Tom Wolfe und der Mythos vom New Journalism

Zusammenfassung

Tom Wolfe, der Namensgeber des New Journalism, begleitete den Autor dieser Zeilen durch die letzten 35 Jahre seines Lebens — er wurde sozusagen alt mit ihm. Als ich Ende der 1960er Jahre in den USA studierte, wurde Wolfe gehandelt als einer der Hausautoren der Hippie-Bewegung, mit seinen ungewöhnlich authentisch klingenden Reportagen aus der Subkultur- und Drogenszene. In den 1970er Jahren machte er sich dann wegen seiner respektlosen Sachbücher über die linke Schickeria New Yorks und die Kunstszene einen Namen. In den 1980er Jahren, da war er bereits ein bekannter Schriftsteller, wurde er mit dem Schreiben voluminöser Bestseller-Romane zu einer der Galionsfiguren der leicht verdaulichen amerikanischen Literatur, mit Erfolgen rund um die Welt. Ich las seine zwei bekanntesten Romane im Urlaub, ging zu einer gut besuchten Lesung des Autors in einem Hamburger Theater, sah die Verfilmung von The Bonfire of the Vanities. Insgesamt beeindruckte mich sein konsequent inszeniertes öffentliches Erscheinungsbild mit dem immer gleichen cremefarbenen Anzug, dem Einstecktuch und den perfekten Manieren. Als Literat fand ich ihn überbewertet, es gibt bessere amerikanische Autoren. Eher nebenbei erfuhr ich, dass er ein Konzept von New Journalism entwickelt habe, basierend auf der Grenzgängerei zwischen Journalismus und Literatur. Das klang interessant, passte aber kaum zu dem Wolfe, den ich kannte. Grund genug, sich einmal intensiver mit diesem Konzept und seinem Schöpfer, Wolfe, auseinander zu setzen.

Karl Lagerfeld ist ein Dandy — neben Tom Wolfe der einzige von Bedeutung unter den Lebenden. Gekleidet wie er, sähe jeder andere outriert aus. Doch KL kann es sich leisten, er käme uns im Anzug von Brenninkmeyer komisch vor. Sein Outfit ist wie eine zweite Haut für ihn. Zum Dandy muss man geboren sein.

(Fivetonine — Lifestyle-Magazin der Wirtschaftswoche, Herbst 2003: 38)