Zusammenfassung
Ungleichheitsforscher zu sein, ist für Rainer Geißler untrennbar verbunden mit einem gesellschaftspolitischen Anliegen. Für ihn ist die Analyse ungleicher Lebenschancen immer auch mit Aspekten sozialer Gerechtigkeit verbunden (Geißler 1994a: 2). Geißler betreibt kritische Sozialstrukturanalyse und sieht sich somit der traditionellen — das heißt in diesem Fall: der klassentheoretischen — Ungleichheitsforschung verhaftet. Von Interesse sind für ihn die zum Teil problematischen Folgen sozialer Ungleichheit, wobei er mit seinem Konzept der Lebenschancen den Fokus darauf richtet, welche Auswirkungen soziale Ungleichheit auf die Handlungsmöglichkeiten der Individuen hat. Anders als Pierre Bourdieu (1979) oder Reinhard Kreckel (1982), denen es mit ihren klassentheoretischen Konzepten letztlich darum geht, ausgehend von der ungleichen Ressourcenausstattung gesellschaftlicher Akteure makrostrukturelle Dynamiken aufzudecken, bewegen sich Geißlers Analysen bezüglich der Folgen sozialer Ungleichheit ausschließlich auf der Mikroebene. In der Ursachedimension hingegen werden auch von ihm die ungleich verteilten knappen Güter — und damit die strukturellen Lebensbedingungen — in den Blick genommen. Ungleiche Lebenschancen sowie unterschiedliche Lebensformen und Lebensstile sind für Geißler maßgeblich mit der sozialen Schichtung der Gesellschaft verknüpft. Lebenschancen sind somit schichttypisch und im Wesentlichen abhängig von den vertikalen Zuweisungskriterien Einkommen, Beruf und Bildung.
Akzeptiert man jedoch, daß die symbolischen Systeme gesellschaftliche Produkte sind, die die Welt produzieren und sich nicht darauf beschranken, die gesellschaftlichen Verhältnisse widerzuspiegeln, sondern sie mitbedingen, dann muß man auch akzeptieren, daß in gewissen Grenzen die Welt verändert werden kann, indem man ihre Darstellung verändert. (Loïc J.D. Wacquant in Bourdieu/Wacquant 1992: 114)
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Volkmann, U. (2004). Das gesellschaftliche Bild sozialer Ungleichheit. In: Pöttker, H., Meyer, T. (eds) Kritische Empirie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80500-3_12
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