Zusammenfassung
Voraussetzung jedweder wissenschaftlichen Analyse sind eindeutige, präzise und konsistente Begrifflichkeiten, die Benennung sachlich, sozial und zeitlich definierter Einheiten sowie das Offenlegen des gewählten theoretischen Zuganges. In Anbetracht dessen soll im Folgenden zunächst das der Untersuchung zu Grunde liegende Verständnis von Politik skizziert werden, aus dem sich die zentrale Bedeutung von Politikvermittlung für die politische Öffentlichkeit nicht (nur) normativ, sondern vor allem funktional ableiten lässt. In diesem Zusammenhang rückt das für das Funktionieren moderner Demokratien elementare Verhältnis von Politik und Massenmedien in den Mittelpunkt des Interesses, das vor dem Hintergrund zunehmender Komplexitätssteigerungen in Politik, Medien und Gesellschaft diskutiert werden soll (vgl. u.a. Zolo 1997: 23ff.; Saxer 1998: 46ff.). Dadurch wird ein makroanalytischer Untersuchungsrahmen aufgespannt, auf den im Anschluss auf der Mesoebene der involvierten Organisationen (vgl. Kapitel 3) sowie auf der Mikroebene der handelnden und interagierenden Akteure (vgl. Kapitel 4) zurückgegriffen wird.
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Jürgen Gerhards (1994: 93) spezifiziert dies, indem er die verschiedenen Stufen der Herstellung von Entscheidungen berücksichtigt. Demnach besteht die Funktion des politischen Systems in (1) der Formulierung und Aggregation, (2) der Herstellung und (3) der Durchsetzung kollektiv verbindlicher Entscheidungen.
Wird der systemtheoretische Ansatz wie hier für die Meso- und Mikroebene um Theorien des rationalen Handelns erweitert, so beschränkt sich dies in aller Regel auf Parteien und Regierung (vgl. Gerhards 1994: 95ff.). Andere für den Input und insbesondere für den Output verantwortliche kollektive politische Akteure werden demgegenüber gemeinhin von der Analyse ausgeschlossen. Dessen ungeachtet lassen sich z.B. auch für administrative politische Akteure systemnormative Funktionen und Leistungen benennen, welche wiederum den Stellenwert der politischen Öffentlichkeitsarbeit) determinieren (vgl. z.B. Marschall 1999: 87ff).
Auf die vielfältigen Gefahren, die dieser Art der „Herrschaft durch Beobachtung“ innewohnen, ist von politikwissenschaftlicher Seite mehrfach hingewiesen worden. So würde die durch Beobachtung des Meinungsmarktes gesteuerte „Skopeokratie“ (Kaack 1978: 358f.) nicht nur die Tendenz zur Anonymität von Herrschaft forcieren, sondern vor allem die Legitimationsfindung von der politischen Führung hin zur politischen Vermittlung verlagern. Schließlich würden langfristige politische Vorhaben in „Stimmungsdemokratien“ (Oberreuter 1987) bzw. „Umfragekratien“ (Zolo 1997: 202) nicht mehr realisiert werden, würde politische Führung quasi „am Tropf demoskopisch ermittelter Befindlichkeiten hängen, wobei den Demoskopen — aus einem normativem Blickwinkel — mitunter mangelnde Reflexion ihrer politischen Verantwortung und der soziopoliti-schen Folgen ihres Handelns vorgehalten wird (vgl. bereits Hennis 1968).
Öffentliche Meinung soll hier als in öffentlichen Kontexten kommunizierbare „herrschende“ Meinung verstanden werden. Insofern besteht eine deutliche Differenz zur Bevölkerungsmeinung als Summe von individuellen Meinungen, wie sie in Umfragen gemessen werden (vgl. Neidhardt 1994b: 7ff): „Öffentliche Meinung, das sind Meinungen, Verhaltensweisen, die man in der Öffentlichkeit äußern oder zeigen muß, wenn man sich nicht isolieren will; in kontroversen, im Wandel begriffenen Bereichen oder in neu entstandenen Spannungszonen in der Öffentlichkeit äußern kann ohne Gefahr, sich zu isolieren“ (Noelle-Neumann 1996: 257).
Massenkommunikation ist demnach per definitionem die indirekte, einseitige und öffentliche Übertragung von Aussagen vermittelt durch ausdifferenzierte, professionalisierte und organisierte Leistungsrollen (Kommunikatoren) via technische Verbreitungsmittel an ein großes, disperses, vom Kommunikator räumlich abgetrenntes und weitestgehend passives Publikum (vgl. Rucht 1994: 168).
Günter Bentele unterscheidet entsprechend zwischen funktionalen Kommunikatoren (Politikern, Wirtschaftsangehörigen, Sportlern etc.) einerseits und Berufskommunikatoren, zu denen er journalistische und PR-Kommunikatoren zählt, andererseits (vgl. Bentele 1997: 183).
Darüber hinaus ist eine zunehmende Ausdifferenzierung von Leistungsrollen zur Beobachtung der Öffentlichkeit sowohl auf Seiten politischer Organisationen (z.B. Meinungsforschungsinstitute) als auch auf Seiten der Massenmedien (z.B. Einschaltquotenmessungen, Markt- und Mediaforschung) zu beobachten.
Das „Arenenmodell“ (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990) wurde in Auseinandersetzung mit dem Habermasschen „Diskursmodell“ (vgl. Habermas 1962, 1981, 1992: 399ff.) und dem Luhmann-schen „Spiegelmodell“ (vgl. Luhmann 1975a, 1996: 138ff.) entwickelt. Dabei verweist der Begriff der Arena auf den Umstand, dass es sich bei (moderner) Öffentlichkeit in erster Linie um ein offenes Kommunikationsforum handelt, in dem einige Akteure vor einer mehr oder weniger großen Zahl von Beobachtern, dem Publikum, agieren.
Es sei darauf hingewiesen, dass an anderer Stelle „Politikvermittlung“, „Politikdarstellung“, „symbolische Politik“, „politische Kommunikation“ und auch „politisches Marketing“ mitunter synonym verwendet werden (vgl. u.a. Sarcinelli 1987b, 1991, 2000: 21; Jansen/Ruberto 1997; Dombrowski 1997; Zolo 1997).
Die Abbildung dient in erster Linie der analytischen Trennung zentraler Begriffliehkeiten. Nicht dargestellt ist, auf welche Art und Weise die Sphären und Dimensionen miteinander verwoben sind. Dies wird an anderer Stelle am Beispiel der Verflechtung der vier Arenen parlamentarischer Kommunikation veranschaulicht (vgl. Sarcinelli/Tenscher 2001).
Darüber hinaus werden politische Berater nicht nur in Sachfragen, sondern in zunehmendem Maße auch bei deliberativ angelegten Verhandlungsprozessen, wie z.B. Mediationsverfahren, Hearings u.a., zu Rate gezogen. Damit ist nicht zuletzt die Hoffung verbunden, die Legitimität politischer Verfahren und Entscheidungen zu steigern (vgl. Greiffenhagen 1998: 160ff). In diesem Zusammenhang ist jedoch aus normativer Perspektive zu fragen, inwieweit sich das wachsende Experten-tum in der politischen Sphäre mit demokratietheoretischen Konzeptionen verträgt, die Demokratie zuvorderst als Errungenschaft mündiger, verantwortungsbewusster und sachkundiger Bürger definieren. „Am Zustand des spannungsreichen Verhältnisses von (Experten-)Sachkenntnis und (Bür-ger-)Mündigkeit kann der Grad der tatsächlichen Demokratisierung moderner Gesellschaften im Hinblick auf fast alle zukunftsrelevanten Fragestellungen abgelesen werden“ (Beiner 1996; 126).
Dies unterstreicht einmal mehr, dass gesellschaftliehe Veränderungen immer mit sich ändernden Kommunikationsbedingungen einhergehen (vgl. Luhmann 1975a; Münch 1995; Blumer 1997; Zo-lo 1997: 34ff.; Saxer 1998: 26ff.). Die Existenz und der Wandel der massenmedialen Kommunikation ist in diesem Zusammenhang sowohl als Ursache als auch als Folge der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft zu interpretieren (vgl. Kaase 1986: 359; Schulz 1997: 195).
Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bietet sich demgegenüber analog zur bekannten Lasswell-Formel — „ Who says what in which channel to whom with what effect?“ (Lasswell 1963: 117) — eine Unterteilung der Forschungsstränge nach (1) Formen und Inhalten massenmedialer Politikdarstellung, (2) Kommunikationsstrategien und Interaktionen von Politikern, „Öffentlichkeitsarbeitern“ und Journalisten sowie (3) Rezeption und Folgen von Politikvermittlung und massenmedialer Politikdarstellung an (vgl. Jarren et al. 1996: 15ff).
Auch Beziehungen zwischen politischer Öffentlichkeitsarbeit bzw. Politikvermittlung auf der einen und Journalismus auf der anderen Seite können unter einem makroanalytischem Blickwinkel analysiert werden (vgl. Jarren 1993 et al.: 15f; Bentele 1998). Im vorliegenden Kontext interessieren — darüber hinaus — zum einen die organisatorische Verankerung professioneller Politikvermittlung und damit die Mesoebene politischer Kommunikation (vgl. Kapitel 3) als auch die Mikroebene der Interaktion von Politikvermittlungsexperten und Journalisten (vgl. Kapitel 4).
Schon in der hier nur skizzierten Wiedergabe der Instrumentalisierungsthese wird deutlich, dass diese — wie auch die Dependenzthese und das Symbiose-Paradigma — nicht ausschließlich makroanalytisch und systemtheoretisch argumentiert. Vielmehr werden mitunter Makrobefunde mit prozessualen und/oder inhaltlichen Veränderungen sowie mit Mikrobefunden auf der Akteursebene verflochten. Im vorliegenden Kontext wird stattdessen der Versuch unternommen, politischmediale Beziehungen und Veränderungen auf allen drei Ebenen nacheinander zu diskutieren, ohne dabei den Gesamtzusammenhang aus dem Blick zu verlieren.
Blumler und Gurevitch verweisen darauf, dass sich Constraints nicht nur systemtheoretisch begründen, sondern auch normativ ableiten lassen (vgl. Blumler/Gurevitch 1995: 20ff.; Marschall 1999: 87ff. sowie Kapitel 4.3).
Es ist nicht der Ort, um auf den wissenschaftstheoretischen Grundsatzstreit im Zusammenhang mit der Konstruktivismusdebatte einzugehen, nach dem die Frage zu stellen wäre, was (politische) Wirklichkeit ist, ob diese durch die Berichterstattung widergespiegelt und u.U. verzerrt werden kann (vgl. Kepplinger 1989a) oder sich erst durch die Berichterstattung in den Medien konstituiert (vgl. Schulz 1976; Luhmann 1996).
Offensichtlich handelt es sich bei der Ausdifferenzierung von Politikvermittlungsagenturen um einen Versuch, durch Programmierung auf das journalistische System einzuwirken. Programmierung bezeichnet in diesem Sinne die Programmstrukturen, die medialen Logiken von Seiten der politischen Organisation aufzunehmen und entsprechende Angebote zu schaffen. Derartige indirekte Einflussversuche sind von direkten Zugriffskanälen — wie z.B. via Alimentierung oder Regulierung — zu unterscheiden (vgl. Marcinkowski/Bruns 2000: 218f.).
Dies ist vielmehr eine normative, demokratietheoretische Frage, die auf die Folgen einer für den Bürger i.d.R. undurchschaubaren symbiotische Beziehung abzielt, in der das politische System immer medialer und das mediale System immer politischer agieren. Aus normativer Perspektive stellt sich hierbei zunehmend die Frage, inwieweit die klassischen Prinzipien der Gewaltenteilung und der wechselseitigen Kontrolle zuzeiten funktional notwendiger politisch-medialer Interdepen-denz realisiert werden (können) und wie insbesondere die politisch-medialen Zentralakteure mit dem Widerspruch zwischen faktischem Kooperationszwang und normativer eingeforderter Distanz umgehen (vgl. Saxer 1992; Hoffmann 2003 sowie Kapitel 4.3).
Dies ist sicherlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Massenmedien und Journalisten im Prozess der „Amerikanisierung“ ja nicht nur Beobachter, sondern — genauso wie Politik und Politiker — auch „Betroffene“ und „Mitverursacher“ sind. Gerade dadurch, dass sich Journalisten mithin von Amerikanisierungsphänomenen distanzieren und als „Hauptschuldige“ Politiker und deren „Spin Doctors“ identifizieren, vermögen sie also — scheinbar -, ihrer normativ eingeforderten Kritik- und Kontrollfunktion nachzukommen. In diesem Zusammenhang sollte jedoch auch auf selbstkritische Medienberiehte aufmerksam gemacht werden, die von einseitigen „Schuldzuweisungen“ Abstand nehmen und die Interdependenz von Politik und Massenmedien offen legen (vgl. u.a. Prantl 2002). 37 Für den außerdeutschen Kontext liegen bereits seit Anfang der neunziger Jahre eine Vielzahl an Untersuchungen zur Frage der „Amerikanisierung“ der politischen Kommunikation vor. Diesbezüglich ist ein deutliches Übergewicht an Studien mit Bezug auf Großbritannien festzustellen (vgl. u.a. Blumler 1990; Kavanagh 1995; Franklin 1995; farrell 1996; Harrison 1997; Norris et al. 1999; Blumler/Gurevitch 2001; Butler/Kavanagh 2002). Grundlegende Ausführungen in Bezug auf Frankreich finden sich u.a. bei Kaid et al. (1991) und Maarek (1995); für Skandinavien vgl. Esais-son (1991), Asp/Esaisson (1996) und Åsard (1997); für Italien Mazzoleni (1996) und Helms (2002). Überdies ist in den vergangenen Jahren die Zahl der international vergleichenden Studien in diesem Forschungsfeld — u.a. mit deutscher Beteiligung — deutlich gestiegen (vgl. Swan-son/Mancini 1996; LeDuc et al. 1996; Pfetsch 2000a; Plasser et al. 1998, 1999; Plasser 2000a-b; Blumler/Gurevitch 2001; Esser et al. 2001).
So identifiziert Schulz folgende zentrale Merkmale der „Amerikanisierung“ der Wahlkommunikation: Personalisierung der Kampagne, Wahlkampf als Kandidaten-Wettstreit, Angriffswahlkampf, Professionalisierung, Marketing-Ansatz sowie Themen- und Ereignismanagement (vgl. Schulz 1997: 186f). Während jedoch einige dieser „Merkmale“ die Strukturen, Bedingungen und Prozesse der Politikvermittlung tangieren (z.B. Professionalisierung, Marketing-Ansatz), handelt es sich bei anderen um eine Beschreibung der Beschaffenheit wahlkampfspezifischer Aussagen (z.B. Angriffswahlkampf).
Noch „orthodoxer“, um nicht zu sagen: eigentümlicher, muten aus modernisierungstheoretischem Blickwinkel jene Studien an, die Veränderungen der politischen Kommunikation weitgehend negieren oder deren „Hochphasen“ auf die 1970er Jahre zurückdatieren (vgl. Müller 1999).
Mancini geht konsequenterweise noch einen Schritt weiter und bezieht die modernisierungsbedingte „professionalization of politics“ sowohl auf die Sphäre der Politikvermittlung als auch auf die Sphäre der politischen Entscheidungsfindung, wo so genannte Think Tanks an Einfluss gewönnen (vgl. Mancini 1999: 240; Thunert 1999).
Dazu zählen routinemäßige Inszenierungen (z.B. Pressekonferenzen und Pressemitteilungen), spektakuläre Inszenierungen (z.B. Kundgebungen, Demonstrationen) sowie ungewöhnliche Ereignisse (z.B. Fallschirm springende oder durch den Rhein schwimmende Spitzenpolitiker).
Dagegen scheint sich ein weiteres oft genanntes inhaltliches Merkmal moderner Politikvermittlung im deutschen Kontext nicht niederzuschlagen. So finden sich bisher keine überzeugenden Belege für den vermuteten Anstieg des „Negative Campaignings“ in der Wahlkampfkommunikation (vgl. Schulz 1997: 213ff.; Holtz-Bacha 2000c: 181f.).
Zweifelsohne hat nicht zuletzt die zunehmende Kritik am medialen Erscheinungsbild des Kanzlers zu dessen abrupten Rückzug aus den Unterhaltungsformaten des Fernsehens im Jahr 1999 geführt. Wie auch die Debatte um die Privatfotos des Verteidigungsministers Scharping im Spätsommer 2001 verdeutlichte, muss offensichtlich auch — oder gerade — in der „Mediendemokratie“ die Balance zwischen medialen Bedürfnissen einerseits und amtsbezogenen Erwartungen andererseits gewahrt bleiben (vgl. Sarcinelli 2001; Vogt 2002).
Entsprechende Befürchtungen kamen erst jüngst wieder in der durch den Bundestagspräsidenten angestoßenen Debatte um den angeblichen und tatsächlichen Bedeutungsverlust des Parlaments zum Ausdruck (vgl. Thierse 2001).
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Tenscher, J. (2003). Politik — Massenmedien — Öffentlichkeit. In: Professionalisierung der Politikvermittlung?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80484-6_3
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