Zusammenfassung
Die Struktur scheint eindeutig: Während Journalismus für Aussagen über die Realität zuständig ist, sind es Literatur, Spielfilm oder Hörspiel, die uns Fiktionen und somit „Als-Ob-Welten“ liefern. Journalismus ist damit zuständig für Aussagen darüber, wie es gewesen ist. Künstlerische Medienproduktionen liefern Aussagen darüber, wie es gewesen sein könnte, was möglich gewesen wäre oder in Zukunft sein könnte. Auf dieser Grundlage sind journalistische Aussagen als ‘richtig’ oder ‘falsch’ zu beurteilen, während an Fiktion kein solcher externer Maßstab anzulegen ist. Ihre Werke lassen sich demgegenüber als ‘überzeugend’, ‘authentisch’, ‘stimmig’ beurteilen — oder gegenteilig verreißen. Diese Urteile sind ästhetisch, immanent, allenfalls werkvergleichend angelegt. Eine Übereinstimmung mit der medienexternen Wirklichkeit ist nicht erforderlich, in aller Regel nicht einmal gefragt. So also scheint ein kategorialer Unterschied zwischen fiktionaler und non-fiktionaler Medienproduktion festgeschrieben. Diese Differenz schafft die Grundlage für Unterscheidungen auf mehreren Ebenen: rechtlich (Auskunftspflicht gegenüber Journalisten), ethisch (Wahrheitsanspruch, Sorgfaltspflicht) und ökonomisch (Konzentrationskontrolle) werden unterschiedliche Ansprüche an fiktionale und non-fiktionale Medienproduktion gestellt.
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Lünenborg, M. (2004). Regime der Wahrheit. In: Bleicher, J.K., Pörksen, B. (eds) Grenzgänger. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80493-8_16
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