Zusammenfassung
Die Programmatik des New Journalism lautet: „Erzählung statt Wiedergabe, Intuition statt Analyse, Menschen statt Dinge, Stil statt Stilistik“ (Haas/Wallisch 1991: 298). Damit verletzt er vor allem auch die Grenze zwischen Fakt und Fiktion, die die beiden Felder der Beschäftigung mit der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung scharf voneinander abgrenzen soll. Das musste als Provokation verstanden werden und löste entsprechende Diskussionen um die Glaubwürdigkeit und Qualität dieser Form des Journalismus aus. New Journalism wurde als oberflächlich, unmoralisch, unehrlich, demagogisch, pure Unterhaltung, trivial verurteilt (vgl. Wolfe 1990: 52–54; Wallisch 2000). Tom Wolfe beobachtet, dass dies eben jene Vorwürfe sind, die im 19. Jahrhundert gegen den realistischen Roman erhoben wurden, in dessen Tradition sich New Journalism sieht. Auch in der Parallelität der Vorwürfe zeigt sich, dass literarische und journalistische Weltbeobachtung Überschneidungen aufweisen. Zu sagen, dass sie sich an den Rändern überlappen, trifft den Kern dieses Verhältnisses aber nicht, da Überschneidungen vor allem auch da zu finden sind, wo journalistische und literarische Werke als besonders gelungen bezeichnet werden müssen. Ein gutes Beispiel dafür liefern in Deutschland die Reportagen von Egon Erwin Kisch (1885–1948), dem rasenden Reporter der 1920er Jahre, der die literarische Reportage begründete. Kisch, dessen journalistische Arbeit treffend als „Literatur in Eile“ bezeichnet wird, gilt bis heute als journalistisches Vorbild, wie der nach ihm benannte und vom Stern vergebene Reportagepreis zeigt.
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Klaus, E. (2004). Jenseits der Grenzen. In: Bleicher, J.K., Pörksen, B. (eds) Grenzgänger. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80493-8_6
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