontroverse, die Sozialtheoretiker und politische Philosophinnen mit Verve austragen. Im Umfeld der Diskussionen um die multikulturelle Gesellschaft wird die These vertreten, dass die politischen Kämpfe der Frauenbewegung, der lesbischen bzw. schwulen community und diverser ethnischer Gruppierungen für einen neuen Typus gesellschaftlicher Konflikte stehen. Neu, so Hirschman (1994) oder auch Taylor (1993), sind diese Konflikte deshalb, weil die genannten Gruppen nicht oder nicht mehr um Verteilungsgerechtigkeit und Gleichheit, sondern gegen kulturelle Stigmatisierung und für die Anerkennung von Differenz kämpfen. Diese neuen gesellschaftlichen Konflikte entzünden sich an Formen der Missachtung, die ihre Wurzeln im strukturellen Gefüge hochmoderner Gesellschaften haben, die ihrerseits auf der normativ-kulturellen Ebene ausschließlich auf die idealisierten Eigenschaften des männlichen, weißen, heterosexuellen Bürgers zugeschnitten sind. Der emanzipatorische Kampf der Frauenbewegung, ethnischer Minderheiten oder Homosexueller gilt der Überwindung dieser a-symmetrischen Anerkennungsordnung mit dem Ziel, gesellschaftliche Anerkennung der je eigenen Traditionen, Zugehörigkeiten, Lebenspraktiken und Identitäten zu erringen.
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Literatur
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Wagner, G. (2005). Die zwei Seiten der Anerkennung — Geschlechtergerechtigkeit und die Pluralisierung sozialer Wertschätzung. In: Heitmeyer, W., Imbusch, P. (eds) Integrationspotenziale einer modernen Gesellschaft. Analysen zu gesellschaftlicher Integration und Desintegration. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80502-7_4
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